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Energie & Management > Österreich - Weiter Streit um
Bild: Fotolia.com, YuI
Österreich

Weiter Streit um "grüne" Gase

Laut einer Studie im Auftrag des Klima- und Energieministeriums übersteigt der künftige Bedarf an "grünen Gasen" das Biomethanpotenzial bei Weitem. Die Gaswirtschaft ist skeptisch.

Die Auseinandersetzungen um das Potenzial an „grünen Gasen“ in Österreich gehen weiter. Am 1. Juni hatte Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler eine Studie mit dem Titel „Erneuerbares Gas in Österreich 2040“ präsentiert. Ihr zufolge lassen sich bis 2040 lediglich etwa 20 Mrd. kWh Biomethan aus österreichischer Erzeugung bereitstellen.

Dem steht je nach Szenario indessen ein Bedarf an Biomethan und „grünem“, also elektrolytisch mithilfe von Ökostrom aus Wasser erzeugtem, Wasserstoff von etwa 89,3 bis 138,4 Mrd. kWh gegenüber. Er ist somit etwa vier- bis siebenmal so groß wie die realisierbare Biomethanmenge und liegt laut der Studie „in der Größenordnung der heutigen heimischen Gesamtstromerzeugung“.

Wie viel „grüner“ Wasserstoff in Österreich erzeugt werden könnte, wurde im Zuge der Studie übrigens nicht erhoben. Auf Anfrage der Redaktion hieß es, dies werde „noch im Detail“ erfolgen. Die Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff unterscheide sich technisch erheblich von der Biomethanproduktion: „Darum die separate Betrachtung.“

Energiewirtschaftsexperten, die nicht namentlich erwähnt werden wollten, nannten der Redaktion einen weiteren Grund: Österreich sei zurzeit Stromimporteur. Zwar solle die Ökostromproduktion bis 2030 um 27 Mrd. kWh pro Jahr oder rund 50 % gesteigert werden, um das Land bilanziell vollständig mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Überschüssige Elektrizität zur Herstellung von „grünem“ Wasserstoff werde aber auch ab 2030 wohl nur in sehr begrenztem Ausmaß zur Verfügung stehen. Daher sei etwa an seinen umfassenden Einsatz zur „Dekarbonisierung“ industrieller Produktionsprozesse nicht zu denken.

Gewessler schloss bei der Pressekonferenz nicht aus, die Deckungslücke zwischen der künftigen österreichischen Biomethanproduktion und dem Bedarf an „erneuerbarem Gas“ zumindest teilweise mit Importen von „grünem“ Wasserstoff zu decken: „Wir werden alles tun, was uns der Klimaneutralität näherbringt.“

Österreich peilt die „Klimaneutralität“ und damit das weitestgehende Ende der Nutzung fossiler Energieträger für 2040 an. Skeptisch zeigte sich Gewessler auf Anfrage der Redaktion hinsichtlich der übergangsweisen Verwendung von „blauem“, also aus abgeschiedenen Kraftwerksabgasen erzeugtem, sowie „türkisem“, das heißt mittels Methanpyrolyse aus Erdgas hergestelltem, Wasserstoff. Sie wolle „kein grünes Mascherl um fossiles Gas legen“.

Um die Bereitstellung „grüner“ Gase zu erleichtern, arbeite die Bundesregierung an einem umfangreichen Paket zur Anpassung der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen. Dieses „Grüngaspaket“ werde noch vor Jahresende vorliegen, versicherte Gewessler.

„Bessere Alternativen“

Eingesetzt würden der Studie zufolge bis zu drei Viertel der Mengen an „erneuerbaren Gasen“ in der energieintensiven Industrie. Das verbleibende Viertel entfiele auf den Güterverkehr auf Straßen, Schienen und Flüssen sowie auf Kraft-Wärme-Kopplung und Heizkraftwerke. Dagegen plant Ministerin Gewessler den Ausstieg aus der Gasnutzung in Bereichen, „wo es bessere Alternativen gibt, etwa bei den Heizungen. Dort können wir unter anderem Pellets und Wärmepumpen verwenden“. Auch im Individualverkehr hätten „grüne“ Gase keinen Platz: „Das hat der Markt entschieden. Die Autohersteller setzen auf Elektromobilität.“

„Theoretisch“ und „realisierbar“

Der Geschäftsführer der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW), Michael Mock, teilte der Redaktion mit, die Studie beziffere das „theoretische Potenzial“ zur Biomethanproduktion mit etwa 89 Mrd. kWh: „Das deckt sich weitgehend mit unseren Berechnungen.“ Allerdings schätze die ÖVGW das „realisierbare Potenzial“ auf rund 40 Mrd. kWh, also auf das Doppelte der in der Studie angegebenen 20 Mrd. kWh.

Die Differenz lässt sich laut Mock sachlich nicht erklären. Möglicherweise wolle das Ministerium das Potenzial nicht allzu hoch ansetzen, um bessere Argumente für den geplanten Ausstieg aus den Gasheizungen zu finden. Grundsätzlich seien derartige Berechnungen immer mit Vorsicht zu genießen, speziell was die langfristigen Perspektiven betrifft: „Wie viel Biomethan man erzeugen kann, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Und egal wie groß die Menge nun wirklich ist: Wichtig wäre, endlich ins Tun zu kommen.“

Zweifelhaft ist, so Mock, ob die Industrie Biomethan im großen Ausmaß einsetzen wird: Dieses sei zumindest derzeit „etwa zwei- bis dreimal so teuer wie Erdgas“.

Die Studie "Erneuerbares Gas in Österreich 2040" ist auf der Internetseite des Ministeriums abrufbar.


Mittwoch, 2.06.2021, 08:45 Uhr
Klaus Fischer
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Österreich
Weiter Streit um "grüne" Gase
Laut einer Studie im Auftrag des Klima- und Energieministeriums übersteigt der künftige Bedarf an "grünen Gasen" das Biomethanpotenzial bei Weitem. Die Gaswirtschaft ist skeptisch.

Die Auseinandersetzungen um das Potenzial an „grünen Gasen“ in Österreich gehen weiter. Am 1. Juni hatte Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler eine Studie mit dem Titel „Erneuerbares Gas in Österreich 2040“ präsentiert. Ihr zufolge lassen sich bis 2040 lediglich etwa 20 Mrd. kWh Biomethan aus österreichischer Erzeugung bereitstellen.

Dem steht je nach Szenario indessen ein Bedarf an Biomethan und „grünem“, also elektrolytisch mithilfe von Ökostrom aus Wasser erzeugtem, Wasserstoff von etwa 89,3 bis 138,4 Mrd. kWh gegenüber. Er ist somit etwa vier- bis siebenmal so groß wie die realisierbare Biomethanmenge und liegt laut der Studie „in der Größenordnung der heutigen heimischen Gesamtstromerzeugung“.

Wie viel „grüner“ Wasserstoff in Österreich erzeugt werden könnte, wurde im Zuge der Studie übrigens nicht erhoben. Auf Anfrage der Redaktion hieß es, dies werde „noch im Detail“ erfolgen. Die Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff unterscheide sich technisch erheblich von der Biomethanproduktion: „Darum die separate Betrachtung.“

Energiewirtschaftsexperten, die nicht namentlich erwähnt werden wollten, nannten der Redaktion einen weiteren Grund: Österreich sei zurzeit Stromimporteur. Zwar solle die Ökostromproduktion bis 2030 um 27 Mrd. kWh pro Jahr oder rund 50 % gesteigert werden, um das Land bilanziell vollständig mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Überschüssige Elektrizität zur Herstellung von „grünem“ Wasserstoff werde aber auch ab 2030 wohl nur in sehr begrenztem Ausmaß zur Verfügung stehen. Daher sei etwa an seinen umfassenden Einsatz zur „Dekarbonisierung“ industrieller Produktionsprozesse nicht zu denken.

Gewessler schloss bei der Pressekonferenz nicht aus, die Deckungslücke zwischen der künftigen österreichischen Biomethanproduktion und dem Bedarf an „erneuerbarem Gas“ zumindest teilweise mit Importen von „grünem“ Wasserstoff zu decken: „Wir werden alles tun, was uns der Klimaneutralität näherbringt.“

Österreich peilt die „Klimaneutralität“ und damit das weitestgehende Ende der Nutzung fossiler Energieträger für 2040 an. Skeptisch zeigte sich Gewessler auf Anfrage der Redaktion hinsichtlich der übergangsweisen Verwendung von „blauem“, also aus abgeschiedenen Kraftwerksabgasen erzeugtem, sowie „türkisem“, das heißt mittels Methanpyrolyse aus Erdgas hergestelltem, Wasserstoff. Sie wolle „kein grünes Mascherl um fossiles Gas legen“.

Um die Bereitstellung „grüner“ Gase zu erleichtern, arbeite die Bundesregierung an einem umfangreichen Paket zur Anpassung der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen. Dieses „Grüngaspaket“ werde noch vor Jahresende vorliegen, versicherte Gewessler.

„Bessere Alternativen“

Eingesetzt würden der Studie zufolge bis zu drei Viertel der Mengen an „erneuerbaren Gasen“ in der energieintensiven Industrie. Das verbleibende Viertel entfiele auf den Güterverkehr auf Straßen, Schienen und Flüssen sowie auf Kraft-Wärme-Kopplung und Heizkraftwerke. Dagegen plant Ministerin Gewessler den Ausstieg aus der Gasnutzung in Bereichen, „wo es bessere Alternativen gibt, etwa bei den Heizungen. Dort können wir unter anderem Pellets und Wärmepumpen verwenden“. Auch im Individualverkehr hätten „grüne“ Gase keinen Platz: „Das hat der Markt entschieden. Die Autohersteller setzen auf Elektromobilität.“

„Theoretisch“ und „realisierbar“

Der Geschäftsführer der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW), Michael Mock, teilte der Redaktion mit, die Studie beziffere das „theoretische Potenzial“ zur Biomethanproduktion mit etwa 89 Mrd. kWh: „Das deckt sich weitgehend mit unseren Berechnungen.“ Allerdings schätze die ÖVGW das „realisierbare Potenzial“ auf rund 40 Mrd. kWh, also auf das Doppelte der in der Studie angegebenen 20 Mrd. kWh.

Die Differenz lässt sich laut Mock sachlich nicht erklären. Möglicherweise wolle das Ministerium das Potenzial nicht allzu hoch ansetzen, um bessere Argumente für den geplanten Ausstieg aus den Gasheizungen zu finden. Grundsätzlich seien derartige Berechnungen immer mit Vorsicht zu genießen, speziell was die langfristigen Perspektiven betrifft: „Wie viel Biomethan man erzeugen kann, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Und egal wie groß die Menge nun wirklich ist: Wichtig wäre, endlich ins Tun zu kommen.“

Zweifelhaft ist, so Mock, ob die Industrie Biomethan im großen Ausmaß einsetzen wird: Dieses sei zumindest derzeit „etwa zwei- bis dreimal so teuer wie Erdgas“.

Die Studie "Erneuerbares Gas in Österreich 2040" ist auf der Internetseite des Ministeriums abrufbar.


Mittwoch, 2.06.2021, 08:45 Uhr
Klaus Fischer

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