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Energie & Management > Österreich - Wien Energie verzeichnet
Quelle: Fotolia / YuI
Österreich

Wien Energie verzeichnet "schwieriges Jahr" 2021

Wegen höherer Großhandelspreise für Erdgas fiel der Gewinn des größten österreichischen Kommunalversorgers  um 61,1 %. Abhelfen soll ein milliardenteures Investitionsprogramm.
„Ein schwieriges Jahr“ sei 2021 gewesen, berichtete der Vorsitzende der Geschäftsführung der Wien Energie, Michael Strebl, bei der Bilanzpressekonferenz am 2. Mai: „Unglaubliche Preisentwicklungen im Großhandel mit Erdgas und Strom haben ihre Spuren in unserer Geschäftsentwicklung hinterlassen.“ Die Wien Energie habe um rund 28 % weniger Erdgas verbraucht, für das benötigte Gas aber in Summe etwa doppelt so viel bezahlt wie 2020.

Im Detail sah die Geschäftsentwicklung so aus: Die Umsatzerlöse stiegen im Vergleich mit 2020 um 56,2 % auf 3,04 Mrd. Euro. Dem gegenüber fiel das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) um 28,3 % auf 316,5 Mio. Euro. Das operative Ergebnis (Ebit) verringerte sich um 58,7 % auf 159,1 Mio. Euro. In Summe verblieb der Wien Energie, die als weit größter österreichischer Kommunalversorger zu 100 % im Eigentum der Wiener Stadtwerke und damit der Stadt Wien steht, ein Gewinn von rund 140,0 Mio. Euro. Das sind um 61,1 % weniger als 2020.

Wegen der weiterhin angespannten und höchst volatilen Situation auf den Großhandelsmärkten für Energie dürfte das aktuelle Jahresergebnis noch schlechter ausfallen als jenes von 2021, warnte Strebl. Nicht äußern wollte sich der Wien-Energie-Chef zu Gerüchten über mögliche weitere Preiserhöhungen: „Was ich heute dazu sage, kann morgen schon wieder falsch sein.“

Wie berichtet, hatte die Energieallianz als gemeinsame Vertriebsgesellschaft der Wien Energie, der niederösterreichischen EVN und der Energie Burgenland ihre Strompreise für Haushalte per 1. Januar um bis zu 156 Euro pro Jahr erhöht. Mit 1. Februar hob sie ihre Gaspreise für Haushalte um bis zu 252 Euro pro Jahr an. Seit Wochen wird vor allem über eine Anhebung der Kosten für die Fernwärmeversorgung spekuliert. Der Hintergrund: Etwa 60 % der in Wien benötigten Fernwärme werden mittels Erdgas erzeugt. An der Wiener Stromerzeugung hat Erdgas laut Strebl einen Anteil von „etwas mehr als 60 %“.

1,29 Mrd. Euro für „Gas-Ausstieg“

Strebl zufolge gibt es nur einen Weg aus der Misere: „Wir müssen uns aus der Abhängigkeit von Erdgas herausinvestieren.“ Für ihren „Gas-Ausstieg“ wendet die Wien Energie bis einschließlich 2026 rund 1,29 Mrd. Euro auf. Von diesen fließen etwa 48 % in die „Dekarbonisierung“ der Fernwärmeversorgung, 26 % in den Ökostromausbau und sieben % in eine möglichst „klimaneutrale“ (Fern-)Kälteversorgung.

Der für die Energieerzeugung zuständiger Mitgeschäftsführer Karl Gruber erläuterte, bei der Fernwärme gehe es vor allem um die Entwicklung der Tiefengeothermie. Bereits heuer soll mit dem ersten Projekt begonnen werden. Ab etwa 2024 könnte Wärme aus den Heißwasservorkommen in etwa 2.700 Metern Tiefe im Nordosten der Stadt genutzt werden. Das bis 2030 erschließbare Potenzial bezifferte Gruber mit rund 120 MW. Längerfristig ließen sich österreichweit etwa 450 bis 700 MW an Tiefengeothermie nutzen, davon bis zu 50 % in Wien, berichtete Gruber. Strebl zufolge ist geplant, die Fernwärmeversorgung bis 2040 vollständig zu „dekarbonisieren“. Je 25 % des Bedarfs sollen mittels thermischer Abfallverwertung, Geothermie, Großwärmepumpen sowie „grünen“ Gasen gedeckt werden.

Klimaneutral betreiben möchte die Wien Energie künftig auch ihre Kraft-Wärme-Kopplungen, die zurzeit Erdgas als Brennstoff verwenden. Ab 2023 ist geplant, im Zuge eines Pilotprojekts im Kraftwerk Donaustadt im gleichnamigen Wiener Stadtteil dem Erdgas bis zu 15 Volumenprozent Wasserstoff beizumengen. „Wenn das funktioniert, werden wir den Versuch auf das Kraftwerk Simmering ausdehnen und auf bis zu 30 % Wasserstoff gehen“, berichtete Gruber. An dem Pilotprojekt beteiligt sind neben seinem Unternehmen die Kölner Rheinenergie, Siemens Österreich sowie der größte österreichische Energiekonzern Verbund.

Details zur Finanzierung sowie zu den Auswirkungen der Milliardeninvestition auf die Verschuldung der Wien Energie, die Schuldenquote sowie die Eigenkapitalquote des Unternehmens wollte Strebl auf Anfrage der Redaktion nicht nennen. Einer Sondersteuer auf die Gewinne der Energieunternehmen, wie sie auch die österreichischen Sozialdemokraten (SPÖ) fordern, steht Strebl skeptisch gegenüber: „Wir haben, wie gesagt, ein sehr belastetes Jahresergebnis.“ In Wien regiert die SPÖ seit 1945 durchgehend.

„Sehr gut vorbereitet“ auf Embargo

Zu den Spekulationen, die EU könnte den Import von Erdgas aus Russland verbieten, beschied Strebl, die Wien Energie sei darauf im Rahmen ihrer Möglichkeiten „sehr gut“ vorbereitet. Einige ihrer Heizkraftwerke könne sie notfalls mit Schweröl betreiben. Einen gewissen Beitrag zur Fernwärmeversorgung hätte auch das Biomassekraftwerk Wien-Simmering mit seinen 35 MW thermischer Leistung zu bieten. Ferner richte die Bundesregierung bekanntlich die Notstandsreserve ein, die ausreichen solle, um den Bedarf eines Monats zu decken: „Darüber hinaus wird man sehen.“

Montag, 2.05.2022, 15:12 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Wien Energie verzeichnet
Quelle: Fotolia / YuI
Österreich
Wien Energie verzeichnet "schwieriges Jahr" 2021
Wegen höherer Großhandelspreise für Erdgas fiel der Gewinn des größten österreichischen Kommunalversorgers  um 61,1 %. Abhelfen soll ein milliardenteures Investitionsprogramm.
„Ein schwieriges Jahr“ sei 2021 gewesen, berichtete der Vorsitzende der Geschäftsführung der Wien Energie, Michael Strebl, bei der Bilanzpressekonferenz am 2. Mai: „Unglaubliche Preisentwicklungen im Großhandel mit Erdgas und Strom haben ihre Spuren in unserer Geschäftsentwicklung hinterlassen.“ Die Wien Energie habe um rund 28 % weniger Erdgas verbraucht, für das benötigte Gas aber in Summe etwa doppelt so viel bezahlt wie 2020.

Im Detail sah die Geschäftsentwicklung so aus: Die Umsatzerlöse stiegen im Vergleich mit 2020 um 56,2 % auf 3,04 Mrd. Euro. Dem gegenüber fiel das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) um 28,3 % auf 316,5 Mio. Euro. Das operative Ergebnis (Ebit) verringerte sich um 58,7 % auf 159,1 Mio. Euro. In Summe verblieb der Wien Energie, die als weit größter österreichischer Kommunalversorger zu 100 % im Eigentum der Wiener Stadtwerke und damit der Stadt Wien steht, ein Gewinn von rund 140,0 Mio. Euro. Das sind um 61,1 % weniger als 2020.

Wegen der weiterhin angespannten und höchst volatilen Situation auf den Großhandelsmärkten für Energie dürfte das aktuelle Jahresergebnis noch schlechter ausfallen als jenes von 2021, warnte Strebl. Nicht äußern wollte sich der Wien-Energie-Chef zu Gerüchten über mögliche weitere Preiserhöhungen: „Was ich heute dazu sage, kann morgen schon wieder falsch sein.“

Wie berichtet, hatte die Energieallianz als gemeinsame Vertriebsgesellschaft der Wien Energie, der niederösterreichischen EVN und der Energie Burgenland ihre Strompreise für Haushalte per 1. Januar um bis zu 156 Euro pro Jahr erhöht. Mit 1. Februar hob sie ihre Gaspreise für Haushalte um bis zu 252 Euro pro Jahr an. Seit Wochen wird vor allem über eine Anhebung der Kosten für die Fernwärmeversorgung spekuliert. Der Hintergrund: Etwa 60 % der in Wien benötigten Fernwärme werden mittels Erdgas erzeugt. An der Wiener Stromerzeugung hat Erdgas laut Strebl einen Anteil von „etwas mehr als 60 %“.

1,29 Mrd. Euro für „Gas-Ausstieg“

Strebl zufolge gibt es nur einen Weg aus der Misere: „Wir müssen uns aus der Abhängigkeit von Erdgas herausinvestieren.“ Für ihren „Gas-Ausstieg“ wendet die Wien Energie bis einschließlich 2026 rund 1,29 Mrd. Euro auf. Von diesen fließen etwa 48 % in die „Dekarbonisierung“ der Fernwärmeversorgung, 26 % in den Ökostromausbau und sieben % in eine möglichst „klimaneutrale“ (Fern-)Kälteversorgung.

Der für die Energieerzeugung zuständiger Mitgeschäftsführer Karl Gruber erläuterte, bei der Fernwärme gehe es vor allem um die Entwicklung der Tiefengeothermie. Bereits heuer soll mit dem ersten Projekt begonnen werden. Ab etwa 2024 könnte Wärme aus den Heißwasservorkommen in etwa 2.700 Metern Tiefe im Nordosten der Stadt genutzt werden. Das bis 2030 erschließbare Potenzial bezifferte Gruber mit rund 120 MW. Längerfristig ließen sich österreichweit etwa 450 bis 700 MW an Tiefengeothermie nutzen, davon bis zu 50 % in Wien, berichtete Gruber. Strebl zufolge ist geplant, die Fernwärmeversorgung bis 2040 vollständig zu „dekarbonisieren“. Je 25 % des Bedarfs sollen mittels thermischer Abfallverwertung, Geothermie, Großwärmepumpen sowie „grünen“ Gasen gedeckt werden.

Klimaneutral betreiben möchte die Wien Energie künftig auch ihre Kraft-Wärme-Kopplungen, die zurzeit Erdgas als Brennstoff verwenden. Ab 2023 ist geplant, im Zuge eines Pilotprojekts im Kraftwerk Donaustadt im gleichnamigen Wiener Stadtteil dem Erdgas bis zu 15 Volumenprozent Wasserstoff beizumengen. „Wenn das funktioniert, werden wir den Versuch auf das Kraftwerk Simmering ausdehnen und auf bis zu 30 % Wasserstoff gehen“, berichtete Gruber. An dem Pilotprojekt beteiligt sind neben seinem Unternehmen die Kölner Rheinenergie, Siemens Österreich sowie der größte österreichische Energiekonzern Verbund.

Details zur Finanzierung sowie zu den Auswirkungen der Milliardeninvestition auf die Verschuldung der Wien Energie, die Schuldenquote sowie die Eigenkapitalquote des Unternehmens wollte Strebl auf Anfrage der Redaktion nicht nennen. Einer Sondersteuer auf die Gewinne der Energieunternehmen, wie sie auch die österreichischen Sozialdemokraten (SPÖ) fordern, steht Strebl skeptisch gegenüber: „Wir haben, wie gesagt, ein sehr belastetes Jahresergebnis.“ In Wien regiert die SPÖ seit 1945 durchgehend.

„Sehr gut vorbereitet“ auf Embargo

Zu den Spekulationen, die EU könnte den Import von Erdgas aus Russland verbieten, beschied Strebl, die Wien Energie sei darauf im Rahmen ihrer Möglichkeiten „sehr gut“ vorbereitet. Einige ihrer Heizkraftwerke könne sie notfalls mit Schweröl betreiben. Einen gewissen Beitrag zur Fernwärmeversorgung hätte auch das Biomassekraftwerk Wien-Simmering mit seinen 35 MW thermischer Leistung zu bieten. Ferner richte die Bundesregierung bekanntlich die Notstandsreserve ein, die ausreichen solle, um den Bedarf eines Monats zu decken: „Darüber hinaus wird man sehen.“

Montag, 2.05.2022, 15:12 Uhr
Klaus Fischer

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