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Energie & Management > Recht - Wie weit geht die Prozessserie um Split-Tarife?
Quelle: Fotollia / vege
Recht

Wie weit geht die Prozessserie um Split-Tarife?

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen legt „sofortige Beschwerde“ gegen einen Landgerichts-Spruch zugunsten der Stadtwerke Gütersloh ein. Anderswo entscheidet erstmals ein OLG.
Eins zu null in zweiter Instanz: Zum ersten Mal hat jetzt ein Oberlandesgericht (OLG) im Eilverfahren über separate Grundversorgungstarife für Neu- und Bestandskunden entschieden. Das OLG Köln wies den Widerspruch der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ NRW) gegen einen Beschluss des Landgerichts Köln zurück. Das hatte wie berichtet eine einstweilige Verfügung gegen die Kölner Rheinenergie abgelehnt. Das Verfahren sei mit der neuen Entscheidung beendet, eine Revision beim Bundesgerichtshof stehe nicht offen, erklärt das Versorgungsunternehmen.

4:2 ist der aktuelle Stand im Streit vor Landgerichten. Viermal haben Richter zugunsten kommunaler Energieunternehmen entschieden. Jüngstes Beispiel sind die Stadtwerke Gütersloh. Die Verbraucherzentrale (VZ) NRW ist am 2. März mit dem Antrag auf einstweilige Verfügung beim Landgericht Dortmund gescheitert. Die Stadtwerke sehen sich in „unserer Rechtsauffassung bestätigt, dass die Aufteilung unserer Grundversorgung in einen Bestands- und in einen Neukundenpreis rechtmäßig war und ist". Die Kläger sehen das anders. „Wir legen sofortige Beschwerde ein“, sagt Holger Schneidewindt, Energierechts-Referent der VZ. Der Fall landet damit als nächstes beim Oberlandesgericht Hamm.

Die Verbraucherschützer verwiesen in ihrem Antrag beim Landgericht auf die Grundversorgungspflicht (Paragraf 36 Absatz 1 Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes, EnWG). Und sie sahen einen "lauterkeitsrechtlichen" Unterlassungsanspruch nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§§ 3 Absatz 1; 3a; 8 Absatz 1 Satz 1 UWG) wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das transparente Marktverhalten, zu dem Grundversorgern verpflichtet sind (§ 36 EnWG).

Das Gericht entschied, die Verbraucherzentrale habe „unter keinem hier denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt einen Verfügungsanspruch“ gegen die Stadtwerke. Es könne daher dahinstehen, ob ein Verfügungsgrund bestehe, heißt es in dem Beschluss. Weiter heißt es zur Begründung, dass das „Gebot der Gleichpreisigkeit“ nicht schon dadurch verletzt werde, „dass ein Grund- bzw. Ersatzversorger überhaupt mehrere Preise und Tarife anbietet“. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) stehe es Energieversorgungsunternehmen „auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene, etwa verbrauchsabhängige Tarife anzubieten“. Der BGH habe dabei nicht nur verbrauchsabhängige Differenzierungen im Blick gehabt.

Knackpunkt Artikel 27 der Strommarktrichtlinie?

Die Praxis des Tarif-Splittings verträgt sich nach Einschätzung des Gerichts auch mit EU-Recht. Nach Artikel 27 der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie (2019/944) haben alle Haushaltskunden das Recht „auf Versorgung mit Elektrizität einer bestimmten Qualität zu wettbewerbsfähigen, leicht und eindeutig vergleichbaren, transparenten und diskriminierungsfreien Preisen“. Die Richtlinie „geht nicht per se davon aus, dass eine Preisspaltung innerhalb der Gruppe der Haushaltskunden zu einer Diskriminierung führt, weil sie voraussetzt, dass es verschiedene Preise geben kann“, heißt es.

„Keine Seite kann sich hinstellen und kann sagen, die Rechtslage ist offensichtlich. Das ist juristisches Neuland“, erwidert Holger Schneidewindt. Der Verbraucherschützer hält Split-Tarife vor dem Hintergrund der EU-Strommarktrichtlinie weiterhin für zweifelhaft. Er spricht von einer Auslegungsfrage.

Überholt die Politik die Prozesserie?

Sollten die Hammer Richter in zweiter Instanz ähnlich entscheiden, ist es offenbar nicht unwahrscheinlich, dass sich der Streit hinzieht. „Wir würden auch bis zum BGH gehen“, erklärt Schneidewindt. Bleibt abzuwarten, inwieweit sich dieser Weg aufut. Bis zu weiteren Entscheidung kann nicht nur viel Zeit vergehen, sondern auch der Gesetzgeber tätig werden. Die Bundesregierung hat angekündigt, einheitliche Tarife in der Grundversorgung festzuschreiben. Und „es könnte sein, dass die EU gesetzlich nachlegt“, sagt der Verbraucherjurist, der sich vorstellen kann, dass Split-Tarife auch zum Fall für den Europäischen Gerichtshof (EuGH) werden.

Welches Gericht wie entschied

Die VZ misst dem aktuellen Prozessstand im Streit mit Grundversorgern keine große Aussagekraft zu. Vor Dortmund hatten Kammern in Berlin, Leipzig und Köln Eilanträge gegen die Preisspaltung in der Grundversorgung abgewiesen - macht zunächst auf Landgerichts-Ebene 4:0 für die Grundversorger. Das 4:2 rührt von einstweiligen Verfügungen her, die der Energieanbieter Lichtblick gegen die Mainova in Frankfurt am Main und die Stadtwerke Pforzheim (SWP) erwirkt hat.

Freitag, 4.03.2022, 15:56 Uhr
Manfred Fischer
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Quelle: Fotollia / vege
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Wie weit geht die Prozessserie um Split-Tarife?
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen legt „sofortige Beschwerde“ gegen einen Landgerichts-Spruch zugunsten der Stadtwerke Gütersloh ein. Anderswo entscheidet erstmals ein OLG.
Eins zu null in zweiter Instanz: Zum ersten Mal hat jetzt ein Oberlandesgericht (OLG) im Eilverfahren über separate Grundversorgungstarife für Neu- und Bestandskunden entschieden. Das OLG Köln wies den Widerspruch der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ NRW) gegen einen Beschluss des Landgerichts Köln zurück. Das hatte wie berichtet eine einstweilige Verfügung gegen die Kölner Rheinenergie abgelehnt. Das Verfahren sei mit der neuen Entscheidung beendet, eine Revision beim Bundesgerichtshof stehe nicht offen, erklärt das Versorgungsunternehmen.

4:2 ist der aktuelle Stand im Streit vor Landgerichten. Viermal haben Richter zugunsten kommunaler Energieunternehmen entschieden. Jüngstes Beispiel sind die Stadtwerke Gütersloh. Die Verbraucherzentrale (VZ) NRW ist am 2. März mit dem Antrag auf einstweilige Verfügung beim Landgericht Dortmund gescheitert. Die Stadtwerke sehen sich in „unserer Rechtsauffassung bestätigt, dass die Aufteilung unserer Grundversorgung in einen Bestands- und in einen Neukundenpreis rechtmäßig war und ist". Die Kläger sehen das anders. „Wir legen sofortige Beschwerde ein“, sagt Holger Schneidewindt, Energierechts-Referent der VZ. Der Fall landet damit als nächstes beim Oberlandesgericht Hamm.

Die Verbraucherschützer verwiesen in ihrem Antrag beim Landgericht auf die Grundversorgungspflicht (Paragraf 36 Absatz 1 Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes, EnWG). Und sie sahen einen "lauterkeitsrechtlichen" Unterlassungsanspruch nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§§ 3 Absatz 1; 3a; 8 Absatz 1 Satz 1 UWG) wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das transparente Marktverhalten, zu dem Grundversorgern verpflichtet sind (§ 36 EnWG).

Das Gericht entschied, die Verbraucherzentrale habe „unter keinem hier denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt einen Verfügungsanspruch“ gegen die Stadtwerke. Es könne daher dahinstehen, ob ein Verfügungsgrund bestehe, heißt es in dem Beschluss. Weiter heißt es zur Begründung, dass das „Gebot der Gleichpreisigkeit“ nicht schon dadurch verletzt werde, „dass ein Grund- bzw. Ersatzversorger überhaupt mehrere Preise und Tarife anbietet“. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) stehe es Energieversorgungsunternehmen „auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene, etwa verbrauchsabhängige Tarife anzubieten“. Der BGH habe dabei nicht nur verbrauchsabhängige Differenzierungen im Blick gehabt.

Knackpunkt Artikel 27 der Strommarktrichtlinie?

Die Praxis des Tarif-Splittings verträgt sich nach Einschätzung des Gerichts auch mit EU-Recht. Nach Artikel 27 der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie (2019/944) haben alle Haushaltskunden das Recht „auf Versorgung mit Elektrizität einer bestimmten Qualität zu wettbewerbsfähigen, leicht und eindeutig vergleichbaren, transparenten und diskriminierungsfreien Preisen“. Die Richtlinie „geht nicht per se davon aus, dass eine Preisspaltung innerhalb der Gruppe der Haushaltskunden zu einer Diskriminierung führt, weil sie voraussetzt, dass es verschiedene Preise geben kann“, heißt es.

„Keine Seite kann sich hinstellen und kann sagen, die Rechtslage ist offensichtlich. Das ist juristisches Neuland“, erwidert Holger Schneidewindt. Der Verbraucherschützer hält Split-Tarife vor dem Hintergrund der EU-Strommarktrichtlinie weiterhin für zweifelhaft. Er spricht von einer Auslegungsfrage.

Überholt die Politik die Prozesserie?

Sollten die Hammer Richter in zweiter Instanz ähnlich entscheiden, ist es offenbar nicht unwahrscheinlich, dass sich der Streit hinzieht. „Wir würden auch bis zum BGH gehen“, erklärt Schneidewindt. Bleibt abzuwarten, inwieweit sich dieser Weg aufut. Bis zu weiteren Entscheidung kann nicht nur viel Zeit vergehen, sondern auch der Gesetzgeber tätig werden. Die Bundesregierung hat angekündigt, einheitliche Tarife in der Grundversorgung festzuschreiben. Und „es könnte sein, dass die EU gesetzlich nachlegt“, sagt der Verbraucherjurist, der sich vorstellen kann, dass Split-Tarife auch zum Fall für den Europäischen Gerichtshof (EuGH) werden.

Welches Gericht wie entschied

Die VZ misst dem aktuellen Prozessstand im Streit mit Grundversorgern keine große Aussagekraft zu. Vor Dortmund hatten Kammern in Berlin, Leipzig und Köln Eilanträge gegen die Preisspaltung in der Grundversorgung abgewiesen - macht zunächst auf Landgerichts-Ebene 4:0 für die Grundversorger. Das 4:2 rührt von einstweiligen Verfügungen her, die der Energieanbieter Lichtblick gegen die Mainova in Frankfurt am Main und die Stadtwerke Pforzheim (SWP) erwirkt hat.

Freitag, 4.03.2022, 15:56 Uhr
Manfred Fischer

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