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Energie & Management > Klimaschutz - Wann ist Wasserstoff grün?
Quelle: Fotolia / PhotographyByMK
Klimaschutz

Wann ist Wasserstoff grün?

Die EU-Kommission hat zwei Verordnungen zur Definition von grünem Wasserstoff und nachhaltigen Kraftstoffen „nicht-biologischen Ursprungs“ (RFNBO) vorgelegt.
Grüner Wasserstoff und synthetisch erzeugte Kraftstoffe sollen nach den Vorstellungen der EU-Kommission die bisher genutzten fossilen Brenn- und Kraftstoffe ersetzen. Die Nutzung von „grünem“ Wasserstoff oder Ammoniak, die mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden, sowie daraus hergestellten Derivaten sollen die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft und von Teilen des Transportsektors beschleunigen und die EU unabhängig von russischem Erdgas machen.

Bislang können nur RFNBO (Renewable Fuels of Non Biological Origin, Erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs), die im Verkehrsbereich eingesetzt werden, auf die Klimaziele der EU angerechnet werden. Mit einer Neufassung der Erneuerbaren Energien Richtlinie (RED) soll sichergestellt werden, dass dies auch in allen anderen Sektoren der Fall ist. Über eine entsprechende Ergänzung der RED wird gegenwärtig zwischen dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat verhandelt.

Unklar war bislang, welche Voraussetzungen in der EU erzeugter oder eingeführter Wasserstoff und andere RFNBO erfüllen müssen, um als nachhaltig anerkannt zu werden. Der Verhandlungsführer des Parlamentes, Markus Pieper (CDU), hatte die Verhandlungen deswegen in der letzten Woche ausgesetzt und die Kommission aufgefordert, die Kriterien für die RFNBO vorzulegen. Dieser Aufforderung ist die Kommission jetzt nachgekommen.

Produktion des Grünstroms zeitnah und im selben Gebiet

Danach dürfen grüner Wasserstoff und andere erneuerbare Brenn- und Kraftstoffe nur aus zusätzlichem Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden, der zeitgleich und im selben Gebiet produziert wird. Das ist dann der Fall, wenn beispielsweise eine Elektrolyseanlage zur Wasserstoffproduktion direkt mit einem Windrad oder einer PV-Anlage verbunden ist, die höchstens 36 Monate vor der Inbetriebnahme der Elektrolyseanlage errichtet wurde. Wird die Elektrolyse mit Strom aus dem Netz betrieben muss sichergestellt sein, dass der grüne Strom in der gleichen Bieterzone erzeugt wird oder in einer Off-Shore-Anlage, die mit der Bieterzone verbunden ist. In der Bieterzone muss der Anteil der erneuerbare Energien im Jahr davor mehr als 90 Prozent betragen und die Betriebsstunden des Elektrolyseurs dürfen bestimmte Obergrenzen nicht überschreiten.

Alternativ kann grüner Wasserstoff mit Strom aus dem Netz erzeugt werden, wenn die Emissionsintensität der Stromproduktion in der betreffenden Bieterzone 18 Gramm CO2/MJ nicht übersteigt und der Betreiber des Elektrolyseurs feste Lieferverträge (PPA: power purchase agreements) mit den Anbietern von grünem Strom abgeschlossen hat.

In den ersten Jahren müssen die Betreiber der Elektrolyseure nur nachweisen, dass in ihrer Bieterzone monatlich soviel Grünstrom erzeugt wird wie sie für die Wasserstoffproduktion benötigen. Diese Anforderung soll schrittweise verschärft werden, so dass nach 2030 der Abgleich auf Stundenbasis erfolgen soll. Die Mitgliedsstaaten können den stündlichen Abgleich auch schon früher einführen.

Grundsätzlich wird der Einsatz von RFNBO nur dann auf das EU-Ziel für erneuerbare Energien angerechnet, wenn dadurch mindestens 70 Prozent der Treibhausgase im Vergleich zur Verwendung fossiler Brennstoffe eingespart werden. Die genauen Methoden zur Berechnung der Emissionseinsparung werden in einer zweiten Verordnung festgelegt, die die Kommission ebenfalls am 13. Februar vorgelegt hat. Das Europäische Parlament und der Ministerrat können zwei Monate lang Widerspruch gegen beide Verordnungen vorlegen. Geschieht das nicht, treten sie automatisch in Kraft.

Mindestens 10 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff im Jahr 2030

Die Kommission geht davon aus, dass die EU 2030 mindestens 10 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff erzeugen und noch einmal die gleiche Menge einführen muss, um die Ziele ihres Programms REPowerEU zu erreichen. Dafür würden 500 – 550 TWh grüner Strom benötigt, etwa 14 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in der EU. Bis 2025 sollen Elektrolyseure mit einer Leistung von 6.000 MW in der EU gebaut werden. Stand heute: 160 MW.

Mit ihrer vergleichsweise restriktiven Definition will die Kommission erreichen, dass die Erzeugung von grünem Wasserstoff nicht in den Zeiten erfolgt, in denen Strom aus erneuerbaren Quellen knapp ist. Der Vorschlag gebe den Erzeugern „die Möglichkeit nachzuweisen, dass Wasserstoff erneuerbar ist, wenn sie dafür sorgen, dass sie zusätzlichen Strom erzeugen“, heißt es zur Begründung. Diese Möglichkeit böten zum Beispiel Strombezugsverträge mit Erzeugern von grünem Strom. Die Kriterien gelten auch für importierte RFNBO. Importeure müssen entsprechende Bescheinigungen aus Zertifizierungssystemen vorlegen, die von der EU-Kommission anerkannt sind. Sie sollen außerdem als Orientierungshilfe bei der Genehmigung nationaler und europäischer Fördermittel dienen.

Der EVP-Berichterstatter für erneuerbare Energien, Markus Pieper, sagte am Nachmittag in Straßburg, die Kommission habe einen pragmatischen Vorschlag vorgelegt: „Bei Windflaute haben die Produzenten von Wasserstoff die Möglichkeit, den notwendigen Strom aus dem Netz zu beziehen. Das bietet der jungen Wasserstoffwirtschaft Planungssicherheit.“ Die Regeln würden mit der Zeit an die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff angepasst. Pieper und der energiepolitische Sprecher der Grünen, Michael Bloss, kritisierten jedoch, dass grüner Wasserstoff auch mit Atomstrom erzeugt werden dürfe.

Montag, 13.02.2023, 15:42 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Klimaschutz - Wann ist Wasserstoff grün?
Quelle: Fotolia / PhotographyByMK
Klimaschutz
Wann ist Wasserstoff grün?
Die EU-Kommission hat zwei Verordnungen zur Definition von grünem Wasserstoff und nachhaltigen Kraftstoffen „nicht-biologischen Ursprungs“ (RFNBO) vorgelegt.
Grüner Wasserstoff und synthetisch erzeugte Kraftstoffe sollen nach den Vorstellungen der EU-Kommission die bisher genutzten fossilen Brenn- und Kraftstoffe ersetzen. Die Nutzung von „grünem“ Wasserstoff oder Ammoniak, die mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden, sowie daraus hergestellten Derivaten sollen die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft und von Teilen des Transportsektors beschleunigen und die EU unabhängig von russischem Erdgas machen.

Bislang können nur RFNBO (Renewable Fuels of Non Biological Origin, Erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs), die im Verkehrsbereich eingesetzt werden, auf die Klimaziele der EU angerechnet werden. Mit einer Neufassung der Erneuerbaren Energien Richtlinie (RED) soll sichergestellt werden, dass dies auch in allen anderen Sektoren der Fall ist. Über eine entsprechende Ergänzung der RED wird gegenwärtig zwischen dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat verhandelt.

Unklar war bislang, welche Voraussetzungen in der EU erzeugter oder eingeführter Wasserstoff und andere RFNBO erfüllen müssen, um als nachhaltig anerkannt zu werden. Der Verhandlungsführer des Parlamentes, Markus Pieper (CDU), hatte die Verhandlungen deswegen in der letzten Woche ausgesetzt und die Kommission aufgefordert, die Kriterien für die RFNBO vorzulegen. Dieser Aufforderung ist die Kommission jetzt nachgekommen.

Produktion des Grünstroms zeitnah und im selben Gebiet

Danach dürfen grüner Wasserstoff und andere erneuerbare Brenn- und Kraftstoffe nur aus zusätzlichem Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden, der zeitgleich und im selben Gebiet produziert wird. Das ist dann der Fall, wenn beispielsweise eine Elektrolyseanlage zur Wasserstoffproduktion direkt mit einem Windrad oder einer PV-Anlage verbunden ist, die höchstens 36 Monate vor der Inbetriebnahme der Elektrolyseanlage errichtet wurde. Wird die Elektrolyse mit Strom aus dem Netz betrieben muss sichergestellt sein, dass der grüne Strom in der gleichen Bieterzone erzeugt wird oder in einer Off-Shore-Anlage, die mit der Bieterzone verbunden ist. In der Bieterzone muss der Anteil der erneuerbare Energien im Jahr davor mehr als 90 Prozent betragen und die Betriebsstunden des Elektrolyseurs dürfen bestimmte Obergrenzen nicht überschreiten.

Alternativ kann grüner Wasserstoff mit Strom aus dem Netz erzeugt werden, wenn die Emissionsintensität der Stromproduktion in der betreffenden Bieterzone 18 Gramm CO2/MJ nicht übersteigt und der Betreiber des Elektrolyseurs feste Lieferverträge (PPA: power purchase agreements) mit den Anbietern von grünem Strom abgeschlossen hat.

In den ersten Jahren müssen die Betreiber der Elektrolyseure nur nachweisen, dass in ihrer Bieterzone monatlich soviel Grünstrom erzeugt wird wie sie für die Wasserstoffproduktion benötigen. Diese Anforderung soll schrittweise verschärft werden, so dass nach 2030 der Abgleich auf Stundenbasis erfolgen soll. Die Mitgliedsstaaten können den stündlichen Abgleich auch schon früher einführen.

Grundsätzlich wird der Einsatz von RFNBO nur dann auf das EU-Ziel für erneuerbare Energien angerechnet, wenn dadurch mindestens 70 Prozent der Treibhausgase im Vergleich zur Verwendung fossiler Brennstoffe eingespart werden. Die genauen Methoden zur Berechnung der Emissionseinsparung werden in einer zweiten Verordnung festgelegt, die die Kommission ebenfalls am 13. Februar vorgelegt hat. Das Europäische Parlament und der Ministerrat können zwei Monate lang Widerspruch gegen beide Verordnungen vorlegen. Geschieht das nicht, treten sie automatisch in Kraft.

Mindestens 10 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff im Jahr 2030

Die Kommission geht davon aus, dass die EU 2030 mindestens 10 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff erzeugen und noch einmal die gleiche Menge einführen muss, um die Ziele ihres Programms REPowerEU zu erreichen. Dafür würden 500 – 550 TWh grüner Strom benötigt, etwa 14 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in der EU. Bis 2025 sollen Elektrolyseure mit einer Leistung von 6.000 MW in der EU gebaut werden. Stand heute: 160 MW.

Mit ihrer vergleichsweise restriktiven Definition will die Kommission erreichen, dass die Erzeugung von grünem Wasserstoff nicht in den Zeiten erfolgt, in denen Strom aus erneuerbaren Quellen knapp ist. Der Vorschlag gebe den Erzeugern „die Möglichkeit nachzuweisen, dass Wasserstoff erneuerbar ist, wenn sie dafür sorgen, dass sie zusätzlichen Strom erzeugen“, heißt es zur Begründung. Diese Möglichkeit böten zum Beispiel Strombezugsverträge mit Erzeugern von grünem Strom. Die Kriterien gelten auch für importierte RFNBO. Importeure müssen entsprechende Bescheinigungen aus Zertifizierungssystemen vorlegen, die von der EU-Kommission anerkannt sind. Sie sollen außerdem als Orientierungshilfe bei der Genehmigung nationaler und europäischer Fördermittel dienen.

Der EVP-Berichterstatter für erneuerbare Energien, Markus Pieper, sagte am Nachmittag in Straßburg, die Kommission habe einen pragmatischen Vorschlag vorgelegt: „Bei Windflaute haben die Produzenten von Wasserstoff die Möglichkeit, den notwendigen Strom aus dem Netz zu beziehen. Das bietet der jungen Wasserstoffwirtschaft Planungssicherheit.“ Die Regeln würden mit der Zeit an die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff angepasst. Pieper und der energiepolitische Sprecher der Grünen, Michael Bloss, kritisierten jedoch, dass grüner Wasserstoff auch mit Atomstrom erzeugt werden dürfe.

Montag, 13.02.2023, 15:42 Uhr
Tom Weingärtner

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