E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: RWE
E&M Vor 20 Jahren

"Wer die Regeln verletzt, wird streng betraft"

Die Energiewirtschaft ist heute im Wandel und war das auch schon vor 20 Jahren. Mit dem Handel wuchs damals auch die Bedeutung des Risikomanagements.
Vor 20 Jahren zog sich das Thema Risikomanagement wie ein roter Faden durch die International Utilities and Energy Conference von Accenture. Die Beratungsgesellschaft hatte nach Rom geladen. Auch Stefan Judisch war der Einladung gefolgt. E&M-Chefredakteur Helmut Sendner beobachtete die dreitägige Veranstaltung und traf dort den damaligen Geschäftsführer von RWE Trading.
 
In zwei Jahren werden wir in Europa einen homogenen Strommarkt haben, sagte Judisch in Rom; und die Schweiz werde mit oder ohne Elektrizitätsmarktgesetz dabei voll mitspielen. Der europäische Handel sei heute schon mehr als physikalisch dargestellt wird. Der RWE-Manager wies darauf hin, dass ein Kraftwerksausfall in Europa in Höhe von 5 000 Megawatt Leistung zu 20 bis 25 Prozent Preisunterschieden auf dem Handelsmarkt führen könne.
 
Stefan Judisch: "Sollte ein Regulator kommen, dann verlieren wir wieder sechs oder neun Monate"
Quelle: RWE

E&M: Herr Judisch, wenn man die Referate hier in Rom verfolgt, dann scheint Risikomanagement das Wichtigste im Leben der EVU zu sein….

Judisch: Ohne Risikomanagement ist der Handel wie ein Flugzeug, das ohne Instrumente und ohne Sicht fliegt.

E&M: Was heißt das für das tägliche Geschäft bei Ihnen?

Judisch: Dass unsere Risiko-Controller sowohl auf der Marktseite als auch auf der Kreditseite das absolute Recht haben, jemandem auf die Finger zu klopfen: Wer die Regeln verletzt, wird streng bestraft.

E&M: Was bedeutet das in der Praxis?

Judisch: Wenn Regelverstöße nicht allzu groß sind, dann gibt es eine mündliche Abmahnung; ansonsten wird schriftlich abgemahnt und der Mitarbeiter ist draußen. Das weiß jeder, und es gibt auf der höchsten Managementebene eine Kultur, wo Verstöße gegen die Regeln nicht als Lappalie oder Kavaliersdelikt abgetan werden, sondern tatsächlich sanktioniert werden.

E&M: Sie haben im Handelsbereich 387 Mitarbeiter, welche Rolle spielen die beim Energiehandel in Deutschland?

Judisch: Wir hatten im vergangenen Jahr ein sechsmonatiges Rumpfgeschäftsjahr und haben da 350 Terawattstunden Strom gehandelt. Auf das Jahr hochgerechnet, sind das etwa 700 TWh. Von den 350 TWh haben wir 230 physisch und 120 in Form von Derivaten gehandelt. Das heißt, wir haben in Deutschland etwa einen Marktanteil von 25 bis 30 Prozent. Auf Deutschland hochgerechnet, bedeutet dies, dass die drei- bis vierfache Menge des physischen Verbrauchs durchgehandelt wird. Damit ist der Wholesale-Markt mittlerweile Preis-Setter. Das bestreiten auch die ärgsten Kritiker des Handels nicht mehr. Die Liquidität ist hoch, der Markt wird weiter wachsen, wobei das physische Handelsvolumen nicht mehr so schnell wächst wie in den vergangenen zwei Jahren, dafür wird der Derivate-Anteil explodieren.

E&M: Die Händler sind im eigenen Unternehmen nicht bei allen beliebt: Gibt es einen Konflikt zwischen Vertrieb und Handel?

Judisch: Zumindest bei uns sind die Konflikte vorbei. Vom Grundsatz her ist es aber schon so, dass gute Vertriebsleute für ihre Kunden möglichst gute Konditionen wollen und wir Händler sozusagen am Fabriktor den Preisstempel aufdrücken. Vom Grundsatz her ist es aber doch so, dass insbesondere bei Großkunden heute nicht mehr unter Marktpreisen verkauft wird, weil das die Kunden verständlicherweise auch nicht mit Loyalität goutieren.

Industriekunden sind keine Anthroposophen

E&M: Man hört, dass Industriekunden „Verständnis“ für Preiserhöhungen hätten, wenn sie dafür bestimmte Dienstleistungen bekämen 

Judisch: Industriekunden sind keine Anthroposophen, und beim Verständnis geht es darum, dass man erkennt, dass Versorgungssicherheit auch einen Wert hat. Die hohen Preisausschläge der letzten beiden Jahre, Tendenz steigend, machen den Leuten auch klar, dass Strom ein knappes Gut werden kann. Wenn der Kunde hart am Optimum segelt, sich also selbst über die Beschaffung von einzelnen Stunden oder Stundenblöcken oder Bändern etwas zusammenbaut, dann muss er auch mit weniger Dienstleistung des Vertriebs rechnen. Und wenn der Vertrieb dem Kunden genau das Produkt zur Verfügung stellt, das er haben will, dann muss er auch einen kleinen Obolus dafür entrichten.

E&M: RWE bietet Portfoliomanagement als Dienstleistung an. Wie wird das bisher angenommen?

Judisch: Jeder redet über Portfoliomanagement und keiner weiß richtig, was das bedeutet. Wir sind mit einigen Unternehmen im Gespräch und lassen diese erst mal definieren, was sie damit meinen, um dann bausteinartig Elemente anzubieten. Portfoliomanagement kann so weit gehen, dass man gegen einen Benchmark anbietet. Zum Beispiel: Ich beschaffe Dir Deine Energie besser als der Jahresdurchschnitt LPX. In diese Richtung wird das laufen. Wie schnell das geht, hängt davon ab, wann wir einen akzeptierten Benchmark bekommen. Wir haben in Deutschland immer noch die Situation, dass die Frage des zuverlässigen Spotmarkt-Index offen ist. Durch die Fusion der beiden Börsen wird sich das Thema jetzt aber hoffentlich erledigen.

„Jeder redet darüber, aber keiner weiß, was Portfoliomanagent wirklich bedeutet“

E&M: Wie schaut der Handel beim Erdgas aus?

Judisch: Der Gashandel ist nach der Enron-Pleite in Deutschland fast zum Erliegen gekommen. Die Liquidität an den Hubs ist sehr dünn und wir tun alles, um an den Handelsplätzen wieder Bewegung zu schaffen. Das Problem dabei ist, dass wir nur sehr wenige natürliche Handelspartner haben; die meisten Amerikaner haben sich zurückgezogen, weil sie Probleme zuhause haben. Aber das ist kein fundamentales Problem, sondern nur ein Zeitverzögerungsproblem, das sich in den nächsten sechs Monaten wieder lösen wird.

E&M: Wäre ein Regulator für das Handelsgeschäft nicht hilfreich?

Judisch: Aus händlerischer Sicht ist das Modell der Verbändevereinbarung bisher nicht das Optimale, aber man konnte damit leben. Die Regulatoren kosten ja Geld, und das Wachstumspotenzial von Regulatoren ist mehr Regulation. Sollte ein Regulator kommen, dann verlieren wir wieder sechs oder neun Monate, deshalb ist eine vernünftige Verbändevereinbarung eine bessere Lösung.

E&M: Grundsätzlich verhindern Regulatoren ja nicht den Handel 

Judisch: Das nicht, aber wir haben in vielen Teilen Europas keine positiven Erfahrungen mit Regulatoren gemacht. Wir haben bei der EU-Kommission zwei Verfahren laufen, weil der spanische Regulator kein Interesse hat, ausländischen Zugang zu ermöglichen. Wir haben das gleiche Problem in Italien und wir haben Probleme mit den Franzosen, die uns jetzt zweimal ohne Begründung die Durchleitung von Frankreich nach Belgien kurzfristig unterbrochen haben. Ein Regulator garantiert nicht automatisch Wettbewerb: Wer Wettbewerb will, der muss den Handel stärken.

„Wir geben im Jahr zehn Millionen Euro für IT aus“

E&M: Und welche Perspektiven sehen Sie? Hier in Rom hieß es, dass das weltweite Handelsvolumen ein Trillionen-Dollar-Geschäft wird.

Judisch: Sicherlich wird das Handelsvolumen weiter wachsen, gleichzeitig sinken die Margen. Je höher die Liquidität im Markt ist, desto geringer die Risikoprämie, desto geringer also die Marge. Das ist vollkommen logisch. Die hier geäußerte Einschätzung, dass wir vier globale Börsen für Energie haben werden, ist sicher richtig, wobei ich eher an zwei glaube. Wir werden global einen Clearingprozess sehen, mit dem Kreditrisiken für alle Energieträger abgewickelt werden, und es wird zu einem Konsolidierungsprozess kommen, weil die Infrastrukturkosten extrem hoch sind. Überlegen Sie sich: Wir geben im Jahr allein zehn Millionen Euro nur für IT aus, da brauchen Sie schon Economies of Scale, um erfolgreich zu sein. Die Schlüsselerfolgsfaktoren in diesem Geschäft sind Leute, Systeme und Risiko-Controlling, alles andere ist sekundär.

E&M: Auch in den USA ist wegen Kalifornien und der Enron-Pleite das Liberalisierungstempo sehr viel langsamer geworden, und Sie richten trotzdem gerade ein Handelshaus in Houston/Texas ein …

Judisch: Wir haben in Houston am 8. März angefangen zu handeln, haben dort knapp 90 Leute beschäftigt, und alles läuft besser als erwartet.

E&M: Was hat dort Priorität, Öl?

Judisch: Wir haben mit Strom und Gas angefangen, werden im dritten Quartal Öl und wahrscheinlich Anfang des vierten Quartals Kohle handeln. Sie wissen, dass die RWE AG ihren geographischen Fokus nach Nordamerika erweitert hat, und da war die zentrale Frage, assets first oder skills first, und da hat man sich für die Skill-Route entschieden. Das hatte auch damit zu tun, dass im Frühjahr letzten Jahres die Preise für Erzeugungs-Assets in den USA noch astronomisch hoch waren. Aber das hat sich verändert, und es wird vielleicht noch drei bis sechs Monate dauern, bis einige Unternehmen auch ihr Tafelsilber verkaufen müssen. Es ist also absehbar, dass unsere Mutter- oder Schwestergesellschaften von uns in den USA Erzeugungs-Assets erwerben werden.

Freitag, 27.05.2022, 08:57 Uhr
Helmut Sendner und Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: RWE
E&M Vor 20 Jahren
"Wer die Regeln verletzt, wird streng betraft"
Die Energiewirtschaft ist heute im Wandel und war das auch schon vor 20 Jahren. Mit dem Handel wuchs damals auch die Bedeutung des Risikomanagements.
Vor 20 Jahren zog sich das Thema Risikomanagement wie ein roter Faden durch die International Utilities and Energy Conference von Accenture. Die Beratungsgesellschaft hatte nach Rom geladen. Auch Stefan Judisch war der Einladung gefolgt. E&M-Chefredakteur Helmut Sendner beobachtete die dreitägige Veranstaltung und traf dort den damaligen Geschäftsführer von RWE Trading.
 
In zwei Jahren werden wir in Europa einen homogenen Strommarkt haben, sagte Judisch in Rom; und die Schweiz werde mit oder ohne Elektrizitätsmarktgesetz dabei voll mitspielen. Der europäische Handel sei heute schon mehr als physikalisch dargestellt wird. Der RWE-Manager wies darauf hin, dass ein Kraftwerksausfall in Europa in Höhe von 5 000 Megawatt Leistung zu 20 bis 25 Prozent Preisunterschieden auf dem Handelsmarkt führen könne.
 
Stefan Judisch: "Sollte ein Regulator kommen, dann verlieren wir wieder sechs oder neun Monate"
Quelle: RWE

E&M: Herr Judisch, wenn man die Referate hier in Rom verfolgt, dann scheint Risikomanagement das Wichtigste im Leben der EVU zu sein….

Judisch: Ohne Risikomanagement ist der Handel wie ein Flugzeug, das ohne Instrumente und ohne Sicht fliegt.

E&M: Was heißt das für das tägliche Geschäft bei Ihnen?

Judisch: Dass unsere Risiko-Controller sowohl auf der Marktseite als auch auf der Kreditseite das absolute Recht haben, jemandem auf die Finger zu klopfen: Wer die Regeln verletzt, wird streng bestraft.

E&M: Was bedeutet das in der Praxis?

Judisch: Wenn Regelverstöße nicht allzu groß sind, dann gibt es eine mündliche Abmahnung; ansonsten wird schriftlich abgemahnt und der Mitarbeiter ist draußen. Das weiß jeder, und es gibt auf der höchsten Managementebene eine Kultur, wo Verstöße gegen die Regeln nicht als Lappalie oder Kavaliersdelikt abgetan werden, sondern tatsächlich sanktioniert werden.

E&M: Sie haben im Handelsbereich 387 Mitarbeiter, welche Rolle spielen die beim Energiehandel in Deutschland?

Judisch: Wir hatten im vergangenen Jahr ein sechsmonatiges Rumpfgeschäftsjahr und haben da 350 Terawattstunden Strom gehandelt. Auf das Jahr hochgerechnet, sind das etwa 700 TWh. Von den 350 TWh haben wir 230 physisch und 120 in Form von Derivaten gehandelt. Das heißt, wir haben in Deutschland etwa einen Marktanteil von 25 bis 30 Prozent. Auf Deutschland hochgerechnet, bedeutet dies, dass die drei- bis vierfache Menge des physischen Verbrauchs durchgehandelt wird. Damit ist der Wholesale-Markt mittlerweile Preis-Setter. Das bestreiten auch die ärgsten Kritiker des Handels nicht mehr. Die Liquidität ist hoch, der Markt wird weiter wachsen, wobei das physische Handelsvolumen nicht mehr so schnell wächst wie in den vergangenen zwei Jahren, dafür wird der Derivate-Anteil explodieren.

E&M: Die Händler sind im eigenen Unternehmen nicht bei allen beliebt: Gibt es einen Konflikt zwischen Vertrieb und Handel?

Judisch: Zumindest bei uns sind die Konflikte vorbei. Vom Grundsatz her ist es aber schon so, dass gute Vertriebsleute für ihre Kunden möglichst gute Konditionen wollen und wir Händler sozusagen am Fabriktor den Preisstempel aufdrücken. Vom Grundsatz her ist es aber doch so, dass insbesondere bei Großkunden heute nicht mehr unter Marktpreisen verkauft wird, weil das die Kunden verständlicherweise auch nicht mit Loyalität goutieren.

Industriekunden sind keine Anthroposophen

E&M: Man hört, dass Industriekunden „Verständnis“ für Preiserhöhungen hätten, wenn sie dafür bestimmte Dienstleistungen bekämen 

Judisch: Industriekunden sind keine Anthroposophen, und beim Verständnis geht es darum, dass man erkennt, dass Versorgungssicherheit auch einen Wert hat. Die hohen Preisausschläge der letzten beiden Jahre, Tendenz steigend, machen den Leuten auch klar, dass Strom ein knappes Gut werden kann. Wenn der Kunde hart am Optimum segelt, sich also selbst über die Beschaffung von einzelnen Stunden oder Stundenblöcken oder Bändern etwas zusammenbaut, dann muss er auch mit weniger Dienstleistung des Vertriebs rechnen. Und wenn der Vertrieb dem Kunden genau das Produkt zur Verfügung stellt, das er haben will, dann muss er auch einen kleinen Obolus dafür entrichten.

E&M: RWE bietet Portfoliomanagement als Dienstleistung an. Wie wird das bisher angenommen?

Judisch: Jeder redet über Portfoliomanagement und keiner weiß richtig, was das bedeutet. Wir sind mit einigen Unternehmen im Gespräch und lassen diese erst mal definieren, was sie damit meinen, um dann bausteinartig Elemente anzubieten. Portfoliomanagement kann so weit gehen, dass man gegen einen Benchmark anbietet. Zum Beispiel: Ich beschaffe Dir Deine Energie besser als der Jahresdurchschnitt LPX. In diese Richtung wird das laufen. Wie schnell das geht, hängt davon ab, wann wir einen akzeptierten Benchmark bekommen. Wir haben in Deutschland immer noch die Situation, dass die Frage des zuverlässigen Spotmarkt-Index offen ist. Durch die Fusion der beiden Börsen wird sich das Thema jetzt aber hoffentlich erledigen.

„Jeder redet darüber, aber keiner weiß, was Portfoliomanagent wirklich bedeutet“

E&M: Wie schaut der Handel beim Erdgas aus?

Judisch: Der Gashandel ist nach der Enron-Pleite in Deutschland fast zum Erliegen gekommen. Die Liquidität an den Hubs ist sehr dünn und wir tun alles, um an den Handelsplätzen wieder Bewegung zu schaffen. Das Problem dabei ist, dass wir nur sehr wenige natürliche Handelspartner haben; die meisten Amerikaner haben sich zurückgezogen, weil sie Probleme zuhause haben. Aber das ist kein fundamentales Problem, sondern nur ein Zeitverzögerungsproblem, das sich in den nächsten sechs Monaten wieder lösen wird.

E&M: Wäre ein Regulator für das Handelsgeschäft nicht hilfreich?

Judisch: Aus händlerischer Sicht ist das Modell der Verbändevereinbarung bisher nicht das Optimale, aber man konnte damit leben. Die Regulatoren kosten ja Geld, und das Wachstumspotenzial von Regulatoren ist mehr Regulation. Sollte ein Regulator kommen, dann verlieren wir wieder sechs oder neun Monate, deshalb ist eine vernünftige Verbändevereinbarung eine bessere Lösung.

E&M: Grundsätzlich verhindern Regulatoren ja nicht den Handel 

Judisch: Das nicht, aber wir haben in vielen Teilen Europas keine positiven Erfahrungen mit Regulatoren gemacht. Wir haben bei der EU-Kommission zwei Verfahren laufen, weil der spanische Regulator kein Interesse hat, ausländischen Zugang zu ermöglichen. Wir haben das gleiche Problem in Italien und wir haben Probleme mit den Franzosen, die uns jetzt zweimal ohne Begründung die Durchleitung von Frankreich nach Belgien kurzfristig unterbrochen haben. Ein Regulator garantiert nicht automatisch Wettbewerb: Wer Wettbewerb will, der muss den Handel stärken.

„Wir geben im Jahr zehn Millionen Euro für IT aus“

E&M: Und welche Perspektiven sehen Sie? Hier in Rom hieß es, dass das weltweite Handelsvolumen ein Trillionen-Dollar-Geschäft wird.

Judisch: Sicherlich wird das Handelsvolumen weiter wachsen, gleichzeitig sinken die Margen. Je höher die Liquidität im Markt ist, desto geringer die Risikoprämie, desto geringer also die Marge. Das ist vollkommen logisch. Die hier geäußerte Einschätzung, dass wir vier globale Börsen für Energie haben werden, ist sicher richtig, wobei ich eher an zwei glaube. Wir werden global einen Clearingprozess sehen, mit dem Kreditrisiken für alle Energieträger abgewickelt werden, und es wird zu einem Konsolidierungsprozess kommen, weil die Infrastrukturkosten extrem hoch sind. Überlegen Sie sich: Wir geben im Jahr allein zehn Millionen Euro nur für IT aus, da brauchen Sie schon Economies of Scale, um erfolgreich zu sein. Die Schlüsselerfolgsfaktoren in diesem Geschäft sind Leute, Systeme und Risiko-Controlling, alles andere ist sekundär.

E&M: Auch in den USA ist wegen Kalifornien und der Enron-Pleite das Liberalisierungstempo sehr viel langsamer geworden, und Sie richten trotzdem gerade ein Handelshaus in Houston/Texas ein …

Judisch: Wir haben in Houston am 8. März angefangen zu handeln, haben dort knapp 90 Leute beschäftigt, und alles läuft besser als erwartet.

E&M: Was hat dort Priorität, Öl?

Judisch: Wir haben mit Strom und Gas angefangen, werden im dritten Quartal Öl und wahrscheinlich Anfang des vierten Quartals Kohle handeln. Sie wissen, dass die RWE AG ihren geographischen Fokus nach Nordamerika erweitert hat, und da war die zentrale Frage, assets first oder skills first, und da hat man sich für die Skill-Route entschieden. Das hatte auch damit zu tun, dass im Frühjahr letzten Jahres die Preise für Erzeugungs-Assets in den USA noch astronomisch hoch waren. Aber das hat sich verändert, und es wird vielleicht noch drei bis sechs Monate dauern, bis einige Unternehmen auch ihr Tafelsilber verkaufen müssen. Es ist also absehbar, dass unsere Mutter- oder Schwestergesellschaften von uns in den USA Erzeugungs-Assets erwerben werden.

Freitag, 27.05.2022, 08:57 Uhr
Helmut Sendner und Fritz Wilhelm

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.