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Energie & Management > Klimaschutz - Versorgungssicherheit versus Klimaschutz
Quelle: Fotolia / bluedesign
Klimaschutz

Versorgungssicherheit versus Klimaschutz

Angesichts der drohenden Engpässe auf den Energiemärkten wächst in Brüssel die Neigung, den Klimaschutz auf die lange Bank zu schieben. 
Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zum Klimaschutz - das Paket „Fit for 55“ können nach Ansicht des Europaabgeordneten Peter Liese (CDU) einen Beitrag zur Unabhängigkeit der EU von russischer Energie leisten. In den nächsten zwei bis drei Jahren müsse die Union aber bereit sein, mehr Kohle einzusetzen und die Laufzeit der Atomkraftwerke in Deutschland und Belgien zu verlängern.

Das von Brüssel anvisierte Ziel, in diesem Jahr zwei Drittel der russischen Gaslieferungen zu ersetzen, und bis 2027 ganz unabhängig von Moskau zu werden, hält Liese für unzureichend: „Das muss schneller gehen.“ Es sei nicht akzeptabel, dass die EU Russland eine Milliarde Euro pro Tag zur Finanzierung des Krieges in der Ukraine überweise. Liese sprach sich dafür aus, den Betrieb der Ostseepipeline Nord Stream 1 sofort einzustellen und das Geld für russische Energielieferungen auf Sperrkonten zu überweisen. 

Um schneller aus den fossilen Energien auszusteigen, wollen Liese und Teile der konservativen EVP-Fraktion, der die CDU/CSU angehört, den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. Bis 2030 sollten sie 45 % des Energieverbrauchs in der EU decken. Die Kommission hatte 40 % vorgeschlagen. Eine Verschärfung der Klimaziele für die Industrie und die Energiewirtschaft lehnt Liese, der Berichterstatter des Parlamentes für die Reform des Emissionshandelssystems (ETS) ist, dagegen ab. 

Eine schnellere Absenkung der Emissionsobergrenze („Cap“) oder eine substantielle, einmalige Reduzierung der verfügbaren Zertifikate würde nach Ansicht Lieses den Kohlenstoffpreis im ETS nach oben treiben und Energie noch teurer machen. „Wir wollen Dekarbonisierung, aber keine höheren Preise“, sagte Liese in einer Videokonferenz vor Journalisten. Eine weitere Verknappung der Zertifikate heize vor allem die Spekulation an. Eingriffe in den Emissionshandel seien „kontraproduktiv“. Wichtig sei es jedoch, für mehr Transparenz zu sorgen: „Wir wollen unsere Klimaziele erreichen, aber Preisschocks vermeiden.“ 

"Mehr Unterstützung für ETS+"

Das bisherige ETS werde von niemandem mehr in Frage gestellt, sagte Liese weiter. Für eine Ausdehnung des Emissionshandels auf den Verkehr und den Gebäudesektor im Rahmen eines eigenen ETS+ sieht Liese eine zunehmende Unterstützung, sowohl im Parlament als auch im Ministerrat. Grüne und Sozialdemokraten sowie einzelne Mitgliedsstaaten wie Frankreich oder Polen lehnen das ETS+ bislang ab. Sie fürchten, dass höhere Kosten für Kraftstoffe oder Heizungen nicht akzeptiert werden, und favorisieren deswegen höhere Auflagen für neue Kraftfahrzeuge und Gebäude. 

Ohne den Emissionshandel können die Klimaziele des Verkehrs- und des Gebäudesektors nach Ansicht Lieses aber nicht erreicht werden. Alleine der Verkehr müsse seine CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Mio. Tonnen reduzieren. Durch strengere Abgaswerte für Neuwagen lasse sich der CO2-Ausstoß aber nur um ein Drittel dieser Menge reduzieren. Außerdem kosteten auch regulatorische Maßnahmen Geld, das am Ende die Verbrauchenden aufbringen müssten. Liese: „Ich glaube auch nicht, dass eine Mehrheit unserer Bürger bereit ist, ihr Auto stehen zu lassen, wenn die Sonne scheint, um mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren.“ Der Emissionshandel habe außerdem den Vorteil, dass Einnahmen entstünden, aus denen Ausgleichszahlungen für einkommensschwache Haushalte finanziert werden könnten. 

Das ETS+ führe auch nicht zu einer Verschärfung der aktuellen Energiekrise, weil es erst 2025 oder später eingeführt werde. Das erlaube es den betroffenen Unternehmen sowie den Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich auf höhere Belastungen einzustellen. Liese geht davon aus, dass sich die Lage auf den Energiemärkten bis dahin wieder beruhigt hat. 

Die Verhandlungen über den Emissionshandel würden in den nächsten Monaten fortgesetzt, sowohl innerhalb des Parlamentes als auch mit den Mitgliedsstaaten. Kompromisse in den umstrittenen Fragen seien nicht einfach, aber möglich. Das betreffe vor allem die Verteilung der Mittel aus dem Klimasozialfonds. Dabei gehe es unter anderem um die “Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten“ und darum, ob auch mittlere Einkommen begünstigt werden sollen. Auf dem Verhandlungstisch liege auch eine schrittweise Einführung des ETS+, wobei zunächst Unternehmen in den Emissionshandel einbezogen würden, private Haushalte erst später. 

Um die Belastungen aus dem ETS+ zu begrenzen, sei zu Beginn auch ein Preis von Null vorstellbar. Der Klimasozialfonds müsse in diesem Fall in der Anfangsphase steuerfinanziert werden. Der Preis für die Zertifikate im ETS+ könnte dann schrittweise angehoben werden, wenn sich die Energiepreise normalisiert hätten.

Donnerstag, 24.03.2022, 09:41 Uhr
Tom Weingärtner
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Klimaschutz
Versorgungssicherheit versus Klimaschutz
Angesichts der drohenden Engpässe auf den Energiemärkten wächst in Brüssel die Neigung, den Klimaschutz auf die lange Bank zu schieben. 
Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zum Klimaschutz - das Paket „Fit for 55“ können nach Ansicht des Europaabgeordneten Peter Liese (CDU) einen Beitrag zur Unabhängigkeit der EU von russischer Energie leisten. In den nächsten zwei bis drei Jahren müsse die Union aber bereit sein, mehr Kohle einzusetzen und die Laufzeit der Atomkraftwerke in Deutschland und Belgien zu verlängern.

Das von Brüssel anvisierte Ziel, in diesem Jahr zwei Drittel der russischen Gaslieferungen zu ersetzen, und bis 2027 ganz unabhängig von Moskau zu werden, hält Liese für unzureichend: „Das muss schneller gehen.“ Es sei nicht akzeptabel, dass die EU Russland eine Milliarde Euro pro Tag zur Finanzierung des Krieges in der Ukraine überweise. Liese sprach sich dafür aus, den Betrieb der Ostseepipeline Nord Stream 1 sofort einzustellen und das Geld für russische Energielieferungen auf Sperrkonten zu überweisen. 

Um schneller aus den fossilen Energien auszusteigen, wollen Liese und Teile der konservativen EVP-Fraktion, der die CDU/CSU angehört, den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. Bis 2030 sollten sie 45 % des Energieverbrauchs in der EU decken. Die Kommission hatte 40 % vorgeschlagen. Eine Verschärfung der Klimaziele für die Industrie und die Energiewirtschaft lehnt Liese, der Berichterstatter des Parlamentes für die Reform des Emissionshandelssystems (ETS) ist, dagegen ab. 

Eine schnellere Absenkung der Emissionsobergrenze („Cap“) oder eine substantielle, einmalige Reduzierung der verfügbaren Zertifikate würde nach Ansicht Lieses den Kohlenstoffpreis im ETS nach oben treiben und Energie noch teurer machen. „Wir wollen Dekarbonisierung, aber keine höheren Preise“, sagte Liese in einer Videokonferenz vor Journalisten. Eine weitere Verknappung der Zertifikate heize vor allem die Spekulation an. Eingriffe in den Emissionshandel seien „kontraproduktiv“. Wichtig sei es jedoch, für mehr Transparenz zu sorgen: „Wir wollen unsere Klimaziele erreichen, aber Preisschocks vermeiden.“ 

"Mehr Unterstützung für ETS+"

Das bisherige ETS werde von niemandem mehr in Frage gestellt, sagte Liese weiter. Für eine Ausdehnung des Emissionshandels auf den Verkehr und den Gebäudesektor im Rahmen eines eigenen ETS+ sieht Liese eine zunehmende Unterstützung, sowohl im Parlament als auch im Ministerrat. Grüne und Sozialdemokraten sowie einzelne Mitgliedsstaaten wie Frankreich oder Polen lehnen das ETS+ bislang ab. Sie fürchten, dass höhere Kosten für Kraftstoffe oder Heizungen nicht akzeptiert werden, und favorisieren deswegen höhere Auflagen für neue Kraftfahrzeuge und Gebäude. 

Ohne den Emissionshandel können die Klimaziele des Verkehrs- und des Gebäudesektors nach Ansicht Lieses aber nicht erreicht werden. Alleine der Verkehr müsse seine CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Mio. Tonnen reduzieren. Durch strengere Abgaswerte für Neuwagen lasse sich der CO2-Ausstoß aber nur um ein Drittel dieser Menge reduzieren. Außerdem kosteten auch regulatorische Maßnahmen Geld, das am Ende die Verbrauchenden aufbringen müssten. Liese: „Ich glaube auch nicht, dass eine Mehrheit unserer Bürger bereit ist, ihr Auto stehen zu lassen, wenn die Sonne scheint, um mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren.“ Der Emissionshandel habe außerdem den Vorteil, dass Einnahmen entstünden, aus denen Ausgleichszahlungen für einkommensschwache Haushalte finanziert werden könnten. 

Das ETS+ führe auch nicht zu einer Verschärfung der aktuellen Energiekrise, weil es erst 2025 oder später eingeführt werde. Das erlaube es den betroffenen Unternehmen sowie den Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich auf höhere Belastungen einzustellen. Liese geht davon aus, dass sich die Lage auf den Energiemärkten bis dahin wieder beruhigt hat. 

Die Verhandlungen über den Emissionshandel würden in den nächsten Monaten fortgesetzt, sowohl innerhalb des Parlamentes als auch mit den Mitgliedsstaaten. Kompromisse in den umstrittenen Fragen seien nicht einfach, aber möglich. Das betreffe vor allem die Verteilung der Mittel aus dem Klimasozialfonds. Dabei gehe es unter anderem um die “Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten“ und darum, ob auch mittlere Einkommen begünstigt werden sollen. Auf dem Verhandlungstisch liege auch eine schrittweise Einführung des ETS+, wobei zunächst Unternehmen in den Emissionshandel einbezogen würden, private Haushalte erst später. 

Um die Belastungen aus dem ETS+ zu begrenzen, sei zu Beginn auch ein Preis von Null vorstellbar. Der Klimasozialfonds müsse in diesem Fall in der Anfangsphase steuerfinanziert werden. Der Preis für die Zertifikate im ETS+ könnte dann schrittweise angehoben werden, wenn sich die Energiepreise normalisiert hätten.

Donnerstag, 24.03.2022, 09:41 Uhr
Tom Weingärtner

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