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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: Fotolia / Photo-K
E&M Vor 20 Jahren

"Vorlieferanten haben schon Drohungen ausgesprochen"

Im erst kürzlich liberalisierten Energiemarkt gab es 2001 für neue Anbieter und Dienstleister noch hohe Eintrittshürden, denn die großen Verbundunternehmen wehrten sich nach Kräften.
Portfoliomanagement war Anfang der 2000er-Jahre eine vielversprechende Perspektive in der Energiewirtschaft – als neues Geschäftsfeld für Dienstleister und als Beschaffungsstrategie für Weiterverteiler und Industriekunden. Wesentliche Elemente in der Strategie beider Seiten waren das Risikomanagement über Termingeschäfte und die kurzfristige Optimierung der Beschaffungsmengen. Deshalb bemühten sich viele Unternehmen zu dieser Zeit um einen Zugang zu den beiden Börsen, die es 2001 noch in Deutschland gab. Die LPX in Leipzig war mit einem physischen Day-Ahead-Handel gestartet, während die EEX in Frankfurt mit Terminkontrakten den Markt eröffnet hatte.
 
Mit Petro Carbo Chem (PCC) aus Duisburg war 2001 ein Unternehmen am Markt, das mit seinem Portfoliomanagement gegen die etablierten Energieversorger antrat und später auch Filialisten, wie beispielsweise die Tengelmann-Gruppe, belieferte. Mittlerweile hat das Unternehmen seine Energie-Aktivitäten auf die Projektierung und den Betrieb von Kleinwasserkraftwerken in Südosteuropa und die konventionelle Energieerzeugung in Polen beschränkt.
 
Vor 20 Jahren sprach E&M-Redakteur Fritz Wilhelm mit Marc Ehry, dem damaligen Leiter Business Development von PCC, über die Schwierigkeiten, den angestammten Versorgern das Feld streitig zu machen.
 
Marc Ehry (hier ein Bild von 2008): "Mittel- und langfristig wird unser Ansatz Früchte tragen"
Quelle: PCC Energie GmbH

E&M: Herr Ehry, wie wollen Sie denn einem Industrieunternehmen oder kleinen Stadtwerk Ihr Portfoliomanagement schmackhaft machen, wenn diese von den großen Verbundunternehmen unverschämt günstige Vollversorgungsangebote bekommen?
 
Ehry: Das ist eine große Herausforderung. Wir geben uns auch gar keinen Illusionen hin, dass wir schon kurzfristig riesige Mengen unter Vertrag haben werden. Mittel- und langfristig wird unser Ansatz allerdings Früchte tragen. Und wer sagt eigentlich, dass die großen Verbundunternehmen noch unverschämt günstige Vollversorgungsangebote machen? Wir haben hier ganz andere Erfahrungen gemacht. Viele Stadtwerke haben noch langlaufende Verträge, die zum Teil schon vor der Liberalisierung abgeschlossen wurden.
 
„Es liegt natürlich nahe, nach einer gerichtlichen Prüfung zu verlangen“
 
E&M: Und wenn ein neuer Anbieter kommt, werden sie angepasst und gesenkt.
 
Ehry: In einigen Fällen haben Vorlieferanten aber auch schon Drohungen ausgesprochen, für den Rest der Laufzeit die Verträge in ihrer ursprünglichen Form wieder aufleben zu lassen – mit den anfänglichen hohen Preisen. Die Vorlieferanten haben viele Möglichkeiten, ihre Kunden an sich zu binden.
 
E&M: Auch solche am Rande der Legalität?
 
Ehry: Das kann man nicht pauschal sagen. In bestimmten Fällen fragt man sich aber schon, warum man nicht zum Zuge kommt, wenn doch alle Angebotselemente einschließlich des Preises passen. Dann liegt es natürlich nahe, nach einer gerichtlichen Prüfung zu verlangen.
 
E&M: Wer also zurzeit Portfoliomanagement anbietet, macht das, um Flagge zu zeigen und nicht so sehr wegen des großen Geldes.
 
Ehry: Im Moment schon. Denn viele Industrieunternehmen und Stadtwerke sind noch gar nicht gezwungen, ein Portfolio aufzubauen. Erst wenn die bestehenden Verträge, die zum Teil noch bis 2003 und 2004 gelten, abgelaufen sind, steht das Portfoliomanagement zur Debatte. Im Moment befindet sich die Branche noch in einer Lern- und Trainingsphase. Aber es ist sehr wichtig, sich mit dem Thema jetzt schon zu beschäftigen, denn es ist sehr komplex. Wer lange zögert, wird den Anschluss schnell verloren haben.
 
„Viele Industrieunternehmen und Stadtwerke sind noch gar nicht gezwungen, ein Portfolio aufzubauen“

E&M: An den Strombörsen wurde bisher auch mehr geübt als gehandelt.
 
Ehry: Im Grunde stimmt das, auch wenn die Ergebnisse der LPX und der EEX den Markt in der Regel recht gut abbilden. Aber die Musik spielt im Moment vor allem am OTC-Markt. Dort kann allerdings nicht jeder mitspielen, denn das Risikomanagement eines OTC-Händlers ist sehr aufwändig.
 
E&M: Inwiefern?
 
Ehry: Wer die Chancen des OTC-Handels richtig nutzen möchte, braucht möglichst viele Handelsteilnehmer. Da die Abwicklungssicherheit einer Börse fehlt, müssen alle Handelspartner nach ihrer Kreditwürdigkeit bewertet und überwacht werden. Für die großen Handelshäuser und -abteilungen ist das kein Problem. Für ein kleines Stadtwerk schon. Eine solche Situation fördert aber natürlich nicht gerade die Markttransparenz.
 
E&M: Und wer einen komfortablen Vollversorgungsvertrag hat, braucht sich auch an der Börse nicht einzudecken.
 
Ehry: Das stimmt. Insofern leidet die Markttransparenz ein zweites Mal. Gerade ein öffentlicher Börsenpreis hat eine weitreichende Signalwirkung. Dazu müssen aber genügend Handelsteilnehmer und ein ausreichend hohes Handelsvolumen dahinter stehen.
 
E&M: Was bedeutet „ausreichend“?
 
Ehry: Wenn durch die Fusion der EEX mit der LPX die Liquidität gebündelt wird und zu einem Handelsvolumen von etwa 100 GWh führt, haben wir ein ausreichendes Volumen. Zufriedenstellend oder gar gut ist es aber erst, wenn es einen zweistelligen Anteil am Gesamtmarkt erreicht.

Freitag, 3.12.2021, 13:23 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: Fotolia / Photo-K
E&M Vor 20 Jahren
"Vorlieferanten haben schon Drohungen ausgesprochen"
Im erst kürzlich liberalisierten Energiemarkt gab es 2001 für neue Anbieter und Dienstleister noch hohe Eintrittshürden, denn die großen Verbundunternehmen wehrten sich nach Kräften.
Portfoliomanagement war Anfang der 2000er-Jahre eine vielversprechende Perspektive in der Energiewirtschaft – als neues Geschäftsfeld für Dienstleister und als Beschaffungsstrategie für Weiterverteiler und Industriekunden. Wesentliche Elemente in der Strategie beider Seiten waren das Risikomanagement über Termingeschäfte und die kurzfristige Optimierung der Beschaffungsmengen. Deshalb bemühten sich viele Unternehmen zu dieser Zeit um einen Zugang zu den beiden Börsen, die es 2001 noch in Deutschland gab. Die LPX in Leipzig war mit einem physischen Day-Ahead-Handel gestartet, während die EEX in Frankfurt mit Terminkontrakten den Markt eröffnet hatte.
 
Mit Petro Carbo Chem (PCC) aus Duisburg war 2001 ein Unternehmen am Markt, das mit seinem Portfoliomanagement gegen die etablierten Energieversorger antrat und später auch Filialisten, wie beispielsweise die Tengelmann-Gruppe, belieferte. Mittlerweile hat das Unternehmen seine Energie-Aktivitäten auf die Projektierung und den Betrieb von Kleinwasserkraftwerken in Südosteuropa und die konventionelle Energieerzeugung in Polen beschränkt.
 
Vor 20 Jahren sprach E&M-Redakteur Fritz Wilhelm mit Marc Ehry, dem damaligen Leiter Business Development von PCC, über die Schwierigkeiten, den angestammten Versorgern das Feld streitig zu machen.
 
Marc Ehry (hier ein Bild von 2008): "Mittel- und langfristig wird unser Ansatz Früchte tragen"
Quelle: PCC Energie GmbH

E&M: Herr Ehry, wie wollen Sie denn einem Industrieunternehmen oder kleinen Stadtwerk Ihr Portfoliomanagement schmackhaft machen, wenn diese von den großen Verbundunternehmen unverschämt günstige Vollversorgungsangebote bekommen?
 
Ehry: Das ist eine große Herausforderung. Wir geben uns auch gar keinen Illusionen hin, dass wir schon kurzfristig riesige Mengen unter Vertrag haben werden. Mittel- und langfristig wird unser Ansatz allerdings Früchte tragen. Und wer sagt eigentlich, dass die großen Verbundunternehmen noch unverschämt günstige Vollversorgungsangebote machen? Wir haben hier ganz andere Erfahrungen gemacht. Viele Stadtwerke haben noch langlaufende Verträge, die zum Teil schon vor der Liberalisierung abgeschlossen wurden.
 
„Es liegt natürlich nahe, nach einer gerichtlichen Prüfung zu verlangen“
 
E&M: Und wenn ein neuer Anbieter kommt, werden sie angepasst und gesenkt.
 
Ehry: In einigen Fällen haben Vorlieferanten aber auch schon Drohungen ausgesprochen, für den Rest der Laufzeit die Verträge in ihrer ursprünglichen Form wieder aufleben zu lassen – mit den anfänglichen hohen Preisen. Die Vorlieferanten haben viele Möglichkeiten, ihre Kunden an sich zu binden.
 
E&M: Auch solche am Rande der Legalität?
 
Ehry: Das kann man nicht pauschal sagen. In bestimmten Fällen fragt man sich aber schon, warum man nicht zum Zuge kommt, wenn doch alle Angebotselemente einschließlich des Preises passen. Dann liegt es natürlich nahe, nach einer gerichtlichen Prüfung zu verlangen.
 
E&M: Wer also zurzeit Portfoliomanagement anbietet, macht das, um Flagge zu zeigen und nicht so sehr wegen des großen Geldes.
 
Ehry: Im Moment schon. Denn viele Industrieunternehmen und Stadtwerke sind noch gar nicht gezwungen, ein Portfolio aufzubauen. Erst wenn die bestehenden Verträge, die zum Teil noch bis 2003 und 2004 gelten, abgelaufen sind, steht das Portfoliomanagement zur Debatte. Im Moment befindet sich die Branche noch in einer Lern- und Trainingsphase. Aber es ist sehr wichtig, sich mit dem Thema jetzt schon zu beschäftigen, denn es ist sehr komplex. Wer lange zögert, wird den Anschluss schnell verloren haben.
 
„Viele Industrieunternehmen und Stadtwerke sind noch gar nicht gezwungen, ein Portfolio aufzubauen“

E&M: An den Strombörsen wurde bisher auch mehr geübt als gehandelt.
 
Ehry: Im Grunde stimmt das, auch wenn die Ergebnisse der LPX und der EEX den Markt in der Regel recht gut abbilden. Aber die Musik spielt im Moment vor allem am OTC-Markt. Dort kann allerdings nicht jeder mitspielen, denn das Risikomanagement eines OTC-Händlers ist sehr aufwändig.
 
E&M: Inwiefern?
 
Ehry: Wer die Chancen des OTC-Handels richtig nutzen möchte, braucht möglichst viele Handelsteilnehmer. Da die Abwicklungssicherheit einer Börse fehlt, müssen alle Handelspartner nach ihrer Kreditwürdigkeit bewertet und überwacht werden. Für die großen Handelshäuser und -abteilungen ist das kein Problem. Für ein kleines Stadtwerk schon. Eine solche Situation fördert aber natürlich nicht gerade die Markttransparenz.
 
E&M: Und wer einen komfortablen Vollversorgungsvertrag hat, braucht sich auch an der Börse nicht einzudecken.
 
Ehry: Das stimmt. Insofern leidet die Markttransparenz ein zweites Mal. Gerade ein öffentlicher Börsenpreis hat eine weitreichende Signalwirkung. Dazu müssen aber genügend Handelsteilnehmer und ein ausreichend hohes Handelsvolumen dahinter stehen.
 
E&M: Was bedeutet „ausreichend“?
 
Ehry: Wenn durch die Fusion der EEX mit der LPX die Liquidität gebündelt wird und zu einem Handelsvolumen von etwa 100 GWh führt, haben wir ein ausreichendes Volumen. Zufriedenstellend oder gar gut ist es aber erst, wenn es einen zweistelligen Anteil am Gesamtmarkt erreicht.

Freitag, 3.12.2021, 13:23 Uhr
Fritz Wilhelm

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