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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Wasserstoff von hoher See
Bild: ptoscano, Fotolia
E&M Vor 20 Jahren

Wasserstoff von hoher See

Schon vor 20 Jahren wurde über Wasserstoff als möglicher Wegbereiter in eine klimafreundliche Energiezukunft diskutiert. Allerdings unter ganz anderen Vorzeichen als heute.
Den heutigen Hype um Wasserstoff hätten sich die Protagonisten des Jahres 2001 sicherlich gewünscht. Doch damals waren noch viele Fragen offen und es war auch noch unklar, wie die Infrastrukturvoraussetzungen für eine Wasserstoffwirtschaft geschaffen werden könnten. E&M-Chefreporter Ralf Köpke hat damals die Diskussion begleitet.
 
Wie es aussieht, können Offshore-Windparks einen Beitrag zur künftigen Wasserstoff-Wirtschaft leisten.
 
„Wir haben keine K.o.-Kriterien gefunden.“ Matthias Altmann scheint sich selbst über das Ergebnis seiner Studie zu wundern. Seit acht Jahren beschäftigt sich der Projektleiter bei der L-B-Systemtechnik GmbH in Ottobrunn mit allen Facetten der Wasserstoffgewinnung und -nutzung. Zum ersten Mal musste sich Altmann jüngst mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit die künftigen Offshore-Windparks zur Wasserstoff-Produktion geeignet sind.
 
Den Auftrag hatte Altmann von der Gesellschaft für Energie und Oekologie mbH (GEO) aus dem nordfriesischen Enge-Sande bekommen. GEO plant zum einen in den Ostsee-Gewässern der Mecklenburger Bucht eine kleine maritime Pilotwindfarm mit insgesamt 100 MW Leistung. Weitaus größere Dimensionen hat das Dantysk-Projekt etwa 60 km westlich von Sylt mit einem Volumen von insgesamt 1.500 MW, wobei die erste Ausbaustufe rund 400 MW umfassen soll.
 
Knackpunkt: Netzanbindung
 
„Uns kam es darauf an, frühzeitig um mögliche Alternativen zur klassischen Netzanbindung zu wissen“, begründet GEO-Geschäftsführer Marten Jessen den Schritt zur visionär anmutenden Studie. Denn eines ist derzeit klar: Für die vom Bundesumweltministerium bis zum Jahr 2030 für möglich gehaltenen 25.000 MW auf hoher See fehlen heute an Land die Kapazitäten zum Stromabfluss, selbst die Hälfte setzt große Anstrengungen bei der Netzverstärkung bzw. beim -neubau voraus.
 
Technisch jedenfalls ist nach der GEO-Studie die Wasserstofferzeugung auf hoher See kein Problem. Allerdings gibt es noch so mache offene Fragen. So hat die derzeit größte installierte Elektrolyse-Anlage am Assuan-Staudamm eine installierte Leistung von 156 MW, bei einem 400-MW-Offshore-Park wäre schon eine Größe von mindestens 334 MW notwendig.
 
„Technologisch ist die Industrie in der Lage, auch diese Anlagen zu liefern, da die Elektrolyseure modulartig aufgebaut sind“, meint Rolf August Brand. Der Diplom-Ingenieur ist Geschäftsführer der GHW – Gesellschaft für Hochleistungselektrolyseure zur Wasserstofferzeugung mbH mit Sitz in Putzbrunn bei München. Brand hält die Offshore-Parks für mit die „aussichtsreichsten Quellen“, um Wasserstoff in nennenswerten Mengen zu produzieren. Das dürfte auch die GHW-Gesellschafter interessieren, die alle drei unterschiedlich ausgerichtete Wasserstoffpläne haben. Mit jeweils 40 Prozent sind der Daimler-Chrysler-Konzern und die Norsk Hydro Elektrolyseurs AS, ein Tochterunternehmen des gleichnamigen norwegischen Öl- und Gaskonzerns, beteiligt. Die restlichen 20 Prozent halten die Hamburgischen Electricitätswerke-AG.
 
Prognose: 2010 fahren zehn Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge mit Wasserstoff
 
Für „objektiv“ hält GHW-Geschäftsführer Brand auch Matthias Altmanns Berechnungen zur Wasserstoff-Verflüssigung. Danach haben die größten Verflüssiger heute eine tägliche Kapazität von 40 t, für die erste Ausbaustufe von Dantysk wären nach der Expertise der L-B-Systemtechnik aber mindestens 156 t/d gefordert. Produzieren könnten solche Anlagen jährlich an die 23.000 Tonnen Wasserstoff. Die entspräche immerhin schon knapp fünf Prozent der Menge Wasserstoff, die nach der Verkehrswirtschaftlichen Energiestrategie (VES) im Jahr 2010 benötigt wird. Ein Szenario der VES, einer Initiative von Automobilherstellern, der Mineralölwirtschaft sowie der Bundesregierung, geht davon aus, dass in knapp einem Jahrzehnt zehn Prozent aller dann neu zugelassenen Fahrzeuge mit dem Kraftstoff Wasserstoff fährt. Umgerechnet hieße das, dass 2,5 Prozent des Kraftstoffverbrauchs durch Wasserstoff gedeckt würden – wie gesagt, ein Szenario, das eine Ahnung vom Wasserstoff-Potenzial gibt.
 
Bis dahin dürfte auch die Frage geklärt sein, wie denn der offshore erzeugte Wasserstoff an Land kommt. Möglich wäre der Transport per Pipeline oder mit dem Schiff. Unterirdische Rohre für eine Leitung durch den Nationalpark Wattenmeer zu verlegen, ist allerdings – wenn überhaupt − nur unter strengsten Auflagen möglich. Die Rohrleitung könnte auch gemeinsam mit den Stromkabeln zum Offshore-Park verlegt werden. Einen Transport von Flüssigwasserstoff in Container-Schiffen hat es bislang nur in Sonderfällen gegeben – und dann auch nicht in dieser Größenordnung.
 
Deshalb hält Professor Olav Hohmeyer von der Fördergesellschaft Windenergie die Verlegung einer Pipeline gemeinsam mit den Kabeln für den machbarsten Weg. Für den Flensburger Ökonomie-Professor eröffnen sich mit der Wasserstofferzeugung auf See neue, reizvolle Perspektiven für die Windkraft: „Die Windindustrie darf nur nicht den Fehler machen, sich um die Infrastruktur an Land kümmern zu wollen.“ Wichtiger sei vielmehr, die technischen und logistischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich die Offshore-Betreiber in zehn oder fünfzehn Jahren an dann bestehende Tankstellen- und Transportsysteme für Wasserstoff „andocken“ können.“

In ähnlichen Zeitkategorien denkt auch Willi Voigt. Der Staatssekretär im Energieministerium Schleswig-Holsteins rät den Offshore-Planern von GEO, sich von den heutigen Fragezeichen nicht abschrecken zu lassen: „In den ersten Ansätzen steckt so viel Substanz, dass ich für eine Machbarkeitsstudie plädiere, da wir die Ableitungsalternativen für den Offshore-Strom wirklich erst nach 2010 brauchen.“

Freitag, 16.07.2021, 17:15 Uhr
Ralf Köpke und Fritz Wilhelm
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E&M Vor 20 Jahren
Wasserstoff von hoher See
Schon vor 20 Jahren wurde über Wasserstoff als möglicher Wegbereiter in eine klimafreundliche Energiezukunft diskutiert. Allerdings unter ganz anderen Vorzeichen als heute.
Den heutigen Hype um Wasserstoff hätten sich die Protagonisten des Jahres 2001 sicherlich gewünscht. Doch damals waren noch viele Fragen offen und es war auch noch unklar, wie die Infrastrukturvoraussetzungen für eine Wasserstoffwirtschaft geschaffen werden könnten. E&M-Chefreporter Ralf Köpke hat damals die Diskussion begleitet.
 
Wie es aussieht, können Offshore-Windparks einen Beitrag zur künftigen Wasserstoff-Wirtschaft leisten.
 
„Wir haben keine K.o.-Kriterien gefunden.“ Matthias Altmann scheint sich selbst über das Ergebnis seiner Studie zu wundern. Seit acht Jahren beschäftigt sich der Projektleiter bei der L-B-Systemtechnik GmbH in Ottobrunn mit allen Facetten der Wasserstoffgewinnung und -nutzung. Zum ersten Mal musste sich Altmann jüngst mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit die künftigen Offshore-Windparks zur Wasserstoff-Produktion geeignet sind.
 
Den Auftrag hatte Altmann von der Gesellschaft für Energie und Oekologie mbH (GEO) aus dem nordfriesischen Enge-Sande bekommen. GEO plant zum einen in den Ostsee-Gewässern der Mecklenburger Bucht eine kleine maritime Pilotwindfarm mit insgesamt 100 MW Leistung. Weitaus größere Dimensionen hat das Dantysk-Projekt etwa 60 km westlich von Sylt mit einem Volumen von insgesamt 1.500 MW, wobei die erste Ausbaustufe rund 400 MW umfassen soll.
 
Knackpunkt: Netzanbindung
 
„Uns kam es darauf an, frühzeitig um mögliche Alternativen zur klassischen Netzanbindung zu wissen“, begründet GEO-Geschäftsführer Marten Jessen den Schritt zur visionär anmutenden Studie. Denn eines ist derzeit klar: Für die vom Bundesumweltministerium bis zum Jahr 2030 für möglich gehaltenen 25.000 MW auf hoher See fehlen heute an Land die Kapazitäten zum Stromabfluss, selbst die Hälfte setzt große Anstrengungen bei der Netzverstärkung bzw. beim -neubau voraus.
 
Technisch jedenfalls ist nach der GEO-Studie die Wasserstofferzeugung auf hoher See kein Problem. Allerdings gibt es noch so mache offene Fragen. So hat die derzeit größte installierte Elektrolyse-Anlage am Assuan-Staudamm eine installierte Leistung von 156 MW, bei einem 400-MW-Offshore-Park wäre schon eine Größe von mindestens 334 MW notwendig.
 
„Technologisch ist die Industrie in der Lage, auch diese Anlagen zu liefern, da die Elektrolyseure modulartig aufgebaut sind“, meint Rolf August Brand. Der Diplom-Ingenieur ist Geschäftsführer der GHW – Gesellschaft für Hochleistungselektrolyseure zur Wasserstofferzeugung mbH mit Sitz in Putzbrunn bei München. Brand hält die Offshore-Parks für mit die „aussichtsreichsten Quellen“, um Wasserstoff in nennenswerten Mengen zu produzieren. Das dürfte auch die GHW-Gesellschafter interessieren, die alle drei unterschiedlich ausgerichtete Wasserstoffpläne haben. Mit jeweils 40 Prozent sind der Daimler-Chrysler-Konzern und die Norsk Hydro Elektrolyseurs AS, ein Tochterunternehmen des gleichnamigen norwegischen Öl- und Gaskonzerns, beteiligt. Die restlichen 20 Prozent halten die Hamburgischen Electricitätswerke-AG.
 
Prognose: 2010 fahren zehn Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge mit Wasserstoff
 
Für „objektiv“ hält GHW-Geschäftsführer Brand auch Matthias Altmanns Berechnungen zur Wasserstoff-Verflüssigung. Danach haben die größten Verflüssiger heute eine tägliche Kapazität von 40 t, für die erste Ausbaustufe von Dantysk wären nach der Expertise der L-B-Systemtechnik aber mindestens 156 t/d gefordert. Produzieren könnten solche Anlagen jährlich an die 23.000 Tonnen Wasserstoff. Die entspräche immerhin schon knapp fünf Prozent der Menge Wasserstoff, die nach der Verkehrswirtschaftlichen Energiestrategie (VES) im Jahr 2010 benötigt wird. Ein Szenario der VES, einer Initiative von Automobilherstellern, der Mineralölwirtschaft sowie der Bundesregierung, geht davon aus, dass in knapp einem Jahrzehnt zehn Prozent aller dann neu zugelassenen Fahrzeuge mit dem Kraftstoff Wasserstoff fährt. Umgerechnet hieße das, dass 2,5 Prozent des Kraftstoffverbrauchs durch Wasserstoff gedeckt würden – wie gesagt, ein Szenario, das eine Ahnung vom Wasserstoff-Potenzial gibt.
 
Bis dahin dürfte auch die Frage geklärt sein, wie denn der offshore erzeugte Wasserstoff an Land kommt. Möglich wäre der Transport per Pipeline oder mit dem Schiff. Unterirdische Rohre für eine Leitung durch den Nationalpark Wattenmeer zu verlegen, ist allerdings – wenn überhaupt − nur unter strengsten Auflagen möglich. Die Rohrleitung könnte auch gemeinsam mit den Stromkabeln zum Offshore-Park verlegt werden. Einen Transport von Flüssigwasserstoff in Container-Schiffen hat es bislang nur in Sonderfällen gegeben – und dann auch nicht in dieser Größenordnung.
 
Deshalb hält Professor Olav Hohmeyer von der Fördergesellschaft Windenergie die Verlegung einer Pipeline gemeinsam mit den Kabeln für den machbarsten Weg. Für den Flensburger Ökonomie-Professor eröffnen sich mit der Wasserstofferzeugung auf See neue, reizvolle Perspektiven für die Windkraft: „Die Windindustrie darf nur nicht den Fehler machen, sich um die Infrastruktur an Land kümmern zu wollen.“ Wichtiger sei vielmehr, die technischen und logistischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich die Offshore-Betreiber in zehn oder fünfzehn Jahren an dann bestehende Tankstellen- und Transportsysteme für Wasserstoff „andocken“ können.“

In ähnlichen Zeitkategorien denkt auch Willi Voigt. Der Staatssekretär im Energieministerium Schleswig-Holsteins rät den Offshore-Planern von GEO, sich von den heutigen Fragezeichen nicht abschrecken zu lassen: „In den ersten Ansätzen steckt so viel Substanz, dass ich für eine Machbarkeitsstudie plädiere, da wir die Ableitungsalternativen für den Offshore-Strom wirklich erst nach 2010 brauchen.“

Freitag, 16.07.2021, 17:15 Uhr
Ralf Köpke und Fritz Wilhelm

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