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Energie & Management > Recht - Wackelnummer bei Gastarifen?
Quelle: Fotolia / vege
Recht

Wackelnummer bei Gastarifen?

Zahlreiche Grundversorger haben für Neukunden separate Tarife eingeführt. Und das guten Glaubens. Doch selbst der Bundesnetzagentur ist die Rechtslage noch nicht klar.
Energie-Discounter in Schieflage, Verbraucher ohne Liefervertrag: Infolge der extremen Entwicklung an den Beschaffungsmärkten rutschen mehr Gas-Kunden und die Ersatzversorgung. Und diese Neukunden bereiten so manchem Grundversorger, der zunächst per Ersatzversorgungstarif nahtlos in die Bresche springen muss, Kopfzerbrechen. Das Vergleichsportal Verivox schätzt, dass „ungefähr jeder zehnte Anbieter“ den Gastarif in der Grundversorgung für Neukunden gesplittet hat.

So festgeschrieben diese separaten Tarife sind, so wackelig erscheint noch die Rechtslage. Selbst auf hoher Ebene ist man nicht sicher, ob diese Praxis zulässig ist. Außer Frage stehe, dass es grundsätzlich innerhalb der „Allgemeinen Preise“ mehr als einen Tarif geben kann, teilt die Bundesnetzagentur mit und veweist auf Paragraf 36 des Energiewirtschaftsgesetzes. Auf dieser Grundlage werden in der Praxis abhängig von Verbrauch oder Messung etwa Heizkunden andere Preise angeboten. Ob eine Differenzierung nach Zeitpunkt des Eintritts eines Kunden in die Grundversorgung – also zwischen Bestands- und Neukunden – zulässig ist, „befindet sich derzeit in rechtlicher Prüfung“, so die Behörde.

Verbraucherzentralen: unzulässig

Ginge es nach Verbraucherschützern, könnten sich die Juristen der Bundesnetzagentur diese Überlegungen sparen. Von Neukunden in der Grundversorgung höhere Preise zu verlangen, sei „systemwidrig und daher unzulässig“, meint die Verbraucherzentrale (VZ) Rheinland-Pfalz. „Ein solches Vorgehen konterkariert deutlich den Sinn und Zweck der Grundversorgung“, sagt Fabian Fehrenbach, Referent Energierecht bei der VZ.

Auch Holger Schneidewindt, Jurist bei der VZ Nordrhein-Westfalen, sieht die Versorger auf unsicherem Terrain. Er schließt nicht aus, dass bald erste Klagen bei Gericht eingehen und Energieanbieter dann die „Hosen herunterlassen müssen“. Fraglich sei. ob eine eine „kritische Anzahl an Neukunden“ erreicht wird, um den neuen Tarif zu rechtfertigen. „50 oder 100 Kunden reichen dafür nicht aus“. Es könne nicht sein, dass Bestandskundinnen und Bestandskunden „einen Top-Tarif haben, während Neukunden tief in Tasche greifen müssen“, moniert Schneidewindt. Die Praxis sei nicht nur juristisch fragwürdig, sondern habe „politisch-gesellschaftliche“ Dimension.

Wie brisant das Thema ist, zeigt möglicherweise auch die Antwort einer einschlägigen Fachkanzlei der Energiebranche, die E&M nach einer Einschätzung der Rechtslage gefragt hat. „ Aktuell möchten wir uns hierzu aber nicht äußern“, teilt Becker Büttner Held (BBH) aus Berlin mit.

Die Gas-Grundversorgung hat sich in den zurückliegenden Monaten deutlich verteuert. Verivox verzeichnet für Juli 2021 bis Februar 2022 ingesamt 634 Versorger, die die Preise angehoben haben. Im Schnitt um gut 21 %, in der Spitze um 142 %.

Mittwoch, 22.12.2021, 17:38 Uhr
Manfred Fischer
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Wackelnummer bei Gastarifen?
Zahlreiche Grundversorger haben für Neukunden separate Tarife eingeführt. Und das guten Glaubens. Doch selbst der Bundesnetzagentur ist die Rechtslage noch nicht klar.
Energie-Discounter in Schieflage, Verbraucher ohne Liefervertrag: Infolge der extremen Entwicklung an den Beschaffungsmärkten rutschen mehr Gas-Kunden und die Ersatzversorgung. Und diese Neukunden bereiten so manchem Grundversorger, der zunächst per Ersatzversorgungstarif nahtlos in die Bresche springen muss, Kopfzerbrechen. Das Vergleichsportal Verivox schätzt, dass „ungefähr jeder zehnte Anbieter“ den Gastarif in der Grundversorgung für Neukunden gesplittet hat.

So festgeschrieben diese separaten Tarife sind, so wackelig erscheint noch die Rechtslage. Selbst auf hoher Ebene ist man nicht sicher, ob diese Praxis zulässig ist. Außer Frage stehe, dass es grundsätzlich innerhalb der „Allgemeinen Preise“ mehr als einen Tarif geben kann, teilt die Bundesnetzagentur mit und veweist auf Paragraf 36 des Energiewirtschaftsgesetzes. Auf dieser Grundlage werden in der Praxis abhängig von Verbrauch oder Messung etwa Heizkunden andere Preise angeboten. Ob eine Differenzierung nach Zeitpunkt des Eintritts eines Kunden in die Grundversorgung – also zwischen Bestands- und Neukunden – zulässig ist, „befindet sich derzeit in rechtlicher Prüfung“, so die Behörde.

Verbraucherzentralen: unzulässig

Ginge es nach Verbraucherschützern, könnten sich die Juristen der Bundesnetzagentur diese Überlegungen sparen. Von Neukunden in der Grundversorgung höhere Preise zu verlangen, sei „systemwidrig und daher unzulässig“, meint die Verbraucherzentrale (VZ) Rheinland-Pfalz. „Ein solches Vorgehen konterkariert deutlich den Sinn und Zweck der Grundversorgung“, sagt Fabian Fehrenbach, Referent Energierecht bei der VZ.

Auch Holger Schneidewindt, Jurist bei der VZ Nordrhein-Westfalen, sieht die Versorger auf unsicherem Terrain. Er schließt nicht aus, dass bald erste Klagen bei Gericht eingehen und Energieanbieter dann die „Hosen herunterlassen müssen“. Fraglich sei. ob eine eine „kritische Anzahl an Neukunden“ erreicht wird, um den neuen Tarif zu rechtfertigen. „50 oder 100 Kunden reichen dafür nicht aus“. Es könne nicht sein, dass Bestandskundinnen und Bestandskunden „einen Top-Tarif haben, während Neukunden tief in Tasche greifen müssen“, moniert Schneidewindt. Die Praxis sei nicht nur juristisch fragwürdig, sondern habe „politisch-gesellschaftliche“ Dimension.

Wie brisant das Thema ist, zeigt möglicherweise auch die Antwort einer einschlägigen Fachkanzlei der Energiebranche, die E&M nach einer Einschätzung der Rechtslage gefragt hat. „ Aktuell möchten wir uns hierzu aber nicht äußern“, teilt Becker Büttner Held (BBH) aus Berlin mit.

Die Gas-Grundversorgung hat sich in den zurückliegenden Monaten deutlich verteuert. Verivox verzeichnet für Juli 2021 bis Februar 2022 ingesamt 634 Versorger, die die Preise angehoben haben. Im Schnitt um gut 21 %, in der Spitze um 142 %.

Mittwoch, 22.12.2021, 17:38 Uhr
Manfred Fischer

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