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Energie & Management > Österreich - Weitere Debatten um grüne Gase
Bild: Fotolia/YuI
Österreich

Weitere Debatten um grüne Gase

Zwischen der Gaswirtschaft und der Bundesregierung, aber auch regierungsintern, gibt es Kontroversen um die künftige Nutzung von grünem Wasserstoff und Biomethan.
Die Kontroversen um die künftige Rolle grüner Gase im österreichischen Energiesystem gehen weiter. Beim „Zukunftsforum Gas 2021“ am 23. Juni bekräftigten hochrangige Vertreter der Gaswirtschaft und der Bundesregierung im Wesentlichen ihre bekannten Positionen.

Das „Zukunftsforum“ ist die gemeinsame Jahrestagung der rechtlichen Vertretung der Gasbranche, des wirtschaftspolitisch ausgerichteten Fachverbands der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen (FGW) sowie der technisch orientierten Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW). Der Obmann des FGW und stellvertretende Generaldirektor der Wiener Stadtwerke, Peter Weinelt, betonte, ohne die Nutzung grüner Gase sei die für 2040 angestrebte Klimaneutralität Österreichs nicht darstellbar. Er verwies auf die Pläne der Bundesregierung, die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien bis 2030 um rund 50 % beziehungsweise 27 Mrd. kWh pro Jahr zu steigern. Dadurch werde es zu Erzeugungsüberschüssen von 10 bis 12 Mrd. kWh in den Sommermonaten kommen, denen eine ebenso große Erzeugungslücke im Winterhalbjahr gegenüberstehe.

Der somit notwendige „saisonale Ausgleich“ zwischen Erzeugung und Verbrauch lasse sich nur mit grünem Wasserstoff bewerkstelligen. Umso wichtiger sei es, rasch die erforderlichen Rahmenbedingungen für die künftige Nutzung grüner Gase, etwa von Biomethan und von elektrolytisch mit Ökostrom erzeugtem Wasserstoff, zu schaffen, betonte Weinelt: „Wir hätten uns gewünscht, dass das im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) geregelt wird, das derzeit in parlamentarischer Verhandlung ist.“ Leider sei dies nun nicht der Fall. Und die Dekarbonisierung der Energieversorgung lasse sich nicht von heute auf morgen bewerkstelligen: „Die Projekte haben ihre Vorlaufzeiten.“

Wichtig sei ferner ein pragmatischer Zugang, was den Einsatz grüner Gase im Raumwärmesektor betrifft. In Wien spiele die Fernwärme derzeit schon eine bedeutende Rolle: „Daher wird man sie weiter forcieren. Aber im gesamten Bundesgebiet gibt es nach wie vor etwa 500.000 Ölheizungen. Bei deren Ersatz sollten auch grüne Gase zum Zuge kommen können.“ Nicht ausdrücklich erwähnte Weinelt, dass die Fernwärmeversorgung Wiens sich im Wesentlichen auf die städtischen Müllverbrennungsanlagen und die mit Erdgas befeuerten Kraft-Wärme-Kopplungen (KWK) stützt. Somit wären grüne Gase auch in diesem Zusammenhang zu thematisieren. Dass dies der Fall ist, hatte Weinelt wie berichtet bei einer Onlineveranstaltung des FGW am 16. Juni bekräftigt: Die KWK sollen sukzessive an den Betrieb mit grünem Wasserstoff angepasst werden.

Wasserstoff technisch kein Problem

ÖVGW-Präsident Michael Haselauer ergänzte, technisch sei die Nutzung von Wasserstoff für die Raumwärmeversorgung kein Problem: „Wir hatten ja seinerzeit das Stadtgas, das zu 50 Prozent aus Wasserstoff bestand. Das hat bestens funktioniert.“ Versuche der ÖVGW ergaben ihm zufolge, dass die Leitungen und Gasthermen eine Beimischung von bis zu 10 % Wasserstoff zum Erdgas ohne Probleme verkraften. Auch erheblich höhere Anteile seien grundsätzlich zu bewältigen. Und für die (Groß-)Industrie müsse eben ein Regelwerk geschaffen werden, um den Betrieb ihrer Anlagen vollständig auf Wasserstoff umstellen zu können. Derzeit ist in Österreich lediglich eine Wasserstoffbeimischung von 4 % zu Erdgas zulässig.

Die Kunden seien dem Einsatz grüner Gase gegenüber durchaus aufgeschlossen, betonte Haselauer unter Hinweis auf eine Studie der ÖVGW. Dieser zufolge sind 60 % prinzipiell bereit, für solche Gase mehr zu bezahlen als für Erdgas: „Aber 90 Prozent können sich nicht vorstellen, ihre Gasheizung herauszureißen und durch eine andere Heizungsart zu ersetzen.“

Zwist in der Regierung

Allerdings beharrt auch Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf ihrem Standpunkt, Gas, welcher Art auch immer, ab 2040 für Heizzwecke nicht mehr zu verwenden. In einer Videobotschaft zum Zukunftsforum Gas erläuterte die Ministerin, rund ein Viertel des Energiebedarfs für die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser werde derzeit mittels Erdgas gedeckt. Dies sei klimapolitisch nicht zu verantworten. An grünen Gasen wiederum stünden keine ausreichenden Mengen zur Verfügung: „Wir haben einfach nicht genug davon für alle Sektoren.“ Ein System zur Gasversorgung, das mit den Anforderungen der Klimapolitik kompatibel sei, „setzt den Umbau der Gasinfrastrukur voraus“. In Zusammenarbeit mit der Energiemarktregulierungsbehörde E-Control und den Gasnetzbetreibern erarbeite ihr Ministerium daher eine Studie über den Beitrag der Gasleitungen und -speicher zu einem klimaneutralen Österreich.

Indessen stößt Gewessler regierungsintern auf Widerstand. Ihr Koalitionspartner, die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP), unterstützt im Wesentlichen die Positionen der Gaswirtschaft. Beim Zukunftsforum Gas betonte der Staatssekretär im Klima- und Energieministerium, Magnus Brunner, die Verwendung grüner Gase dürfe nicht auf bestimmte Sektoren eingeschränkt werden. Für einschlägige Verbote sei die ÖVP nicht zu haben. Generell müsse die Energiewende in Österreich „intelligent gemacht“ werden. Dies bedeute auch Investitionen in den Ausbau der Gasinfrastruktur.

Donnerstag, 24.06.2021, 11:27 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Weitere Debatten um grüne Gase
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Österreich
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Zwischen der Gaswirtschaft und der Bundesregierung, aber auch regierungsintern, gibt es Kontroversen um die künftige Nutzung von grünem Wasserstoff und Biomethan.
Die Kontroversen um die künftige Rolle grüner Gase im österreichischen Energiesystem gehen weiter. Beim „Zukunftsforum Gas 2021“ am 23. Juni bekräftigten hochrangige Vertreter der Gaswirtschaft und der Bundesregierung im Wesentlichen ihre bekannten Positionen.

Das „Zukunftsforum“ ist die gemeinsame Jahrestagung der rechtlichen Vertretung der Gasbranche, des wirtschaftspolitisch ausgerichteten Fachverbands der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen (FGW) sowie der technisch orientierten Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW). Der Obmann des FGW und stellvertretende Generaldirektor der Wiener Stadtwerke, Peter Weinelt, betonte, ohne die Nutzung grüner Gase sei die für 2040 angestrebte Klimaneutralität Österreichs nicht darstellbar. Er verwies auf die Pläne der Bundesregierung, die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien bis 2030 um rund 50 % beziehungsweise 27 Mrd. kWh pro Jahr zu steigern. Dadurch werde es zu Erzeugungsüberschüssen von 10 bis 12 Mrd. kWh in den Sommermonaten kommen, denen eine ebenso große Erzeugungslücke im Winterhalbjahr gegenüberstehe.

Der somit notwendige „saisonale Ausgleich“ zwischen Erzeugung und Verbrauch lasse sich nur mit grünem Wasserstoff bewerkstelligen. Umso wichtiger sei es, rasch die erforderlichen Rahmenbedingungen für die künftige Nutzung grüner Gase, etwa von Biomethan und von elektrolytisch mit Ökostrom erzeugtem Wasserstoff, zu schaffen, betonte Weinelt: „Wir hätten uns gewünscht, dass das im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) geregelt wird, das derzeit in parlamentarischer Verhandlung ist.“ Leider sei dies nun nicht der Fall. Und die Dekarbonisierung der Energieversorgung lasse sich nicht von heute auf morgen bewerkstelligen: „Die Projekte haben ihre Vorlaufzeiten.“

Wichtig sei ferner ein pragmatischer Zugang, was den Einsatz grüner Gase im Raumwärmesektor betrifft. In Wien spiele die Fernwärme derzeit schon eine bedeutende Rolle: „Daher wird man sie weiter forcieren. Aber im gesamten Bundesgebiet gibt es nach wie vor etwa 500.000 Ölheizungen. Bei deren Ersatz sollten auch grüne Gase zum Zuge kommen können.“ Nicht ausdrücklich erwähnte Weinelt, dass die Fernwärmeversorgung Wiens sich im Wesentlichen auf die städtischen Müllverbrennungsanlagen und die mit Erdgas befeuerten Kraft-Wärme-Kopplungen (KWK) stützt. Somit wären grüne Gase auch in diesem Zusammenhang zu thematisieren. Dass dies der Fall ist, hatte Weinelt wie berichtet bei einer Onlineveranstaltung des FGW am 16. Juni bekräftigt: Die KWK sollen sukzessive an den Betrieb mit grünem Wasserstoff angepasst werden.

Wasserstoff technisch kein Problem

ÖVGW-Präsident Michael Haselauer ergänzte, technisch sei die Nutzung von Wasserstoff für die Raumwärmeversorgung kein Problem: „Wir hatten ja seinerzeit das Stadtgas, das zu 50 Prozent aus Wasserstoff bestand. Das hat bestens funktioniert.“ Versuche der ÖVGW ergaben ihm zufolge, dass die Leitungen und Gasthermen eine Beimischung von bis zu 10 % Wasserstoff zum Erdgas ohne Probleme verkraften. Auch erheblich höhere Anteile seien grundsätzlich zu bewältigen. Und für die (Groß-)Industrie müsse eben ein Regelwerk geschaffen werden, um den Betrieb ihrer Anlagen vollständig auf Wasserstoff umstellen zu können. Derzeit ist in Österreich lediglich eine Wasserstoffbeimischung von 4 % zu Erdgas zulässig.

Die Kunden seien dem Einsatz grüner Gase gegenüber durchaus aufgeschlossen, betonte Haselauer unter Hinweis auf eine Studie der ÖVGW. Dieser zufolge sind 60 % prinzipiell bereit, für solche Gase mehr zu bezahlen als für Erdgas: „Aber 90 Prozent können sich nicht vorstellen, ihre Gasheizung herauszureißen und durch eine andere Heizungsart zu ersetzen.“

Zwist in der Regierung

Allerdings beharrt auch Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf ihrem Standpunkt, Gas, welcher Art auch immer, ab 2040 für Heizzwecke nicht mehr zu verwenden. In einer Videobotschaft zum Zukunftsforum Gas erläuterte die Ministerin, rund ein Viertel des Energiebedarfs für die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser werde derzeit mittels Erdgas gedeckt. Dies sei klimapolitisch nicht zu verantworten. An grünen Gasen wiederum stünden keine ausreichenden Mengen zur Verfügung: „Wir haben einfach nicht genug davon für alle Sektoren.“ Ein System zur Gasversorgung, das mit den Anforderungen der Klimapolitik kompatibel sei, „setzt den Umbau der Gasinfrastrukur voraus“. In Zusammenarbeit mit der Energiemarktregulierungsbehörde E-Control und den Gasnetzbetreibern erarbeite ihr Ministerium daher eine Studie über den Beitrag der Gasleitungen und -speicher zu einem klimaneutralen Österreich.

Indessen stößt Gewessler regierungsintern auf Widerstand. Ihr Koalitionspartner, die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP), unterstützt im Wesentlichen die Positionen der Gaswirtschaft. Beim Zukunftsforum Gas betonte der Staatssekretär im Klima- und Energieministerium, Magnus Brunner, die Verwendung grüner Gase dürfe nicht auf bestimmte Sektoren eingeschränkt werden. Für einschlägige Verbote sei die ÖVP nicht zu haben. Generell müsse die Energiewende in Österreich „intelligent gemacht“ werden. Dies bedeute auch Investitionen in den Ausbau der Gasinfrastruktur.

Donnerstag, 24.06.2021, 11:27 Uhr
Klaus Fischer

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