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Energie & Management > Veranstaltung - Wasserstoff-Hochlauf mit angezogener Handbremse?
Bild: Zukunft Erdgas, Ilja C. Hendel
Veranstaltung

Wasserstoff-Hochlauf mit angezogener Handbremse?

Über die Parameter, auf die es für den Markthochlauf des Wasserstoffs nun ankommt, tauschten sich auf dem virtuellen "Handelsblatt Energiegipfel" Vertreter aus Industrie und Politk aus.
Auf den ersten Blick scheinen die Weichen für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff in Deutschland gut gestellt: Beispielsweise sieht die Politik die EEG-Umlagen-Befreiung des grünen Wasserstoffs vor. Für Uniper-CEO Andreas Schierenbeck ist dies jedoch kein Grund für einen "völlig ungebremsten Hochlauf". Zwar sei die Befreiung von der EEG-Umlage ein richtiger Schritt, jedoch müsse sie jedes Jahr neu beantragt werden. Dies stelle Unternehmen, die Investitionen in Millionenhöhe für einen Zeitraum von 30 oder 40 Jahren planen, vor eine schwierige Situation, so Schierenbeck. Zumal es keine Garantie gäbe, ob sie die Befreiung über den gesamten Zeitraum bekommen. 

Auch die Rolle des Wärmemarktes beziehungsweise der Erdgasnetze beim Markthochlauf des Wasserstoffs war ein zentrales Thema der Diskussionsrunde "Wasserstoff als Enabler für den Green Deal?", zu der das Handelsblatt am 13. Januar geladen hatte. In der Tat könne man über den Wärmemarkt durch eine Beimischung des Wasserstoff ins Erdgasnetz schnell zu Dekarbonisierungs-Gewinnen kommen, wie Stefan Kaufmann (CDU), Innovationsbeauftragter des Bundes für grünen Wasserstoff, bestätigte.

Jedoch: "Fakt ist, wir haben die großen Mengen grünen Wasserstoffs noch nicht, die wir überall in der Anwendung brauchen könnten." Die Frage nach der Einbeziehung des Wärmemarkts sei daher noch zu verfrüht. Wie auch Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), betonte, gehe es jetzt erst einmal darum, die großen Mengen an benötigtem grünen Wasserstoffs zu produzieren. "Die erste Aufgabe muss sein, den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv zu beschleunigen", so Müller-Kraenner. 

Grüne Wasserstoffinseln im Verteilnetz nötig

Für Jörg Bergmann, Sprecher der Geschäftsführung der Open Grid Europe (OGE), steht eine Nutzung des Gasnetzes für einen Hochlauf außer Frage: "Mit dem Erdgasnetz haben wir ein Asset, das sukzessive auf Wasserstoff umgestellt werden kann, wenn der regulatorische Rahmen angepasst wird." Der Begriff "Erdgas-Transport" etwa müsse durch "Gastransport" ersetzt werden, so dass Wasserstoff darin subsumiert sei. "Die Wegerechte und die Betriebsgenehmigungen bleiben so erhalten", so Bergmann. Diese Verzögerungen, die insbesondere Übertragungsnetzbetreiber beim Bau neuer Leitungen kennen, ließen sich so vermeiden. "Wir kämen schnell in eine Situation, dem Kunden diskriminierungsfrei ein belastbares Backbone-Netz, bereitstellen zu können." Geschwindigkeit sei wichtig, denn "die Zeit läuft gegen unser CO2-Budget".

Eine Beimischung des Wasserstoffs in Erdgasnetze schloss dagegen Müller-Kraenner von der DUH grundsätzlich aus: "Das hatten wir im übertragenen Fall bereits bei der Biosprit-Quote im Verkehrssektor, was aber genauso kontraproduktiv gewesen ist." Zudem: "Wasserstoff ist ein sehr hochwertiger Energieträger. Er sollte separat dorthin transportiert werden, wo er am dringendsten gebraucht wird", so Müller-Kraenner mit Blick auf die energieintensive Stahl- und Chemieindustrie. Dort gäbe es bereits Inselnetze für Wasserstoff. Den dort in Hochtemperaturprozessen eingesetzten grauen Wasserstoff sollte durch grünen Wasserstoff ersetzt werden, um so grüne Wasserstoffinseln im Verteilnetz zu schaffen. Diese könne man dann Schritt für Schritt erweitern.

Blauer oder grüner Wasserstoff?

Auch in der Farbe des Wasserstoffs, also aus welchen Energiequellen dieser hergestellt wird, waren sich die Anwesenden uneins: Für Farboffenheit gerade in der Hochlaufphase plädierten Andreas Schierenbeck (Uniper) und Jörg Bergmann (OGE). "Hier geht es nicht um Ideologie oder Dogmatismus, sondern um CO2-Einsparung", betonte Bergmann.

Alle Wasserstoffmengen, die CO2-neutral oder sehr CO2-arm produziert werden können, sollten genutzt werden. "Auf der Nachfrageseite sehen wir einen erheblichen Druck.", so Bergmann. Auch blauer Wasserstoff, der aus Erdgas gewonnen wird und bei dem anfallendes CO2 im Boden eingelagert werden soll, müsse daher im Hochlauf eine Rolle spielen. "Wenn der CO2-Anteil nicht austritt, dann haben wir auch hier einen Effekt", so Schierenbeck mit Blick auf die CO2-Bilanz. Als Übergangslösung sei blauer Wasserstoff daher tragbar.

"Ausgesprochen skeptisch" zeigt sich dagegen Müller-Kraenner gegenüber blauem Wasserstoff. Für ihn sei dieser nur eine "Verlängerung fossiler Geschäftsmodelle". 

Auch die Notwendigkeit von Technologiepartnerschaften wurden in der Runde angesprochen. Auf die Frage, ob eine Partnerschaft mit einem Land, das tausende Kilometer entfernt ist, angesichts der Transportkosten sinnvoll sei, antwortete Kaufmann: "Für die großen Mengen, die wir perspektivisch bis 2050 brauchen, werden wir uns auch über Europa hinaus um Partnerschaften kümmern müssen." Unter anderem nannte er Afrika als möglichen Partner. Gerade auf dem afrikanischen Kontinent gäbe es große Chancen für eine eigene Wertschöpfungskette.

Donnerstag, 14.01.2021, 15:01 Uhr
Davina Spohn
Energie & Management > Veranstaltung - Wasserstoff-Hochlauf mit angezogener Handbremse?
Bild: Zukunft Erdgas, Ilja C. Hendel
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Wasserstoff-Hochlauf mit angezogener Handbremse?
Über die Parameter, auf die es für den Markthochlauf des Wasserstoffs nun ankommt, tauschten sich auf dem virtuellen "Handelsblatt Energiegipfel" Vertreter aus Industrie und Politk aus.
Auf den ersten Blick scheinen die Weichen für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff in Deutschland gut gestellt: Beispielsweise sieht die Politik die EEG-Umlagen-Befreiung des grünen Wasserstoffs vor. Für Uniper-CEO Andreas Schierenbeck ist dies jedoch kein Grund für einen "völlig ungebremsten Hochlauf". Zwar sei die Befreiung von der EEG-Umlage ein richtiger Schritt, jedoch müsse sie jedes Jahr neu beantragt werden. Dies stelle Unternehmen, die Investitionen in Millionenhöhe für einen Zeitraum von 30 oder 40 Jahren planen, vor eine schwierige Situation, so Schierenbeck. Zumal es keine Garantie gäbe, ob sie die Befreiung über den gesamten Zeitraum bekommen. 

Auch die Rolle des Wärmemarktes beziehungsweise der Erdgasnetze beim Markthochlauf des Wasserstoffs war ein zentrales Thema der Diskussionsrunde "Wasserstoff als Enabler für den Green Deal?", zu der das Handelsblatt am 13. Januar geladen hatte. In der Tat könne man über den Wärmemarkt durch eine Beimischung des Wasserstoff ins Erdgasnetz schnell zu Dekarbonisierungs-Gewinnen kommen, wie Stefan Kaufmann (CDU), Innovationsbeauftragter des Bundes für grünen Wasserstoff, bestätigte.

Jedoch: "Fakt ist, wir haben die großen Mengen grünen Wasserstoffs noch nicht, die wir überall in der Anwendung brauchen könnten." Die Frage nach der Einbeziehung des Wärmemarkts sei daher noch zu verfrüht. Wie auch Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), betonte, gehe es jetzt erst einmal darum, die großen Mengen an benötigtem grünen Wasserstoffs zu produzieren. "Die erste Aufgabe muss sein, den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv zu beschleunigen", so Müller-Kraenner. 

Grüne Wasserstoffinseln im Verteilnetz nötig

Für Jörg Bergmann, Sprecher der Geschäftsführung der Open Grid Europe (OGE), steht eine Nutzung des Gasnetzes für einen Hochlauf außer Frage: "Mit dem Erdgasnetz haben wir ein Asset, das sukzessive auf Wasserstoff umgestellt werden kann, wenn der regulatorische Rahmen angepasst wird." Der Begriff "Erdgas-Transport" etwa müsse durch "Gastransport" ersetzt werden, so dass Wasserstoff darin subsumiert sei. "Die Wegerechte und die Betriebsgenehmigungen bleiben so erhalten", so Bergmann. Diese Verzögerungen, die insbesondere Übertragungsnetzbetreiber beim Bau neuer Leitungen kennen, ließen sich so vermeiden. "Wir kämen schnell in eine Situation, dem Kunden diskriminierungsfrei ein belastbares Backbone-Netz, bereitstellen zu können." Geschwindigkeit sei wichtig, denn "die Zeit läuft gegen unser CO2-Budget".

Eine Beimischung des Wasserstoffs in Erdgasnetze schloss dagegen Müller-Kraenner von der DUH grundsätzlich aus: "Das hatten wir im übertragenen Fall bereits bei der Biosprit-Quote im Verkehrssektor, was aber genauso kontraproduktiv gewesen ist." Zudem: "Wasserstoff ist ein sehr hochwertiger Energieträger. Er sollte separat dorthin transportiert werden, wo er am dringendsten gebraucht wird", so Müller-Kraenner mit Blick auf die energieintensive Stahl- und Chemieindustrie. Dort gäbe es bereits Inselnetze für Wasserstoff. Den dort in Hochtemperaturprozessen eingesetzten grauen Wasserstoff sollte durch grünen Wasserstoff ersetzt werden, um so grüne Wasserstoffinseln im Verteilnetz zu schaffen. Diese könne man dann Schritt für Schritt erweitern.

Blauer oder grüner Wasserstoff?

Auch in der Farbe des Wasserstoffs, also aus welchen Energiequellen dieser hergestellt wird, waren sich die Anwesenden uneins: Für Farboffenheit gerade in der Hochlaufphase plädierten Andreas Schierenbeck (Uniper) und Jörg Bergmann (OGE). "Hier geht es nicht um Ideologie oder Dogmatismus, sondern um CO2-Einsparung", betonte Bergmann.

Alle Wasserstoffmengen, die CO2-neutral oder sehr CO2-arm produziert werden können, sollten genutzt werden. "Auf der Nachfrageseite sehen wir einen erheblichen Druck.", so Bergmann. Auch blauer Wasserstoff, der aus Erdgas gewonnen wird und bei dem anfallendes CO2 im Boden eingelagert werden soll, müsse daher im Hochlauf eine Rolle spielen. "Wenn der CO2-Anteil nicht austritt, dann haben wir auch hier einen Effekt", so Schierenbeck mit Blick auf die CO2-Bilanz. Als Übergangslösung sei blauer Wasserstoff daher tragbar.

"Ausgesprochen skeptisch" zeigt sich dagegen Müller-Kraenner gegenüber blauem Wasserstoff. Für ihn sei dieser nur eine "Verlängerung fossiler Geschäftsmodelle". 

Auch die Notwendigkeit von Technologiepartnerschaften wurden in der Runde angesprochen. Auf die Frage, ob eine Partnerschaft mit einem Land, das tausende Kilometer entfernt ist, angesichts der Transportkosten sinnvoll sei, antwortete Kaufmann: "Für die großen Mengen, die wir perspektivisch bis 2050 brauchen, werden wir uns auch über Europa hinaus um Partnerschaften kümmern müssen." Unter anderem nannte er Afrika als möglichen Partner. Gerade auf dem afrikanischen Kontinent gäbe es große Chancen für eine eigene Wertschöpfungskette.

Donnerstag, 14.01.2021, 15:01 Uhr
Davina Spohn

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