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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe -
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

"Wenn nicht jetzt, wann dann?"

Mit seinen Parabolrinnenkollektoren setzt Soliterm-Geschäftsführer Ahmet Lokurlu auf die überfällige Wärmewende hierzulande.
Wenn er sein Geld nicht als Energieunternehmer verdienen würde, sagt Ahmet Lokurlu selbst, wäre er Philosoph geworden. Der promovierte Energie- und Verfahrenstechniker kennt die Schriften vieler Denker seit der Antike in- und auswendig. Der Aphorismus des griechischen Philosophen Heraklit „panta rhei“ (Alles fließt) ist sozusagen zu seinem Lebensmotto geworden.

Mit dem Fließen ist das so eine Sache. Es gibt nicht nur eine Richtung, die nach vorne, sondern auch Ab- und Rückläufe. Was auch Lokurlu als Unternehmer in der Soliterm-Gruppe mit Sitz in Aachen hat erfahren müssen. Vor gut zwei Jahrzehnten hatte der gebürtige Türke, der Ende der 1980er-Jahre nach Deutschland gekommen ist, eine Art Geistesblitz: Statt wie gewohnt die Kraft der Sonne nur zum Erzeugen von Warmwasser für Heizungen zu nutzen, produzieren seine Parabolrinnenkollektoren auch Heißdampf, aus dem sich in einer Absorptionskältemaschine Kühlenergie gewinnen lässt. Irgendwie schien es, als hätte Lokurlu eine eierlegende, solare Wollmilchsau gefunden. Doch der eigentlich verdiente wirtschaftliche Durchbruch ist in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten ausgeblieben.

Dabei ist Lokurlu dutzendfach − auch mit international anerkannten Awards und Preisen − ausgezeichnet worden. Verbände, Parteien oder Umweltgruppen sahen in ihm vor allem den Hoffnungsträger für die solare Kälteerzeugung. Im Jahr 2007 stand er mit Angela Merkel, die sich damals im Zenit ihrer Klima-Kanzlerin-Phase befand, gemeinsam auf dem Podium: Das Time Magazine hatte beide zu „Heros of the Environment“ gekürt.

„Mit unserer Anlage haben wir die Solarausbeute fast verdreifachen können“

Umweltheld Lokurlu hatte sich für seine Entwicklung eingehend mit der Physik beschäftigt: Statt auf die üblichen Flachkollektoren, die Heizungswärme produzieren, setzte der einige Jahre am Jülicher Forschungszentrum mit Schwerpunkt Brennstoffzellen tätige Wissenschaftler für seine Konstruktion bewusst auf Parabolspiegel, die das Sonnenlicht besonders gut sammeln und hohe Temperaturen erzeugen.

Das große Plus dabei: Die leichten Soliterm-Parabolkollektoren aus beschichtetem Aluminium liefern die Energie für die Kältemaschinen auf einem Temperaturniveau, das Flach- und Röhrenkollektoren mit rund 250 Grad Celsius nicht haben. Nach Lokurlus Worten sind Temperaturen von bis zu 400 Grad Celsius erreichbar, mit denen eine Stromerzeugung möglich wäre. „Mit unserer Anlage haben wir den Gesamtwirkungsgrad, also die Solarausbeute, fast verdreifachen können. Dabei benötigt unser System nur ein Drittel des Platzes herkömmlicher Kollektoren“, beschreibt er weitere Vorteile.

Wirtschaftlich hat Lokurlu mit seinen vielseitig einsetzbaren Parabolrinnenkollektoren bislang noch zu nur wenig punkten können. In den vergangenen Jahren gab es für ihn einige Aufträge für Industrieanlagen, Hotelparks und große Krankenhäuser aus der Türkei, Jordanien oder Italien. Zuletzt hatte er vom österreichischen Unternehmen MM Graphia für dessen Werk in Izmir einen Auftrag mit einer thermischen Leistung von immerhin 3,5 MW erhalten. MM Graphia ist Spezialist für Zigarettenverpackungen im Tief- und Offsetdruck sowie für die Fertigung von innovativen und hochveredelten Faltschachteln. Lokurlu: „Wärme und Prozesskälte ist für den Herstellungsprozess unverzichtbar.“

Dass der Soliterm-Geschäftsführer für sein System bislang die Mittelmeerländer als Absatzmarkt gesehen hat, ergibt sich aus den dort vorherrschenden klimatischen Bedingungen: „Tatsache ist, dass in den südlichen Ländern allein in den Sommermonaten mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs für die Klimatisierung und Kältebereitstellung benötigt wird. Da die dortigen Kraftwerke nur einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von 30 Prozent haben, ist unser Weg, die Kälte bereitzustellen, nicht nur preiswerter, sondern auch mit einem weitaus niedrigerem Schadstoffausstoß verbunden.“

Soliterm verlagert Fertigung von der Türkei zurück nach Deutschalnd
 
Um die Produktions- und Lohnkosten so niedrig wie möglich zu halten, hatte Lokurlu in den vergangenen Jahren seine Parabolrinnen in der türkischen Hauptstadt Ankara fertigen lassen. Damit ist spätestens in diesem Sommer Schluss. Mit seiner Fertigung zieht er ins Hochlohnland Deutschland um, genau genommen in die Städteregion Aachen. „Wir haben dort zwei Objekte in der engeren Auswahl als künftigen Produktionsstandort“, so Lokurlu.

Rund 5 Mio. Euro will der Solarunternehmer in sein neues Werk investieren, rund 30 Mitarbeiter soll die Belegschaft umfassen, zehn davon in der eigentlichen Produktion: „Die Fertigung der Parabolrinnenkollektoren läuft aber weitestgehend automatisiert, was den Umzug nach Deutschland erst finanzierbar gemacht hat.“ Dass er mit Soliterm komplett in seine zweite Heimat Deutschland zieht, hat auch politische Gründe: „Die Energiewende war in den letzten Jahren eine reine Stromwende, was wir aber brauchen, ist eine grüne Wärmewende.“ Er geht davon aus, dass sich dafür die Rahmenbedingungen unter der Ampelkoalition schnell und deutlich verbessern werden.

Auch die geopolitische Lage spielt ihm derzeit in die Karten, der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine hat die Energiepreise in den zurückliegenden Wochen explodieren lassen. „Früher konnten wir bei Gaspreisen von zwei bis drei Cent pro Kilowattstunde nicht mithalten. Derzeit sind wir mit unseren solaren Klimaanlagen richtig wettbewerbsfähig und helfen obendrein Industriebetrieben, sich energetisch unabhängig zu machen und ihren ökologischen Fußabdruck zu verbessern.“ Nicht nur Unternehmen beispielsweise aus der Nahrungsmittelindustrie sieht Lokurlu als potenzielle Abnehmer für sein Parabolrinnensystem, sondern auch Energieversorger, die Fern- und Nahwärmenetze betreiben: „Wie soll denn grüne Wärme im großen Stil erzeugt werden, wenn nicht mit Solarthermie?“ Mit ersten Energieunternehmen, lässt Lokurlu durchblicken, laufen derzeit Verhandlungen.

Dass Lokurlu mit seinem Fertigungswerk in wenigen Wochen in den Großraum Aachen quasi vor seine Haustür umzieht, freut Reiner Priggen doppelt. Der Vorsitzende des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW lebt nicht nur seit Jahrzehnten in der Kaiserstadt, sondern kennt den Soliterm-Geschäftsführer seit Ende der 1990er-Jahre: „Es spricht für Ahmet Lokurlu, dass er sich von den Rückschlägen in den vergangenen Jahren nicht hat unterkriegen lassen, sondern jetzt noch einmal voll durchstartet.“

Lokurlus Parabolrinnenkollektoren für die Kälteversorgung räumt Priggen, selbst studierter Maschinenbauer, gute Marktchancen bei der Wärmewende in Deutschland ein: „Die Technik funktioniert, das haben erste Projekte gezeigt. Jetzt ist sie wettbewerbsfähig. Wann, wenn nicht jetzt, soll Ahmet Lokurlu seinen längst überfälligen Durchbruch als Solarunternehmer schaffen?“
 
Die Fertigung der Parabolrinnenkollektoren läuft weitestgehend automatisiert bei Soliterm
Quelle: Soliterm

 

Montag, 9.05.2022, 09:00 Uhr
Ralf Köpke
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe -
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
"Wenn nicht jetzt, wann dann?"
Mit seinen Parabolrinnenkollektoren setzt Soliterm-Geschäftsführer Ahmet Lokurlu auf die überfällige Wärmewende hierzulande.
Wenn er sein Geld nicht als Energieunternehmer verdienen würde, sagt Ahmet Lokurlu selbst, wäre er Philosoph geworden. Der promovierte Energie- und Verfahrenstechniker kennt die Schriften vieler Denker seit der Antike in- und auswendig. Der Aphorismus des griechischen Philosophen Heraklit „panta rhei“ (Alles fließt) ist sozusagen zu seinem Lebensmotto geworden.

Mit dem Fließen ist das so eine Sache. Es gibt nicht nur eine Richtung, die nach vorne, sondern auch Ab- und Rückläufe. Was auch Lokurlu als Unternehmer in der Soliterm-Gruppe mit Sitz in Aachen hat erfahren müssen. Vor gut zwei Jahrzehnten hatte der gebürtige Türke, der Ende der 1980er-Jahre nach Deutschland gekommen ist, eine Art Geistesblitz: Statt wie gewohnt die Kraft der Sonne nur zum Erzeugen von Warmwasser für Heizungen zu nutzen, produzieren seine Parabolrinnenkollektoren auch Heißdampf, aus dem sich in einer Absorptionskältemaschine Kühlenergie gewinnen lässt. Irgendwie schien es, als hätte Lokurlu eine eierlegende, solare Wollmilchsau gefunden. Doch der eigentlich verdiente wirtschaftliche Durchbruch ist in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten ausgeblieben.

Dabei ist Lokurlu dutzendfach − auch mit international anerkannten Awards und Preisen − ausgezeichnet worden. Verbände, Parteien oder Umweltgruppen sahen in ihm vor allem den Hoffnungsträger für die solare Kälteerzeugung. Im Jahr 2007 stand er mit Angela Merkel, die sich damals im Zenit ihrer Klima-Kanzlerin-Phase befand, gemeinsam auf dem Podium: Das Time Magazine hatte beide zu „Heros of the Environment“ gekürt.

„Mit unserer Anlage haben wir die Solarausbeute fast verdreifachen können“

Umweltheld Lokurlu hatte sich für seine Entwicklung eingehend mit der Physik beschäftigt: Statt auf die üblichen Flachkollektoren, die Heizungswärme produzieren, setzte der einige Jahre am Jülicher Forschungszentrum mit Schwerpunkt Brennstoffzellen tätige Wissenschaftler für seine Konstruktion bewusst auf Parabolspiegel, die das Sonnenlicht besonders gut sammeln und hohe Temperaturen erzeugen.

Das große Plus dabei: Die leichten Soliterm-Parabolkollektoren aus beschichtetem Aluminium liefern die Energie für die Kältemaschinen auf einem Temperaturniveau, das Flach- und Röhrenkollektoren mit rund 250 Grad Celsius nicht haben. Nach Lokurlus Worten sind Temperaturen von bis zu 400 Grad Celsius erreichbar, mit denen eine Stromerzeugung möglich wäre. „Mit unserer Anlage haben wir den Gesamtwirkungsgrad, also die Solarausbeute, fast verdreifachen können. Dabei benötigt unser System nur ein Drittel des Platzes herkömmlicher Kollektoren“, beschreibt er weitere Vorteile.

Wirtschaftlich hat Lokurlu mit seinen vielseitig einsetzbaren Parabolrinnenkollektoren bislang noch zu nur wenig punkten können. In den vergangenen Jahren gab es für ihn einige Aufträge für Industrieanlagen, Hotelparks und große Krankenhäuser aus der Türkei, Jordanien oder Italien. Zuletzt hatte er vom österreichischen Unternehmen MM Graphia für dessen Werk in Izmir einen Auftrag mit einer thermischen Leistung von immerhin 3,5 MW erhalten. MM Graphia ist Spezialist für Zigarettenverpackungen im Tief- und Offsetdruck sowie für die Fertigung von innovativen und hochveredelten Faltschachteln. Lokurlu: „Wärme und Prozesskälte ist für den Herstellungsprozess unverzichtbar.“

Dass der Soliterm-Geschäftsführer für sein System bislang die Mittelmeerländer als Absatzmarkt gesehen hat, ergibt sich aus den dort vorherrschenden klimatischen Bedingungen: „Tatsache ist, dass in den südlichen Ländern allein in den Sommermonaten mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs für die Klimatisierung und Kältebereitstellung benötigt wird. Da die dortigen Kraftwerke nur einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von 30 Prozent haben, ist unser Weg, die Kälte bereitzustellen, nicht nur preiswerter, sondern auch mit einem weitaus niedrigerem Schadstoffausstoß verbunden.“

Soliterm verlagert Fertigung von der Türkei zurück nach Deutschalnd
 
Um die Produktions- und Lohnkosten so niedrig wie möglich zu halten, hatte Lokurlu in den vergangenen Jahren seine Parabolrinnen in der türkischen Hauptstadt Ankara fertigen lassen. Damit ist spätestens in diesem Sommer Schluss. Mit seiner Fertigung zieht er ins Hochlohnland Deutschland um, genau genommen in die Städteregion Aachen. „Wir haben dort zwei Objekte in der engeren Auswahl als künftigen Produktionsstandort“, so Lokurlu.

Rund 5 Mio. Euro will der Solarunternehmer in sein neues Werk investieren, rund 30 Mitarbeiter soll die Belegschaft umfassen, zehn davon in der eigentlichen Produktion: „Die Fertigung der Parabolrinnenkollektoren läuft aber weitestgehend automatisiert, was den Umzug nach Deutschland erst finanzierbar gemacht hat.“ Dass er mit Soliterm komplett in seine zweite Heimat Deutschland zieht, hat auch politische Gründe: „Die Energiewende war in den letzten Jahren eine reine Stromwende, was wir aber brauchen, ist eine grüne Wärmewende.“ Er geht davon aus, dass sich dafür die Rahmenbedingungen unter der Ampelkoalition schnell und deutlich verbessern werden.

Auch die geopolitische Lage spielt ihm derzeit in die Karten, der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine hat die Energiepreise in den zurückliegenden Wochen explodieren lassen. „Früher konnten wir bei Gaspreisen von zwei bis drei Cent pro Kilowattstunde nicht mithalten. Derzeit sind wir mit unseren solaren Klimaanlagen richtig wettbewerbsfähig und helfen obendrein Industriebetrieben, sich energetisch unabhängig zu machen und ihren ökologischen Fußabdruck zu verbessern.“ Nicht nur Unternehmen beispielsweise aus der Nahrungsmittelindustrie sieht Lokurlu als potenzielle Abnehmer für sein Parabolrinnensystem, sondern auch Energieversorger, die Fern- und Nahwärmenetze betreiben: „Wie soll denn grüne Wärme im großen Stil erzeugt werden, wenn nicht mit Solarthermie?“ Mit ersten Energieunternehmen, lässt Lokurlu durchblicken, laufen derzeit Verhandlungen.

Dass Lokurlu mit seinem Fertigungswerk in wenigen Wochen in den Großraum Aachen quasi vor seine Haustür umzieht, freut Reiner Priggen doppelt. Der Vorsitzende des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW lebt nicht nur seit Jahrzehnten in der Kaiserstadt, sondern kennt den Soliterm-Geschäftsführer seit Ende der 1990er-Jahre: „Es spricht für Ahmet Lokurlu, dass er sich von den Rückschlägen in den vergangenen Jahren nicht hat unterkriegen lassen, sondern jetzt noch einmal voll durchstartet.“

Lokurlus Parabolrinnenkollektoren für die Kälteversorgung räumt Priggen, selbst studierter Maschinenbauer, gute Marktchancen bei der Wärmewende in Deutschland ein: „Die Technik funktioniert, das haben erste Projekte gezeigt. Jetzt ist sie wettbewerbsfähig. Wann, wenn nicht jetzt, soll Ahmet Lokurlu seinen längst überfälligen Durchbruch als Solarunternehmer schaffen?“
 
Die Fertigung der Parabolrinnenkollektoren läuft weitestgehend automatisiert bei Soliterm
Quelle: Soliterm

 

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Ralf Köpke

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