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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Voll auf die Versorger
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

Voll auf die Versorger

Die Preisbremsen sind in Kraft. Energieversorger ächzen über den Aufwand, den die Gesetze verursachen.
Dass Serienbriefe mal so viel Arbeit bedeuten, wäre Florian Henle nicht im Traum eingefallen − bis die Preisbremsengesetze kamen. „Wir haben ungefähr 20 unterschiedliche Kundenschreiben erstellen müssen“, berichtet der Geschäftsführer des Ökoenergieanbieters Polarstern. Und auch wenn man sich noch so viel Mühe gebe, verstünden viele Kunden nicht, was darin steht. „Wir haben es anfangs ja selber teilweise nicht kapiert“, sagt er über die neuen Vorgaben. 

Ob Strom, Gas, Wärme − die staatliche Kostenentlastung betrifft die allermeisten Tarife des Münchner Unternehmens. Die Anpassung der Geschäftsprozesse und IT, um den nach Henles Worten „Rattenschwanz der Preisbremsengesetze abzubilden“, hat den Versorger in den vergangenen Wochen fast am Rad drehen lassen. „Hier sind alle heiß gelaufen.“ Bis zuletzt habe man etwa gerätselt, wie sich die Entlastung für Kunden, die den Lieferanten wechseln, ermitteln lassen soll, „Edifact liefert die Daten dafür nicht“.

Welche Kosten das staatliche Bremsmanöver dem Unternehmen verursacht, kann der Polarstern-Chef noch nicht absehen. Quantifizieren kann er die Mehrarbeit. Von der Rechtsabteilung bis zum Marketing und Kundenservice − „bei den Leuten, die sich damit beschäftigen, sind das sicher 20 bis 30 Prozent on top“. Florian Henle stellt die Preisbremsengesetze nicht grundsätzlich in Frage, doch in der Komplexität und mit der kurzen Frist für deren Umsetzung sieht er sie als „Raubbau“ an der Branche.

„Das Ansinnen, Verbraucher zu entlasten, ist gut“

Auch Steffen Arta findet die Überlegungen der Politik im Grunde richtig. „Das Ansinnen, Verbraucher zu entlasten, ist gut“, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke Dreieich. Er erinnert an die Gelbwesten-Proteste in Frankreich gegen hohe Diesel- und Benzinpreise. Die Preisbremsen, moniert Arta, seien aber „ohne Weitblick auf den Vollzug“ gesetzlich festgeschrieben worden. „Die Regierung wälzt jegliche Verantwortung für die Umsetzung auf die Energielieferanten ab, für uns ist die Situation insgesamt extrem unbefriedigend“, sagt er.

Dabei liegt die große Mehrzahl der Kundentarife in Dreieich unter den Werten, ab denen die Preisbremsen greifen. Haushaltskunden zahlen für Strom allesamt geringere Arbeitspreise als 40 Ct/kWh. Knifflig geworden sind für das Unternehmen Stromrechnungen von Geschäftskunden: Ab Jahresverbräuchen von 30.000 kWh deckelt der Gesetzgeber den Preis nicht bei 40 Cent brutto, ab dieser „magischen Verbrauchsgrenze“, wie es Arta formuliert, setzt die Bremse bei 13 Cent netto des reinen Energiepreises an.

„Selbst mit unseren Grundversorgungspreisen, wo wir in Summe brutto unter den 40 Cent sind, sind wir, was den Energieanteil angeht, auch bereits über 13 Cent“, sagt der Stadtwerkechef. Zudem bekommen Wärmekunden die staatliche Entlastung zu spüren. „Bei Gas gehen wir davon aus, dass die Preisbremse sich nicht auswirkt.“

Gleichwohl bleibt es dem hessischen Kommunalversorger nicht erspart, die IT in allen Sparten zu aktualisieren und für jeden Tarifvertrag die neu vorgeschriebenen Daten zu ermitteln. Die Kosten für das Software-Update summieren sich laut Arta auf einen „mittleren fünfstelligen Betrag“. Den personellen Aufwand, bis das ganze Regelwerk umgesetzt ist, beziffert er auf „zwei bis drei Monate“. Kosten, Aufwand und Nutzen sieht er angesichts des geringen Anteils an Kunden, denen die Preisbremsen in Dreieich zugutekommen, in keinem Verhältnis.

Die Stadtwerke Bonn resümieren: „Der wesentliche Aufwandstreiber ist die unscharfe Vorgabe des Gesetzgebers in Unkenntnis der vielfältigen individuellen Kundengegebenheiten.“ Die Anpassungen betreffen dort nahezu alle Strom-, Gas- und Wärmekunden, wie das kommunale Versorgungsunternehmen mitteilt. Stand der Arbeiten an der IT Mitte Februar: „Das Abrechnungssystem wird aktuell weiter ausgeprägt zur korrekten Abrechnung der Vorgaben der Preisbremsen.“ Die gesetzlichen Vorgaben werde man fristgemäß umsetzen und „alle monetären Risiken“ tragen, die damit einhergehen. Die Abwicklung der gesetzlichen Vorgaben werde die Stadtwerke allerdings „die nächsten 24 Monate intensiv fordern“.

Eine „sehr, sehr große Herausforderung“ für IT-Dienstleister

Arne Geiger nennt die Arbeit, die der Gesetzgeber IT-Dienstleistern in der Kürze der Zeit abverlangt, eine „sehr, sehr große Herausforderung“. Die Abrechnungssoftware müsse neu programmiert werden, damit die Verbraucher mit einer Vielzahl unterschiedlicher Tarifausprägungen richtig abgerechnet werden können, erklärt der Leiter Kompetenzteam Vertrieb und Marketing bei der Thüga AG. „Hier kommt es auf die Feinheiten an und der Teufel steckt bekanntlich im Detail.“

Beispielhaft verweist er auf die „Anspruchsgruppe 1“ bei Gas, wo ein Referenzpreis in Höhe von 12 Cent brutto mit dem Entlastungskontingent von 80 Prozent bis zu einem Jahresverbrauch von 1,5 Millionen kWh gilt. „In dieser Gruppe befinden sich auch Gewerbekunden − die Berechnung gilt es brutto darzustellen“, sagt Geiger: „Die Praxis bringt viele Einzelfragen mit sich, die die Branche jetzt lösen muss.“

Insgesamt sei alles mit heißer Nadel gestrickt, so der Experte. Teilweise könne es deshalb aufgrund der notwendigen Umstellung der IT-Prozesse, aufgrund von Personalengpässen und der hohen Auslastung bei Druckdienstleistern zu Verzögerungen beim Versand der Informationsschreiben zum Entlastungsbetrag und zu dem neuen Abschlagsplan kommen.

Gerade auch wegen der aufwendigen Umstellung der IT-Systeme versah der Energieverband BDEW den Starttermin frühzeitig mit einem Fragezeichen. Ein reibungsloser Start der Preisbremsen am 1. März 2023 könne „zum jetzigen Zeitpunkt nicht vollständig garantiert werden“, mahnte er Mitte vergangenen Dezember.

Anfragen in den Kundencentern „drastisch gestiegen“

Anfang Februar teilte der BDEW mit: „Für eine Einschätzung hierzu ist es noch zu früh.“ Täglich meldete sich eine Vielzahl von Energieversorgern bei dem Verband mit Fragen zur Umsetzung, so eine Sprecherin. Aus den Unternehmen höre man, dass die Anzahl der Anfragen in den Kundencentern „zum Teil drastisch gestiegen“ sei.

Alle Unternehmen gingen mit der Preisbremsenumsetzung „personell an die Grenze des Machbaren“. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vermochte im vergangenen Monat ebenfalls keine „belastbare Prognose“ abzugeben, ob der Starttermin überall eingehalten wird. Die Umsetzung erfordere „enorme zusätzliche Ressourcen bei den technischen Dienstleistern“, hieß es. „Die Energieversorger mussten zusätzliche Kapazitäten anfordern − im IT-Sektor generell keine leichte Aufgabe derzeit“, so ein VKU-Sprecher. Oft müssten individuelle Lösungen für die Abrechnungsprogramme der Stadtwerke vor Ort gefunden werden.

Anders als den Energieversorgern räumt der Staat sich selber zusätzliche Zeit bei den Preisbremsengesetzen ein. Als die Bundesregierung ihre Gesetzentwürfe vorgelegte, machte sie keine Angaben zur Höhe der zu erwartenden Kosten für die Unternehmen: „Der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft wird derzeit berechnet. Erste vorläufige Abschätzungen durch das Statistische Bundesamt werden gegenwärtig ausgewertet“, hieß es Ende vergangenen November. Das Ergebnis werde „kurzfristig nachgereicht“. Knapp drei Monate später konnte das BMWK auf Nachfrage von der Redaktion den Aufwand immer noch nicht beziffern.

Mittwoch, 1.03.2023, 09:34 Uhr
Manfred Fischer
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Quelle: E&M
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Voll auf die Versorger
Die Preisbremsen sind in Kraft. Energieversorger ächzen über den Aufwand, den die Gesetze verursachen.
Dass Serienbriefe mal so viel Arbeit bedeuten, wäre Florian Henle nicht im Traum eingefallen − bis die Preisbremsengesetze kamen. „Wir haben ungefähr 20 unterschiedliche Kundenschreiben erstellen müssen“, berichtet der Geschäftsführer des Ökoenergieanbieters Polarstern. Und auch wenn man sich noch so viel Mühe gebe, verstünden viele Kunden nicht, was darin steht. „Wir haben es anfangs ja selber teilweise nicht kapiert“, sagt er über die neuen Vorgaben. 

Ob Strom, Gas, Wärme − die staatliche Kostenentlastung betrifft die allermeisten Tarife des Münchner Unternehmens. Die Anpassung der Geschäftsprozesse und IT, um den nach Henles Worten „Rattenschwanz der Preisbremsengesetze abzubilden“, hat den Versorger in den vergangenen Wochen fast am Rad drehen lassen. „Hier sind alle heiß gelaufen.“ Bis zuletzt habe man etwa gerätselt, wie sich die Entlastung für Kunden, die den Lieferanten wechseln, ermitteln lassen soll, „Edifact liefert die Daten dafür nicht“.

Welche Kosten das staatliche Bremsmanöver dem Unternehmen verursacht, kann der Polarstern-Chef noch nicht absehen. Quantifizieren kann er die Mehrarbeit. Von der Rechtsabteilung bis zum Marketing und Kundenservice − „bei den Leuten, die sich damit beschäftigen, sind das sicher 20 bis 30 Prozent on top“. Florian Henle stellt die Preisbremsengesetze nicht grundsätzlich in Frage, doch in der Komplexität und mit der kurzen Frist für deren Umsetzung sieht er sie als „Raubbau“ an der Branche.

„Das Ansinnen, Verbraucher zu entlasten, ist gut“

Auch Steffen Arta findet die Überlegungen der Politik im Grunde richtig. „Das Ansinnen, Verbraucher zu entlasten, ist gut“, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke Dreieich. Er erinnert an die Gelbwesten-Proteste in Frankreich gegen hohe Diesel- und Benzinpreise. Die Preisbremsen, moniert Arta, seien aber „ohne Weitblick auf den Vollzug“ gesetzlich festgeschrieben worden. „Die Regierung wälzt jegliche Verantwortung für die Umsetzung auf die Energielieferanten ab, für uns ist die Situation insgesamt extrem unbefriedigend“, sagt er.

Dabei liegt die große Mehrzahl der Kundentarife in Dreieich unter den Werten, ab denen die Preisbremsen greifen. Haushaltskunden zahlen für Strom allesamt geringere Arbeitspreise als 40 Ct/kWh. Knifflig geworden sind für das Unternehmen Stromrechnungen von Geschäftskunden: Ab Jahresverbräuchen von 30.000 kWh deckelt der Gesetzgeber den Preis nicht bei 40 Cent brutto, ab dieser „magischen Verbrauchsgrenze“, wie es Arta formuliert, setzt die Bremse bei 13 Cent netto des reinen Energiepreises an.

„Selbst mit unseren Grundversorgungspreisen, wo wir in Summe brutto unter den 40 Cent sind, sind wir, was den Energieanteil angeht, auch bereits über 13 Cent“, sagt der Stadtwerkechef. Zudem bekommen Wärmekunden die staatliche Entlastung zu spüren. „Bei Gas gehen wir davon aus, dass die Preisbremse sich nicht auswirkt.“

Gleichwohl bleibt es dem hessischen Kommunalversorger nicht erspart, die IT in allen Sparten zu aktualisieren und für jeden Tarifvertrag die neu vorgeschriebenen Daten zu ermitteln. Die Kosten für das Software-Update summieren sich laut Arta auf einen „mittleren fünfstelligen Betrag“. Den personellen Aufwand, bis das ganze Regelwerk umgesetzt ist, beziffert er auf „zwei bis drei Monate“. Kosten, Aufwand und Nutzen sieht er angesichts des geringen Anteils an Kunden, denen die Preisbremsen in Dreieich zugutekommen, in keinem Verhältnis.

Die Stadtwerke Bonn resümieren: „Der wesentliche Aufwandstreiber ist die unscharfe Vorgabe des Gesetzgebers in Unkenntnis der vielfältigen individuellen Kundengegebenheiten.“ Die Anpassungen betreffen dort nahezu alle Strom-, Gas- und Wärmekunden, wie das kommunale Versorgungsunternehmen mitteilt. Stand der Arbeiten an der IT Mitte Februar: „Das Abrechnungssystem wird aktuell weiter ausgeprägt zur korrekten Abrechnung der Vorgaben der Preisbremsen.“ Die gesetzlichen Vorgaben werde man fristgemäß umsetzen und „alle monetären Risiken“ tragen, die damit einhergehen. Die Abwicklung der gesetzlichen Vorgaben werde die Stadtwerke allerdings „die nächsten 24 Monate intensiv fordern“.

Eine „sehr, sehr große Herausforderung“ für IT-Dienstleister

Arne Geiger nennt die Arbeit, die der Gesetzgeber IT-Dienstleistern in der Kürze der Zeit abverlangt, eine „sehr, sehr große Herausforderung“. Die Abrechnungssoftware müsse neu programmiert werden, damit die Verbraucher mit einer Vielzahl unterschiedlicher Tarifausprägungen richtig abgerechnet werden können, erklärt der Leiter Kompetenzteam Vertrieb und Marketing bei der Thüga AG. „Hier kommt es auf die Feinheiten an und der Teufel steckt bekanntlich im Detail.“

Beispielhaft verweist er auf die „Anspruchsgruppe 1“ bei Gas, wo ein Referenzpreis in Höhe von 12 Cent brutto mit dem Entlastungskontingent von 80 Prozent bis zu einem Jahresverbrauch von 1,5 Millionen kWh gilt. „In dieser Gruppe befinden sich auch Gewerbekunden − die Berechnung gilt es brutto darzustellen“, sagt Geiger: „Die Praxis bringt viele Einzelfragen mit sich, die die Branche jetzt lösen muss.“

Insgesamt sei alles mit heißer Nadel gestrickt, so der Experte. Teilweise könne es deshalb aufgrund der notwendigen Umstellung der IT-Prozesse, aufgrund von Personalengpässen und der hohen Auslastung bei Druckdienstleistern zu Verzögerungen beim Versand der Informationsschreiben zum Entlastungsbetrag und zu dem neuen Abschlagsplan kommen.

Gerade auch wegen der aufwendigen Umstellung der IT-Systeme versah der Energieverband BDEW den Starttermin frühzeitig mit einem Fragezeichen. Ein reibungsloser Start der Preisbremsen am 1. März 2023 könne „zum jetzigen Zeitpunkt nicht vollständig garantiert werden“, mahnte er Mitte vergangenen Dezember.

Anfragen in den Kundencentern „drastisch gestiegen“

Anfang Februar teilte der BDEW mit: „Für eine Einschätzung hierzu ist es noch zu früh.“ Täglich meldete sich eine Vielzahl von Energieversorgern bei dem Verband mit Fragen zur Umsetzung, so eine Sprecherin. Aus den Unternehmen höre man, dass die Anzahl der Anfragen in den Kundencentern „zum Teil drastisch gestiegen“ sei.

Alle Unternehmen gingen mit der Preisbremsenumsetzung „personell an die Grenze des Machbaren“. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vermochte im vergangenen Monat ebenfalls keine „belastbare Prognose“ abzugeben, ob der Starttermin überall eingehalten wird. Die Umsetzung erfordere „enorme zusätzliche Ressourcen bei den technischen Dienstleistern“, hieß es. „Die Energieversorger mussten zusätzliche Kapazitäten anfordern − im IT-Sektor generell keine leichte Aufgabe derzeit“, so ein VKU-Sprecher. Oft müssten individuelle Lösungen für die Abrechnungsprogramme der Stadtwerke vor Ort gefunden werden.

Anders als den Energieversorgern räumt der Staat sich selber zusätzliche Zeit bei den Preisbremsengesetzen ein. Als die Bundesregierung ihre Gesetzentwürfe vorgelegte, machte sie keine Angaben zur Höhe der zu erwartenden Kosten für die Unternehmen: „Der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft wird derzeit berechnet. Erste vorläufige Abschätzungen durch das Statistische Bundesamt werden gegenwärtig ausgewertet“, hieß es Ende vergangenen November. Das Ergebnis werde „kurzfristig nachgereicht“. Knapp drei Monate später konnte das BMWK auf Nachfrage von der Redaktion den Aufwand immer noch nicht beziffern.

Mittwoch, 1.03.2023, 09:34 Uhr
Manfred Fischer

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