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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Virtuelle Energiewelt: Mit entblößter Brust
PEM-Brennstoffzelle, Quelle: E&M
E&M Vor 20 Jahren

Virtuelle Energiewelt: Mit entblößter Brust

Im Jahr 2001 war die virtuelle Energiewelt noch nicht ganz so virtuell wie heute. Aber die Ideen für eine dezentrale Energielandschaft waren visionär.
Was bedeutet die dezentrale Erzeugung für die Energiewirtschaft? Diese Frage wurde bereits vor 20 Jahren heiß diskutiert. Dabei war viel vom Wasserstoff und der Brennstoffzelle die Rede.

E&M-Chefredakteur Helmut Sendner ging damals der Frage nach, wie virtuelle Kraftwerke aussehen könnten. Hier der leicht gekürzte Beitrag von Anfang September 2001.

„Virtus, virtutis: Die Mannhaftigkeit, die Tugendhaftigkeit, die guten Eigenschaften, das Heldenhafte ...; allegorisch häufig dargestellt als das bewaffnete Weib mit einer entblößten Brust“, so steht es in einem Langenscheidt-Lexikon aus dem Jahr 1937, erzählte Prof. Carl-Jochen Winter am 28. August bei einer Euroforum/Energie & Management-Konferenz „Virtuelle Energiewelt“ den Zuhörern. Winter, polyglotter Botschafter für eine Wasserstoffwelt und europäischer Vizepräsident der International Association for Hydrogen Energy erläuterte den Konferenzgästen, „virtuelle Energien sind latente Energie, sie sind vorhanden, werden aber am Markt noch nicht genutzt“.

Winter spricht von Niedrigenergiehäusern mit elektroaktiven Gläsern in den Fenstern, von solarthermischen Kollektoren und der Photovoltaik, von Wärmepumpen und Brennstoffzellen, die zusammengefasst zu einer neuen Struktur der Energieversorgung führen könnten. „Jede Kilowattstunde vor Ort genutzt, genau dort, wo sie aus dem natürlichen Primärenergieangebot erzeugt wurde, vermeidet die konventionelle Energiewandlung.“
 
Damit es plakativ wird, nennt der Professor Zahlen: Ersetzt man 20 Mio. Heizkessel im Land durch Brennstoffzellen á 5 kWe, ergibt das eine Kraftwerksleistung von 100.000 MWe. Kommen 5 % der 40 Mio. Automobile mit einer Brennstoffzelle á 50 kWe unter der Haube auf den Markt, bringt das noch mal 100.000 MWe. Und werden schließlich ein paar Tausend Quadratkilometer Dachfläche mit Photovoltaikanlagen bestückt, decken sie den Stromverbrauch in Deutschland.

Natürlich sind das theoretische Betrachtungen, aber die dezentrale Energieerzeugung hat, so Winter, „betriebswirtschaftliche Konsequenzen für die etablierte Elektrizitäts-, Öl- und Gaswirtschaft; die angestammten Geschäftsfelder werden kleiner und Kompensation bietet das geschäftliche Engagement in der Operationalisierung der virtuellen Energiewelt“. Dazu gleich eine Warnung von Winter: „Der laienhafte Energienutzer am Ende der Energiewandlungskette wird gut beraten sein, die Sache einem Profi in die Hand zu geben, mit dem er einen Vertrag auf verlässliche Lieferung von Energiedienstleistungen und Vermarktung seiner überschüssigen Stromproduktion schließt, dann, wenn er nicht mehr nur Energienutzer bleibt, sondern auch Energielieferant geworden sein wird.

Virtualität ist nichts für Laien

Virtualität und Professionalisierung gehören zusammen, meint der Professor, und das haben natürlich auch andere gescheite Leute schon entdeckt. Im Jahr 2015, so die Prognose des RWE-Vorstandsmitglieds Manfred Remmel, werden 30 % des bundesdeutschen Stroms dezentral erzeugt: 10 % mit Brennstoffzellen – immerhin 50 TWh.

Beim Energie-Riesen in Essen überschlagen sich die Brennstoffzellen-Ereignisse: Am 17. August wurde offiziell der RWE-Brennstoffzellen-Pavillion auf dem Meteorit-Gelände (ein vom Künstler André Heller geschaffener Erlebnispark) eröffnet. Die Energie liefert eine 100-kW-SOFC-Brennstoffzelle. Am 25. September wird Bundespräsident Johannes Rau beim Richtfest der NRW-Landesvertretung in Berlin dabei sein. Deren Energieversorgung wird das RWE über eine Mikro-Gasturbine und eine Brennstoffzelle sichern.
 
RWE (hier der RWE-Turm auf einen Bild von 2017) kündigte 2001 an, einen "deutlich dreistelligen Millionen-Euro-Betrag" in die Brennstoffzelle zu investieren
Quelle: RWE

Ein Projekt hier, ein Projekt dort, alle bekannten Brennstoffzellen-Typen vom kW- bis in den MW-Bereich will das Multi-Utility-Unternehmen testen. Heinz Bergmann, der Leiter des RWE-Brennstoffzellen-Projektes: „Wir wollen aktiv an der Brennstoffzellen-Entwicklung teilnehmen, um den Erhalt und Ausbau der Wertschöpfung im Endkundengeschäft sicherzustellen.“ In den nächsten fünf Jahren, so Bergmann von RWE Plus, „wird ein deutlich dreistelliger Millionen-Euro-Betrag“ in die mehr oder weniger heißen Zellen gesteckt. Der Schwerpunkt liegt auf Technologie-Partnerschaften. Mit dem US-amerikanischen/italienischen Unternehmen Nuvera hat RWE eine exklusive Kooperation bei der Herstellung und dem Vertrieb von PEM-Zellen in Europa vereinbart. Eine juristische Verbindung mit dem Zellen-Produzenten ist geplant. Bei einer Brennstoffzellen-Konferenz in London am 11. September will Bergmann eine weitere exklusive Partnerschaft verkünden.

RWE geht exklusive Kooperationen ein
 
Es gibt im RWE-Konzern einen Lenkungskreis Brennstoffzelle. Vorsitzender ist Manfred Remmel, Mitglieder sind die Vorstände von betroffenen Tochter-Aktiengesellschaften, wie zum Beispiel RWE Gas oder RWE Netz. „In naher Zukunft“ so Bergmann, „könnte es sein, dass die Brennstoffzellen-Aktivitäten in einer eigenen Konzerngesellschaft konzentriert werden.“

Ließ Wettbewerber Eon in der Vergangenheit den Filmstar Veronika Ferres offenherzig für sich werben, so zeigt sich die Eon Energie bei der Brennstoffzelle bedeckt bis zur Halskrause. Zwar ist bekannt, dass sich die frühere Preussen Elektra intensiv mit der Brennstoffzelle beschäftigt hat, aber eine Eon-Strategie ist derzeit nicht ersichtlich. Der Eon-Energie-Kommunikationschef Dr. Werner Süss tat bei der Euroforum/Energie & Management-Konferenz so, als wenn die virtuelle Energiewelt schon längst Alltag ist: „Die Einbindung dezentraler Anlagen in das öffentliche Netz ist für die Stromwirtschaft seit Jahrzehnten tägliches Geschäft“, so Süss, der vor der Fusion mit Preussen Elektra das Vorstandsbüro der Bayernwerk AG geleitet hat. Allerdings räumt er ein, „die Technik dafür ist weiter entwicklungsfähig“ – und wahrscheinlich auch das Image. Umfragen von Eon haben laut Süss gezeigt, dass die dezentrale Energieerzeugung als innovativ gilt, gleichzeitig aber Größe, Seriosität und Sicherheit wichtige Qualitätsmerkmale sind. Für Süss gilt: „Zwischen zentralen und dezentralen Aktivitäten gibt es keine ideologischen Gegensätze.“ Und schließlich noch der Hinweis: „Eon Energie ist Vorreiter insbesondere bei Regenerativen: 2 740 MW Wasser, 6 TWh Wind, 4 MW Photovoltaik, 129 BHKW mit 213 Modulen in Betrieb.“ Aus Kunden werden Lieferanten

Mit Millionen-Beträgen will sich die EnBW die virtuelle Energiewelt erschließen. Klaus-Peter Appenzeller, Projektleiter des „MEGASOFC“-Projektes der EnBW, nannte bei der Konferenz zwar keine konkreten Zahlen, aber schon die Anzahl der Projekte zeigt, dass es sich keinesfalls um Peanuts handelt. Appenzeller: „Die Brennstoffzellen beeinflussen unser Geschäft massiv; es wird Grundlast verdrängt.“ Wie bei der RWE steht auch bei der Karlsruher EnBW Energie Baden-Württemberg AG „das Contracting-Geschäft in der virtuellen Energiewelt im Vordergrund.“ Wolfgang Apking, Partner beim Unternehmensberater PriceWaterhouseCoopers, brachte bei der von seinem Unternehmen gesponserten Konferenz die virtuelle Energiewelt auf den Punkt: „Die bisherigen Kunden werden zu Lieferanten.“ Den gleichen Satz formulierte Appenzeller – und das ist wirklich der Paradigmenwechsel in der Energiewirtschaft.

In 10 Jahren, in 20 Jahren? Da die Brennstoffzelle der Treiber der Entwicklung sein wird, hängt die neue Welt maßgeblich von ihrer Serienreife ab, denn einen Umweltbonus bekommt sie weder vom Kunden noch vom Betreiber. Eine Einspeisevergütung von 10 Pf./kWh hat die Politik allerdings schon vorgesehen.

Aber auch die Kommunikationstechnik, die Mess-, Regel-, Leit- und Zählertechnik, wird zu einem enorm wichtigen Faktor. Apking: „Unternehmen werden IT-abhängig.“ Das lässt sich beliebig schwierig vorstellen: Tausende von Brennstoffzellen-Anlagen, von Windmühlen, PV-Anlagen und Biogas-BHKW müssen zentral im virtuellen Großkraftwerk abgerechnet, an- und abgefahren werden – immer im wirtschaftlichen Optimum. Das Wetter und Energiespeicher, Lastprogramme und Fahrplanmanagement, Brennstoffpreise und Revisionszeiten sind einige von vielen Parametern, die für die Virtualität eine Rolle spielen. Gelingt das, und da sind sich die Experten sicher, dann hat das dezentrale Energiesystem eindeutige Preisvorteile. Wenn zwar klein, aber lebendiges Beispiel für die virtuelle Welt sind die Stadtwerke Schwäbisch Hall. Sie betreiben 32 BHKW-Module, ein GuD-Kraftwerk und sechs Wasserkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 20 MWe und etwa 100 Mio. kWh Jahresarbeit. Eine raffinierte Kommunikationstechnik optimiert den Kraftwerkspark – die Eigenkapitalrendite des Unternehmens liegt bei 23 %.

20 Prozent Kostenersparnis möglich

Die Software-Experten der Konferenz – Dr. Rainer Bitsch, Siemens AG; Martin Görlitz, Görlitz AG und Dr. Thomas Stephanblome, EUS – waren sich einig, dass sich im Vergleich zu einem herkömmlichen Kraftwerkspark mit einem virtuellen Kraftwerk rund 20 % Kosten sparen lassen. Stephanblome: „Die Amortisationszeit für die Software liegt unter einem Jahr.“
 

Freitag, 3.09.2021, 10:42 Uhr
Helmut Sendner und Fritz Wilhelm
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PEM-Brennstoffzelle, Quelle: E&M
E&M Vor 20 Jahren
Virtuelle Energiewelt: Mit entblößter Brust
Im Jahr 2001 war die virtuelle Energiewelt noch nicht ganz so virtuell wie heute. Aber die Ideen für eine dezentrale Energielandschaft waren visionär.
Was bedeutet die dezentrale Erzeugung für die Energiewirtschaft? Diese Frage wurde bereits vor 20 Jahren heiß diskutiert. Dabei war viel vom Wasserstoff und der Brennstoffzelle die Rede.

E&M-Chefredakteur Helmut Sendner ging damals der Frage nach, wie virtuelle Kraftwerke aussehen könnten. Hier der leicht gekürzte Beitrag von Anfang September 2001.

„Virtus, virtutis: Die Mannhaftigkeit, die Tugendhaftigkeit, die guten Eigenschaften, das Heldenhafte ...; allegorisch häufig dargestellt als das bewaffnete Weib mit einer entblößten Brust“, so steht es in einem Langenscheidt-Lexikon aus dem Jahr 1937, erzählte Prof. Carl-Jochen Winter am 28. August bei einer Euroforum/Energie & Management-Konferenz „Virtuelle Energiewelt“ den Zuhörern. Winter, polyglotter Botschafter für eine Wasserstoffwelt und europäischer Vizepräsident der International Association for Hydrogen Energy erläuterte den Konferenzgästen, „virtuelle Energien sind latente Energie, sie sind vorhanden, werden aber am Markt noch nicht genutzt“.

Winter spricht von Niedrigenergiehäusern mit elektroaktiven Gläsern in den Fenstern, von solarthermischen Kollektoren und der Photovoltaik, von Wärmepumpen und Brennstoffzellen, die zusammengefasst zu einer neuen Struktur der Energieversorgung führen könnten. „Jede Kilowattstunde vor Ort genutzt, genau dort, wo sie aus dem natürlichen Primärenergieangebot erzeugt wurde, vermeidet die konventionelle Energiewandlung.“
 
Damit es plakativ wird, nennt der Professor Zahlen: Ersetzt man 20 Mio. Heizkessel im Land durch Brennstoffzellen á 5 kWe, ergibt das eine Kraftwerksleistung von 100.000 MWe. Kommen 5 % der 40 Mio. Automobile mit einer Brennstoffzelle á 50 kWe unter der Haube auf den Markt, bringt das noch mal 100.000 MWe. Und werden schließlich ein paar Tausend Quadratkilometer Dachfläche mit Photovoltaikanlagen bestückt, decken sie den Stromverbrauch in Deutschland.

Natürlich sind das theoretische Betrachtungen, aber die dezentrale Energieerzeugung hat, so Winter, „betriebswirtschaftliche Konsequenzen für die etablierte Elektrizitäts-, Öl- und Gaswirtschaft; die angestammten Geschäftsfelder werden kleiner und Kompensation bietet das geschäftliche Engagement in der Operationalisierung der virtuellen Energiewelt“. Dazu gleich eine Warnung von Winter: „Der laienhafte Energienutzer am Ende der Energiewandlungskette wird gut beraten sein, die Sache einem Profi in die Hand zu geben, mit dem er einen Vertrag auf verlässliche Lieferung von Energiedienstleistungen und Vermarktung seiner überschüssigen Stromproduktion schließt, dann, wenn er nicht mehr nur Energienutzer bleibt, sondern auch Energielieferant geworden sein wird.

Virtualität ist nichts für Laien

Virtualität und Professionalisierung gehören zusammen, meint der Professor, und das haben natürlich auch andere gescheite Leute schon entdeckt. Im Jahr 2015, so die Prognose des RWE-Vorstandsmitglieds Manfred Remmel, werden 30 % des bundesdeutschen Stroms dezentral erzeugt: 10 % mit Brennstoffzellen – immerhin 50 TWh.

Beim Energie-Riesen in Essen überschlagen sich die Brennstoffzellen-Ereignisse: Am 17. August wurde offiziell der RWE-Brennstoffzellen-Pavillion auf dem Meteorit-Gelände (ein vom Künstler André Heller geschaffener Erlebnispark) eröffnet. Die Energie liefert eine 100-kW-SOFC-Brennstoffzelle. Am 25. September wird Bundespräsident Johannes Rau beim Richtfest der NRW-Landesvertretung in Berlin dabei sein. Deren Energieversorgung wird das RWE über eine Mikro-Gasturbine und eine Brennstoffzelle sichern.
 
RWE (hier der RWE-Turm auf einen Bild von 2017) kündigte 2001 an, einen "deutlich dreistelligen Millionen-Euro-Betrag" in die Brennstoffzelle zu investieren
Quelle: RWE

Ein Projekt hier, ein Projekt dort, alle bekannten Brennstoffzellen-Typen vom kW- bis in den MW-Bereich will das Multi-Utility-Unternehmen testen. Heinz Bergmann, der Leiter des RWE-Brennstoffzellen-Projektes: „Wir wollen aktiv an der Brennstoffzellen-Entwicklung teilnehmen, um den Erhalt und Ausbau der Wertschöpfung im Endkundengeschäft sicherzustellen.“ In den nächsten fünf Jahren, so Bergmann von RWE Plus, „wird ein deutlich dreistelliger Millionen-Euro-Betrag“ in die mehr oder weniger heißen Zellen gesteckt. Der Schwerpunkt liegt auf Technologie-Partnerschaften. Mit dem US-amerikanischen/italienischen Unternehmen Nuvera hat RWE eine exklusive Kooperation bei der Herstellung und dem Vertrieb von PEM-Zellen in Europa vereinbart. Eine juristische Verbindung mit dem Zellen-Produzenten ist geplant. Bei einer Brennstoffzellen-Konferenz in London am 11. September will Bergmann eine weitere exklusive Partnerschaft verkünden.

RWE geht exklusive Kooperationen ein
 
Es gibt im RWE-Konzern einen Lenkungskreis Brennstoffzelle. Vorsitzender ist Manfred Remmel, Mitglieder sind die Vorstände von betroffenen Tochter-Aktiengesellschaften, wie zum Beispiel RWE Gas oder RWE Netz. „In naher Zukunft“ so Bergmann, „könnte es sein, dass die Brennstoffzellen-Aktivitäten in einer eigenen Konzerngesellschaft konzentriert werden.“

Ließ Wettbewerber Eon in der Vergangenheit den Filmstar Veronika Ferres offenherzig für sich werben, so zeigt sich die Eon Energie bei der Brennstoffzelle bedeckt bis zur Halskrause. Zwar ist bekannt, dass sich die frühere Preussen Elektra intensiv mit der Brennstoffzelle beschäftigt hat, aber eine Eon-Strategie ist derzeit nicht ersichtlich. Der Eon-Energie-Kommunikationschef Dr. Werner Süss tat bei der Euroforum/Energie & Management-Konferenz so, als wenn die virtuelle Energiewelt schon längst Alltag ist: „Die Einbindung dezentraler Anlagen in das öffentliche Netz ist für die Stromwirtschaft seit Jahrzehnten tägliches Geschäft“, so Süss, der vor der Fusion mit Preussen Elektra das Vorstandsbüro der Bayernwerk AG geleitet hat. Allerdings räumt er ein, „die Technik dafür ist weiter entwicklungsfähig“ – und wahrscheinlich auch das Image. Umfragen von Eon haben laut Süss gezeigt, dass die dezentrale Energieerzeugung als innovativ gilt, gleichzeitig aber Größe, Seriosität und Sicherheit wichtige Qualitätsmerkmale sind. Für Süss gilt: „Zwischen zentralen und dezentralen Aktivitäten gibt es keine ideologischen Gegensätze.“ Und schließlich noch der Hinweis: „Eon Energie ist Vorreiter insbesondere bei Regenerativen: 2 740 MW Wasser, 6 TWh Wind, 4 MW Photovoltaik, 129 BHKW mit 213 Modulen in Betrieb.“ Aus Kunden werden Lieferanten

Mit Millionen-Beträgen will sich die EnBW die virtuelle Energiewelt erschließen. Klaus-Peter Appenzeller, Projektleiter des „MEGASOFC“-Projektes der EnBW, nannte bei der Konferenz zwar keine konkreten Zahlen, aber schon die Anzahl der Projekte zeigt, dass es sich keinesfalls um Peanuts handelt. Appenzeller: „Die Brennstoffzellen beeinflussen unser Geschäft massiv; es wird Grundlast verdrängt.“ Wie bei der RWE steht auch bei der Karlsruher EnBW Energie Baden-Württemberg AG „das Contracting-Geschäft in der virtuellen Energiewelt im Vordergrund.“ Wolfgang Apking, Partner beim Unternehmensberater PriceWaterhouseCoopers, brachte bei der von seinem Unternehmen gesponserten Konferenz die virtuelle Energiewelt auf den Punkt: „Die bisherigen Kunden werden zu Lieferanten.“ Den gleichen Satz formulierte Appenzeller – und das ist wirklich der Paradigmenwechsel in der Energiewirtschaft.

In 10 Jahren, in 20 Jahren? Da die Brennstoffzelle der Treiber der Entwicklung sein wird, hängt die neue Welt maßgeblich von ihrer Serienreife ab, denn einen Umweltbonus bekommt sie weder vom Kunden noch vom Betreiber. Eine Einspeisevergütung von 10 Pf./kWh hat die Politik allerdings schon vorgesehen.

Aber auch die Kommunikationstechnik, die Mess-, Regel-, Leit- und Zählertechnik, wird zu einem enorm wichtigen Faktor. Apking: „Unternehmen werden IT-abhängig.“ Das lässt sich beliebig schwierig vorstellen: Tausende von Brennstoffzellen-Anlagen, von Windmühlen, PV-Anlagen und Biogas-BHKW müssen zentral im virtuellen Großkraftwerk abgerechnet, an- und abgefahren werden – immer im wirtschaftlichen Optimum. Das Wetter und Energiespeicher, Lastprogramme und Fahrplanmanagement, Brennstoffpreise und Revisionszeiten sind einige von vielen Parametern, die für die Virtualität eine Rolle spielen. Gelingt das, und da sind sich die Experten sicher, dann hat das dezentrale Energiesystem eindeutige Preisvorteile. Wenn zwar klein, aber lebendiges Beispiel für die virtuelle Welt sind die Stadtwerke Schwäbisch Hall. Sie betreiben 32 BHKW-Module, ein GuD-Kraftwerk und sechs Wasserkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 20 MWe und etwa 100 Mio. kWh Jahresarbeit. Eine raffinierte Kommunikationstechnik optimiert den Kraftwerkspark – die Eigenkapitalrendite des Unternehmens liegt bei 23 %.

20 Prozent Kostenersparnis möglich

Die Software-Experten der Konferenz – Dr. Rainer Bitsch, Siemens AG; Martin Görlitz, Görlitz AG und Dr. Thomas Stephanblome, EUS – waren sich einig, dass sich im Vergleich zu einem herkömmlichen Kraftwerkspark mit einem virtuellen Kraftwerk rund 20 % Kosten sparen lassen. Stephanblome: „Die Amortisationszeit für die Software liegt unter einem Jahr.“
 

Freitag, 3.09.2021, 10:42 Uhr
Helmut Sendner und Fritz Wilhelm

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