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Energie & Management > Österreich - Wien-Energie-Geschäftsführer Strebl wehrt sich
Quelle: Fotolia / YuI
Österreich

Wien-Energie-Geschäftsführer Strebl wehrt sich

Das Unternehmen habe bei der Absicherung seiner Termingeschäfte nicht spekuliert, sondern sei von einem „Tsunami überrollt“ worden. Insider sehen strukturelle Probleme.
Erstmals seit Bekanntwerden der Probleme der Wien Energie bei der Absicherung von Termingeschäften an den Energiebörsen am vergangenen Wochenende äußerte sich Geschäftsführer Michael Strebl zu der Causa. Er berichtete am 1. September, sein Unternehmen sei am Freitag, dem 26. August, „von einem Tsunami überrollt“ worden. An diesem Tag seien die Strompreise von rund 500 Euro/MWh auf über 1.000 Euro gestiegen.

Damit habe sich die Kaution zur Absicherung von Stromverkaufs-Futures der Wien Energie massiv erhöht: „Wir haben am Samstag, dem 27. August, in der Früh erfahren, dass wir am darauf folgenden Montag eine Rechnung über Sicherheitsleistungen von 1,7 Mrd. Euro zahlen müssen.“ Angesichts der steigenden Strom- und Gaspreise in den vergangenen Monaten habe die Wien Energie ihre Liquiditätsreserven erhöht und diesbezüglich Gespräche mit ihren Banken geführt.

Ferner sei sie an ihren Eigentümer, die Wiener Stadtwerke, mit der Bitte um Bereitstellung von zusätzlicher Liquidität herangetreten. Nachdem die Stadtwerke ihre Möglichkeiten ausgeschöpft hatten, wandten sich diese an ihren Eigentümer, die Stadt Wien, die zugleich den Status eines Bundeslandes innehat. Die Stadt habe eine „Schutzschirm“ von insgesamt rund 1,4 Mrd. Euro aufgespannt. Dieses Geld war jedoch am 27. August aufgebraucht. Daher sei die Wien Energie gemeinsam mit den Wiener Stadtwerken und dem Land Wien an die Republik Österreich herangetreten. Wie berichtet, stellt diese dem Land Wien nun eine Kreditlinie über 2 Mrd. Euro zur Verfügung, die binnen zwei Stunden abrufbar sind und der Absicherung der Börsenhandelstätigkeit der Wien Energie dienen.

Vehement wehrte sich Strebl gegen den Vorwurf, „Spekulationsgeschäfte“ getätigt zu haben: „Wir haben nicht spekuliert. Die Wien Energie hat eine sehr risikoaverse Handelsstrategie. In unserem Risikohandbuch sind Spekulationen ausdrücklich verboten. So etwas kommt sozusagen nicht vor.“ Außerdem seien sich alle einschlägigen Experten einig, dass der Energiehandel „über die Börse in Zeiten wie diesen die risikoärmste Strategie ist, die man fahren kann.“

Strukturelle Probleme

Kenner der Angelegenheit, die ihre Namen öffentlich nicht genannt wissen wollten, bestätigten der Redaktion, dass sich das Problem der Wien Energie grob gesprochen folgendermaßen darstellt: Die Wien Energie kaufte Futures über den Verkauf von Strom, den sie folglich zu einem bestimmten Zeitpunkt um einen bestimmten Preis liefern muss. Um diese Futures abzusichern, kaufte sie Futures über den Kauf von Gas, das sie folglich zu einem bestimmen Zeitpunkt um einen bestimmten Preis erhält. Am 26. August nun „explodierten“ die Strompreise an der Leipziger EEX, was Strebl mit dem Ausdruck „Tsunami“ beschrieb. Damit ging der Wert der Verkaufsverpflichtungen der Wien Energie massiv in die Höhe. Die Gaspreise dagegen blieben in etwa gleich.

Also blieb auch der Wert der Bezugsrechte der Wien Energie im Wesentlichen unverändert. Und das war das Problem: Steigt der Wert einer Verkaufsverpflichtung, nimmt die Höhe der Kaution für den entsprechenden Vertrag zu. Das betreffende Unternehmen muss Geld nachzahlen. Der Grund: Fiele das Unternehmen als Verkäufer aus, müsste der Strom aus anderen Quellen teuer beschafft werden. Steigt der Wert eines Bezugsrechts, bekommt das Unternehmen die Kaution oder wenigstens einen Teil der Kaution für den diesbezüglichen Vertrag zurück. So erhält es Mittel, die es zur Bedienung der höheren Kaution für den Verkaufsvertrag verwenden kann.

Die Wien Energie war nun damit konfroniert, eine höhere Kaution für den Stromverkaufsvertrag bezahlen zu müssen, weil der Strompreis massiv gestiegen war. Sie bekam aber die Kaution für den Gasbezugsvertrag nicht zurück, weil der Gaspreis nicht gestiegen war. Also musste sie die Mittel zur Bedienung der nun höheren Kaution für den Stromverkaufsvertrag anders aufbringen, das heißt, mit dem Kredit des Bundes.

Zusammengefasst bedeutet das den Insidern zufolge: Die Strategie der Wien Energie zur Absicherung ihrer langfristigen Stromverkaufs-Geschäfte beruht offenbar auf der Erwartung, dass der Gaspreis stärker steigt als der Strompreis oder zumindest gleich stark wie dieser. Solange das der Fall ist, funktioniert die Strategie. Trifft dies jedoch nicht mehr zu, kann die Lage kritisch werden. Das ist auch das Risiko für die Zukunft. Nachsatz: Strukturell gesehen, handle es sich um ein unvermeidbares Problem von Absicherungsstrategien.

Die Wien Energie reagierte auf eine schriftliche Anfrage der Redaktion zu diesem Sachverhalt nicht.

Freitag, 2.09.2022, 15:33 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Wien-Energie-Geschäftsführer Strebl wehrt sich
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Österreich
Wien-Energie-Geschäftsführer Strebl wehrt sich
Das Unternehmen habe bei der Absicherung seiner Termingeschäfte nicht spekuliert, sondern sei von einem „Tsunami überrollt“ worden. Insider sehen strukturelle Probleme.
Erstmals seit Bekanntwerden der Probleme der Wien Energie bei der Absicherung von Termingeschäften an den Energiebörsen am vergangenen Wochenende äußerte sich Geschäftsführer Michael Strebl zu der Causa. Er berichtete am 1. September, sein Unternehmen sei am Freitag, dem 26. August, „von einem Tsunami überrollt“ worden. An diesem Tag seien die Strompreise von rund 500 Euro/MWh auf über 1.000 Euro gestiegen.

Damit habe sich die Kaution zur Absicherung von Stromverkaufs-Futures der Wien Energie massiv erhöht: „Wir haben am Samstag, dem 27. August, in der Früh erfahren, dass wir am darauf folgenden Montag eine Rechnung über Sicherheitsleistungen von 1,7 Mrd. Euro zahlen müssen.“ Angesichts der steigenden Strom- und Gaspreise in den vergangenen Monaten habe die Wien Energie ihre Liquiditätsreserven erhöht und diesbezüglich Gespräche mit ihren Banken geführt.

Ferner sei sie an ihren Eigentümer, die Wiener Stadtwerke, mit der Bitte um Bereitstellung von zusätzlicher Liquidität herangetreten. Nachdem die Stadtwerke ihre Möglichkeiten ausgeschöpft hatten, wandten sich diese an ihren Eigentümer, die Stadt Wien, die zugleich den Status eines Bundeslandes innehat. Die Stadt habe eine „Schutzschirm“ von insgesamt rund 1,4 Mrd. Euro aufgespannt. Dieses Geld war jedoch am 27. August aufgebraucht. Daher sei die Wien Energie gemeinsam mit den Wiener Stadtwerken und dem Land Wien an die Republik Österreich herangetreten. Wie berichtet, stellt diese dem Land Wien nun eine Kreditlinie über 2 Mrd. Euro zur Verfügung, die binnen zwei Stunden abrufbar sind und der Absicherung der Börsenhandelstätigkeit der Wien Energie dienen.

Vehement wehrte sich Strebl gegen den Vorwurf, „Spekulationsgeschäfte“ getätigt zu haben: „Wir haben nicht spekuliert. Die Wien Energie hat eine sehr risikoaverse Handelsstrategie. In unserem Risikohandbuch sind Spekulationen ausdrücklich verboten. So etwas kommt sozusagen nicht vor.“ Außerdem seien sich alle einschlägigen Experten einig, dass der Energiehandel „über die Börse in Zeiten wie diesen die risikoärmste Strategie ist, die man fahren kann.“

Strukturelle Probleme

Kenner der Angelegenheit, die ihre Namen öffentlich nicht genannt wissen wollten, bestätigten der Redaktion, dass sich das Problem der Wien Energie grob gesprochen folgendermaßen darstellt: Die Wien Energie kaufte Futures über den Verkauf von Strom, den sie folglich zu einem bestimmten Zeitpunkt um einen bestimmten Preis liefern muss. Um diese Futures abzusichern, kaufte sie Futures über den Kauf von Gas, das sie folglich zu einem bestimmen Zeitpunkt um einen bestimmten Preis erhält. Am 26. August nun „explodierten“ die Strompreise an der Leipziger EEX, was Strebl mit dem Ausdruck „Tsunami“ beschrieb. Damit ging der Wert der Verkaufsverpflichtungen der Wien Energie massiv in die Höhe. Die Gaspreise dagegen blieben in etwa gleich.

Also blieb auch der Wert der Bezugsrechte der Wien Energie im Wesentlichen unverändert. Und das war das Problem: Steigt der Wert einer Verkaufsverpflichtung, nimmt die Höhe der Kaution für den entsprechenden Vertrag zu. Das betreffende Unternehmen muss Geld nachzahlen. Der Grund: Fiele das Unternehmen als Verkäufer aus, müsste der Strom aus anderen Quellen teuer beschafft werden. Steigt der Wert eines Bezugsrechts, bekommt das Unternehmen die Kaution oder wenigstens einen Teil der Kaution für den diesbezüglichen Vertrag zurück. So erhält es Mittel, die es zur Bedienung der höheren Kaution für den Verkaufsvertrag verwenden kann.

Die Wien Energie war nun damit konfroniert, eine höhere Kaution für den Stromverkaufsvertrag bezahlen zu müssen, weil der Strompreis massiv gestiegen war. Sie bekam aber die Kaution für den Gasbezugsvertrag nicht zurück, weil der Gaspreis nicht gestiegen war. Also musste sie die Mittel zur Bedienung der nun höheren Kaution für den Stromverkaufsvertrag anders aufbringen, das heißt, mit dem Kredit des Bundes.

Zusammengefasst bedeutet das den Insidern zufolge: Die Strategie der Wien Energie zur Absicherung ihrer langfristigen Stromverkaufs-Geschäfte beruht offenbar auf der Erwartung, dass der Gaspreis stärker steigt als der Strompreis oder zumindest gleich stark wie dieser. Solange das der Fall ist, funktioniert die Strategie. Trifft dies jedoch nicht mehr zu, kann die Lage kritisch werden. Das ist auch das Risiko für die Zukunft. Nachsatz: Strukturell gesehen, handle es sich um ein unvermeidbares Problem von Absicherungsstrategien.

Die Wien Energie reagierte auf eine schriftliche Anfrage der Redaktion zu diesem Sachverhalt nicht.

Freitag, 2.09.2022, 15:33 Uhr
Klaus Fischer

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