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Energie & Management > F&E - Wie die Industrie das Stromnetz stabilisieren kann
Quelle: Fotolia/alphaspirit
F&E

Wie die Industrie das Stromnetz stabilisieren kann

Die zunehmende Erzeugung aus erneuerbaren Energien erfordert mehr Flexibilität im Stromnetz. Eine wichtige Rolle kann hier die Industrie spielen. Forschungsprojekte befassen sich damit.
Wie die Industrie zur Flexibilisierung des Energiesystems eingesetzt werden kann, analysiert derzeit die Zuse-Gemeinschaft. Die Untersuchung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass rund 28 % des deutschen Endenergieverbrauchs auf die Industrie entfallen. Für die Energiewende nimmt der Sektor aber auch deshalb eine Schlüsselstellung ein, weil er nicht nur viel Strom, sondern auch beträchtliche Mengen an Wärme und Kälte benötigt.

Die Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik (GFaI) aus Berlin entwickelt aktuell mit Partnern im Projekt "Flexibilitätswende" Modelle, um den Industriebetrieben die Teilnahme an den Energiemärkten zu ermöglichen. Das funktioniert mit möglichst praxisnahen Softwareprototypen, die aber dennoch aufs jeweilige Unternehmen abgestimmt werden müssen. Der Aufwand ist nicht unerheblich: Rund 4.000 Variablen müssen die Informatiker aus Berlin-Adlershof zur Beschreibung des jeweiligen Energiesystems verknüpfen, bevor sie sich ans Rechnen machen können.

Erhebliche Gewinne durch Einsatz von Regelenergie möglich

Ein Projektbeispiel ist die Teilnahme von Industriebetrieben am Regelenergiemarkt. Über diesen gleichen die Übertragungsnetzbetreiber unvorhergesehene, kurzfristige Ungleichgewichte zwischen Stromangebot und -nachfrage aus. Das funktioniert zum Beispiel mit Gasturbinen, die so mancher Großbetrieb schon heute auf dem Betriebsgelände installiert hat. Die IT-Spezialisten der GFal, einem Mitglied der Zuse-Gemeinschaft, wollen mit ihrem Projekt dafür sorgen, dass dieser Strom künftig vermarktet werden kann.

In den entwickelten Modellen werden dazu das Bietverhalten am Markt und die Abrufe der Regelenergie für unterschiedliche Anlagen im Energiesystem berücksichtigt. Die Auswertung der Variablen wird im Softwareprototyp anhand eines Optimierungsproblems realisiert und das Ergebnis kann zur Bewertung der Vermarktungsoptionen für unterschiedliche Anlagen genutzt werden. So könnte etwa durch die Vermarktung von Sekundärregelleistung mit einer der genannten Gasturbinen ein Gewinn pro Jahr und MW zwischen 10.000 und 47.000 Euro erwirtschaftet werden.

„Wie das Beispiel zeigt, kann sich die Bereitstellung von Regelenergie und damit die aktive Teilnahme am Strommarkt für Industriebetriebe durchaus rechnen“, resümiert GFaI-Experte Joram Wasserfall ein vorläufiges Zwischenergebnis zur Halbzeit des Projekts, das noch bis Herbst 2022 läuft. Weitere Bausteine sind die Deckung des betrieblichen Eigenbedarfs an Strom und Wärme sowie der mögliche Handel an der Strombörse.

Nicht nur um den Strom- und Wärme-, sondern auch um den Kältemarkt geht es bei den Forschungen. Sinnvoll, so heißt es seitens der Wissenschaftler, seien Kältespeicher, damit die Unternehmen ihren Strombedarf zum Kühlen größtenteils zu Zeiten niedriger Strompreise oder nachts decken können. Möglich sei das mit einem vom Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) optimierten Eisspeicher mit Vakuum-Flüssigeis-Technologie.
 
Energiesystemmodell im Softwareprototyp zur Beantwortung der Frage, welche Flexibilitäten im Energiesystem sich im Energiemarkt anbieten lassen.
Zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken
Quelle: GFal

Industriezelle mit Inselnetz

Ein weiteres Forschungsvorhaben, das sich mit der Netzstabilisierung durch Industriestrom befasst, läuft an der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) in Regensburg. Zusammen mit der Max Bögl Wind AG arbeiten die Wissenschaftler an „INZELL“, was für Netzstützung und Systemdienstleistungserbringung durch eine Industriezelle mit Inselnetzfähigkeit und erneuerbaren Energien steht.

Die Projektbeteiligten untersuchen dabei, wie unterschiedliche Energieerzeugungsanlagen, Speicher und Lastmanagementsysteme optimal interagieren können. Auf der einen Seite soll der Inselnetzbetrieb einer Industriezelle der Firmengruppe Bögl im Falle von Versorgungsunterbrechungen ermöglicht werden. In seiner Ausgestaltung - nämlich dass die Versorgung hauptsächlich direkt über Wind- und Solarstrom erfolgt und nicht über Speicher - gilt das Experiment als weltweit einmalig.

Zum anderen erwartet man von dem Vorhaben Erkenntnisse, wie sich die Stabilität des öffentlichen Stromnetzes kostengünstiger sichern lässt. „Industriebetriebe können einen essenziellen Beitrag zur Energiewende leisten und als Stabilitätsanker für ein zukünftiges zellulares und dezentrales Energiesystem dienen“, ist Josef Bayer von der Max Bögl Wind AG überzeugt.

Das Forschungsvorhaben hat eine Projektlaufzeit von drei Jahren und wird mit einem Gesamtvolumen von 1,65 Mio. Euro durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Als Partner beteiligt sind unter anderem die Technische Universität München, die Bayernwerk Netz GmbH und Siemens Gamesa.

Montag, 2.08.2021, 15:37 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > F&E - Wie die Industrie das Stromnetz stabilisieren kann
Quelle: Fotolia/alphaspirit
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Wie die Industrie das Stromnetz stabilisieren kann
Die zunehmende Erzeugung aus erneuerbaren Energien erfordert mehr Flexibilität im Stromnetz. Eine wichtige Rolle kann hier die Industrie spielen. Forschungsprojekte befassen sich damit.
Wie die Industrie zur Flexibilisierung des Energiesystems eingesetzt werden kann, analysiert derzeit die Zuse-Gemeinschaft. Die Untersuchung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass rund 28 % des deutschen Endenergieverbrauchs auf die Industrie entfallen. Für die Energiewende nimmt der Sektor aber auch deshalb eine Schlüsselstellung ein, weil er nicht nur viel Strom, sondern auch beträchtliche Mengen an Wärme und Kälte benötigt.

Die Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik (GFaI) aus Berlin entwickelt aktuell mit Partnern im Projekt "Flexibilitätswende" Modelle, um den Industriebetrieben die Teilnahme an den Energiemärkten zu ermöglichen. Das funktioniert mit möglichst praxisnahen Softwareprototypen, die aber dennoch aufs jeweilige Unternehmen abgestimmt werden müssen. Der Aufwand ist nicht unerheblich: Rund 4.000 Variablen müssen die Informatiker aus Berlin-Adlershof zur Beschreibung des jeweiligen Energiesystems verknüpfen, bevor sie sich ans Rechnen machen können.

Erhebliche Gewinne durch Einsatz von Regelenergie möglich

Ein Projektbeispiel ist die Teilnahme von Industriebetrieben am Regelenergiemarkt. Über diesen gleichen die Übertragungsnetzbetreiber unvorhergesehene, kurzfristige Ungleichgewichte zwischen Stromangebot und -nachfrage aus. Das funktioniert zum Beispiel mit Gasturbinen, die so mancher Großbetrieb schon heute auf dem Betriebsgelände installiert hat. Die IT-Spezialisten der GFal, einem Mitglied der Zuse-Gemeinschaft, wollen mit ihrem Projekt dafür sorgen, dass dieser Strom künftig vermarktet werden kann.

In den entwickelten Modellen werden dazu das Bietverhalten am Markt und die Abrufe der Regelenergie für unterschiedliche Anlagen im Energiesystem berücksichtigt. Die Auswertung der Variablen wird im Softwareprototyp anhand eines Optimierungsproblems realisiert und das Ergebnis kann zur Bewertung der Vermarktungsoptionen für unterschiedliche Anlagen genutzt werden. So könnte etwa durch die Vermarktung von Sekundärregelleistung mit einer der genannten Gasturbinen ein Gewinn pro Jahr und MW zwischen 10.000 und 47.000 Euro erwirtschaftet werden.

„Wie das Beispiel zeigt, kann sich die Bereitstellung von Regelenergie und damit die aktive Teilnahme am Strommarkt für Industriebetriebe durchaus rechnen“, resümiert GFaI-Experte Joram Wasserfall ein vorläufiges Zwischenergebnis zur Halbzeit des Projekts, das noch bis Herbst 2022 läuft. Weitere Bausteine sind die Deckung des betrieblichen Eigenbedarfs an Strom und Wärme sowie der mögliche Handel an der Strombörse.

Nicht nur um den Strom- und Wärme-, sondern auch um den Kältemarkt geht es bei den Forschungen. Sinnvoll, so heißt es seitens der Wissenschaftler, seien Kältespeicher, damit die Unternehmen ihren Strombedarf zum Kühlen größtenteils zu Zeiten niedriger Strompreise oder nachts decken können. Möglich sei das mit einem vom Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) optimierten Eisspeicher mit Vakuum-Flüssigeis-Technologie.
 
Energiesystemmodell im Softwareprototyp zur Beantwortung der Frage, welche Flexibilitäten im Energiesystem sich im Energiemarkt anbieten lassen.
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Quelle: GFal

Industriezelle mit Inselnetz

Ein weiteres Forschungsvorhaben, das sich mit der Netzstabilisierung durch Industriestrom befasst, läuft an der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) in Regensburg. Zusammen mit der Max Bögl Wind AG arbeiten die Wissenschaftler an „INZELL“, was für Netzstützung und Systemdienstleistungserbringung durch eine Industriezelle mit Inselnetzfähigkeit und erneuerbaren Energien steht.

Die Projektbeteiligten untersuchen dabei, wie unterschiedliche Energieerzeugungsanlagen, Speicher und Lastmanagementsysteme optimal interagieren können. Auf der einen Seite soll der Inselnetzbetrieb einer Industriezelle der Firmengruppe Bögl im Falle von Versorgungsunterbrechungen ermöglicht werden. In seiner Ausgestaltung - nämlich dass die Versorgung hauptsächlich direkt über Wind- und Solarstrom erfolgt und nicht über Speicher - gilt das Experiment als weltweit einmalig.

Zum anderen erwartet man von dem Vorhaben Erkenntnisse, wie sich die Stabilität des öffentlichen Stromnetzes kostengünstiger sichern lässt. „Industriebetriebe können einen essenziellen Beitrag zur Energiewende leisten und als Stabilitätsanker für ein zukünftiges zellulares und dezentrales Energiesystem dienen“, ist Josef Bayer von der Max Bögl Wind AG überzeugt.

Das Forschungsvorhaben hat eine Projektlaufzeit von drei Jahren und wird mit einem Gesamtvolumen von 1,65 Mio. Euro durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Als Partner beteiligt sind unter anderem die Technische Universität München, die Bayernwerk Netz GmbH und Siemens Gamesa.

Montag, 2.08.2021, 15:37 Uhr
Günter Drewnitzky

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