E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Versicherung gegen warmen Winter
Bild: Shutterstock, Frank Oppermann
E&M Vor 20 Jahren

Versicherung gegen warmen Winter

Das Wetter ist einer der wesentlichen Einflussfaktoren auf die Energiemärkte. Vor 20 Jahren begannen deshalb viele Versorger, sich Gedanken über eine Absicherung ihrer Erlöse zu machen.
Das Commodity Trading kam Anfang der 2000er Jahre langsam in Schwung. Nach und nach lernten die Energieversorger mit Derivaten umzugehen. Sie wurden allmählich fester Bestandteil der Absicherungsstrategien von Energieversorgern. Es ging damals aber nicht nur um Geschäfte mit Stromderivaten, sondern auch um das hierzulande neue Instrument der Wetterderivate.

Die E&M-Redakteure Andreas Kögler, Jochen Schultheiß und Fritz Wilhelm berichteten 2001 über den sich entwickelnden Markt.
 
Der hauptstädtische Energieversorger Bewag hat erstmalig für zwei KWK-Kraftwerke eine Wetterversicherung abgeschlossen.

Mit dem Wetterderivat wurden gegen eine Prämie von „mehreren hunderttausend Mark“ von Dezember 2000 bis März 2001 mögliche Verluste abgesichert, die ein zu warmer Winter durch geringeren Absatz von Wärme sowie durch teure Stromzukäufe verursacht hätte.

Im Prinzip war es für die Bewag eine Win-Win-Situation. „Wäre der Winter sehr kalt geworden, hätten wir viel Strom über unsere Kraft-Wärme-Kopplung absetzen können. Wäre er sehr warm geworden, hätten wir zusätzliche Stromeinkäufe auf dem Spotmarkt und sinkende Fernmwärmeerlöse über das Wetterderivat ausgeglichen“, erläutert Anders Hedenstedt, im Bewag für Erzeugung und Vertrieb zuständig.
 
Mehr und mehr Energieversorger, auch kleinere Unternehmen, interessieren sich für den Handel mit Wetterderivaten. Börsenreif sind die Produkte jedoch noch nicht.
Bild: Atel

Die Bilanz der ersten Risikoabsicherung fällt ausgeglichen aus. Mit durchschnittlich 2,2 Grad Celsius war der vergangene Winter in Berlin relativ kalt. Die beiden Kraftwerke in Mitte und Klingenberg erzeugten 100 GWh mehr Strom als im vergleichsweise warmen Winter 1999/2000. Entsprechend höher waren im Absicherungszeitraum die Mehrerlöse im Strom- und Fernwärmegeschäft, mit denen die Kosten der Prämie ausgeglichen werden konnten. Es erfolgte keine Auszahlung aus dem Wetterderivat, das als Heizgradtage-Put-Option auf die Wetterstation Berlin-Dahlem strukturiert war. Counterpart des ersten Versicherungsgeschäfts war die Societe Generale in Paris.

Die Bewag will künftig stärker in den Handel mit Wetterderivaten einsteigen. Entsprechendes Personal-Know-how wurde aus Amerika eingekauft. Ziel ist es zunächst, das eigene Wetterportfolio zu optimieren. Für den Winter 2001 ist eine monatsweise Absicherung geplant. Darüber hinaus sollen durch die Teilnahme am Großhandelsmarkt verstärkt Arbitragemöglichkeiten genutzt werden. Auch Bewag-Kunden können künftig ihre Wetterrisiken über den Energiedienstleister absichern. Gedacht ist an die Baustellenversorgung mit Strom, an ländliche Agrarbetriebe und Stadtwerke.

Wetterderivate existieren seit rund vier Jahren Weltweit wurden in dieser Zeit mehr als 2000 Wetter-Finanzverträge geschlossen. Der Risikotransfer belief sich auf rund 6 Mrd. US-Dollar. Erste Counterparts waren 1998 der amerikanische Energiekonzern Enron sowie Scottish Power.

Grundlage des Wetterhandels sind regionale Klimaunterschiede, die zu verschiedenen Wettererwartungen führen und das Handeln auf verschiedene Wetterpositionen erlauben.
 
Norddeutscher Regen nach Bermuda verkauft
 
Das Derivat bezieht sich jeweils auf einen indizierten Basiswert des Wetters, beispielsweise die Temperatur, den Wasserstand oder die Niederschlagsmenge. Ziel des Handels ist es, Geschäftsergebnisse und Investitionen gegen nachteilige Wettereinflüsse und damit verbundene Erlösausfälle abzusichern. Entwickelt sich das Wetter günstiger als erwartet, kompensiert das höhere Betriebsergebnis die gezahlte Prämie. Die Höhe der Prämie beträgt 10 bis 15 Prozent der Maximalausschüttung.

Auch kleinere Versorger nutzen mittlerweile die Absicherungsmethode. Das Elektrizitätswerk Dahlenburg in Norddeutschland hat mit der internationalen Rückversicherungsgesellschaft Element Re mit Sitz auf den Bermudas ein Risikogeschäft in Form eines Wetterderivats abgeschlossen. Der Energieversorger liefert hauptsächlich Strom für Beregnungsanlagen im Raum Lüneburg und will sich mit dem Wetterderivat gegen Einnahmeverluste absichern. Die Versicherungsperiode dauert vom 1. Mai bis zum 31. August und umfasst eine Ausgleichszahlung, falls in diesem Zeitraum mehr Regen niedergeht als vorher festgehalten. Bei einem Sommer mit viel Niederschlag würde der Stromverkauf für die Wasserkanonen niedriger ausfallen, durch den Wetterderivateabschluss wäre der Rückversicherer zur Zahlung verpflichtet.

An den deutschen Börsen sind Wetterderivate bisher nicht handelbar. „Die Schwierigkeit liegt darin, das Wetterderivat soweit zu standardisieren, dass es als Produkt an der Börse definiert werden kann“, erläutert Hedenstedt.
 
Wetterderivate noch nicht börsenreif
 
Im Februar dieses Jahres hatte Produktentwickler Thomas Wahl von der Derivate-Börse Eurex bei einer Euroforum-Konferenz die fehlende Marktreife von Wetterderivaten noch auf weitere Gründe zurückgeführt. Ein Markthemmnis sei beispielsweise, dass europäische Wetterdaten teurer, schwerer erhältlich und von schlechterer Qualität als US-Daten seien, so Wahl. Zudem seien noch die Besteuerung und der rechtliche Status von Wetterderivaten ungeregelt. Lediglich in Frankreich, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien werden diese bereits wie andere Warentermingeschäfte geregelt. Darüber hinaus fehle ein Standardpreismodell, um die derzeit großen Geld-/Brief-Spannen zu verringern. Auch das Black-Scholes-Optionspreismodell könne nicht ohne weiteres für Wetterderivate verwendet werden, da die Basiswerte nicht gehandelt werden, erläutert der Eurex-Experte. Und die klassische Wettervorhersage sei noch keine Alternative zu Preismodellen.

Die Eurex berechnet heute jedoch bereits europäische Wetterindizes, die mittelfristig auch als Basiswerte für Wetterderivate dienen könnten; vorausgesetzt die Indizes können sich etablieren. Ebenfalls in der Planung seien sowohl Futures (Swaps) als auch Optionen auf europäische Wetterindizes, erklärt Wahl weiter. Die Eurex bietet interessierten Marktteilnehmern die Zusammenarbeit bei der Ausgestaltung der Spezifikationen und der Marktmodelle an. Mögliche Spezifikationen seien die Basiswerte (monatliche und saisonale Wetterindizes europäischer Städte), die Multiplikatoren (1 000 Euro je Indexpunkt), die Verfallsmonate (nächste 18 Monate bzw. nächste drei Saisons), die Basispreise (mindestens 10 je Verfallstermin in Abstufungen von 25 Indexwerten außer bei Futures) sowie die Lieferungen (Barausgleich).
 

Samstag, 29.05.2021, 17:35 Uhr
Andreas Kögler, Jochen Schultheiß und Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Versicherung gegen warmen Winter
Bild: Shutterstock, Frank Oppermann
E&M Vor 20 Jahren
Versicherung gegen warmen Winter
Das Wetter ist einer der wesentlichen Einflussfaktoren auf die Energiemärkte. Vor 20 Jahren begannen deshalb viele Versorger, sich Gedanken über eine Absicherung ihrer Erlöse zu machen.
Das Commodity Trading kam Anfang der 2000er Jahre langsam in Schwung. Nach und nach lernten die Energieversorger mit Derivaten umzugehen. Sie wurden allmählich fester Bestandteil der Absicherungsstrategien von Energieversorgern. Es ging damals aber nicht nur um Geschäfte mit Stromderivaten, sondern auch um das hierzulande neue Instrument der Wetterderivate.

Die E&M-Redakteure Andreas Kögler, Jochen Schultheiß und Fritz Wilhelm berichteten 2001 über den sich entwickelnden Markt.
 
Der hauptstädtische Energieversorger Bewag hat erstmalig für zwei KWK-Kraftwerke eine Wetterversicherung abgeschlossen.

Mit dem Wetterderivat wurden gegen eine Prämie von „mehreren hunderttausend Mark“ von Dezember 2000 bis März 2001 mögliche Verluste abgesichert, die ein zu warmer Winter durch geringeren Absatz von Wärme sowie durch teure Stromzukäufe verursacht hätte.

Im Prinzip war es für die Bewag eine Win-Win-Situation. „Wäre der Winter sehr kalt geworden, hätten wir viel Strom über unsere Kraft-Wärme-Kopplung absetzen können. Wäre er sehr warm geworden, hätten wir zusätzliche Stromeinkäufe auf dem Spotmarkt und sinkende Fernmwärmeerlöse über das Wetterderivat ausgeglichen“, erläutert Anders Hedenstedt, im Bewag für Erzeugung und Vertrieb zuständig.
 
Mehr und mehr Energieversorger, auch kleinere Unternehmen, interessieren sich für den Handel mit Wetterderivaten. Börsenreif sind die Produkte jedoch noch nicht.
Bild: Atel

Die Bilanz der ersten Risikoabsicherung fällt ausgeglichen aus. Mit durchschnittlich 2,2 Grad Celsius war der vergangene Winter in Berlin relativ kalt. Die beiden Kraftwerke in Mitte und Klingenberg erzeugten 100 GWh mehr Strom als im vergleichsweise warmen Winter 1999/2000. Entsprechend höher waren im Absicherungszeitraum die Mehrerlöse im Strom- und Fernwärmegeschäft, mit denen die Kosten der Prämie ausgeglichen werden konnten. Es erfolgte keine Auszahlung aus dem Wetterderivat, das als Heizgradtage-Put-Option auf die Wetterstation Berlin-Dahlem strukturiert war. Counterpart des ersten Versicherungsgeschäfts war die Societe Generale in Paris.

Die Bewag will künftig stärker in den Handel mit Wetterderivaten einsteigen. Entsprechendes Personal-Know-how wurde aus Amerika eingekauft. Ziel ist es zunächst, das eigene Wetterportfolio zu optimieren. Für den Winter 2001 ist eine monatsweise Absicherung geplant. Darüber hinaus sollen durch die Teilnahme am Großhandelsmarkt verstärkt Arbitragemöglichkeiten genutzt werden. Auch Bewag-Kunden können künftig ihre Wetterrisiken über den Energiedienstleister absichern. Gedacht ist an die Baustellenversorgung mit Strom, an ländliche Agrarbetriebe und Stadtwerke.

Wetterderivate existieren seit rund vier Jahren Weltweit wurden in dieser Zeit mehr als 2000 Wetter-Finanzverträge geschlossen. Der Risikotransfer belief sich auf rund 6 Mrd. US-Dollar. Erste Counterparts waren 1998 der amerikanische Energiekonzern Enron sowie Scottish Power.

Grundlage des Wetterhandels sind regionale Klimaunterschiede, die zu verschiedenen Wettererwartungen führen und das Handeln auf verschiedene Wetterpositionen erlauben.
 
Norddeutscher Regen nach Bermuda verkauft
 
Das Derivat bezieht sich jeweils auf einen indizierten Basiswert des Wetters, beispielsweise die Temperatur, den Wasserstand oder die Niederschlagsmenge. Ziel des Handels ist es, Geschäftsergebnisse und Investitionen gegen nachteilige Wettereinflüsse und damit verbundene Erlösausfälle abzusichern. Entwickelt sich das Wetter günstiger als erwartet, kompensiert das höhere Betriebsergebnis die gezahlte Prämie. Die Höhe der Prämie beträgt 10 bis 15 Prozent der Maximalausschüttung.

Auch kleinere Versorger nutzen mittlerweile die Absicherungsmethode. Das Elektrizitätswerk Dahlenburg in Norddeutschland hat mit der internationalen Rückversicherungsgesellschaft Element Re mit Sitz auf den Bermudas ein Risikogeschäft in Form eines Wetterderivats abgeschlossen. Der Energieversorger liefert hauptsächlich Strom für Beregnungsanlagen im Raum Lüneburg und will sich mit dem Wetterderivat gegen Einnahmeverluste absichern. Die Versicherungsperiode dauert vom 1. Mai bis zum 31. August und umfasst eine Ausgleichszahlung, falls in diesem Zeitraum mehr Regen niedergeht als vorher festgehalten. Bei einem Sommer mit viel Niederschlag würde der Stromverkauf für die Wasserkanonen niedriger ausfallen, durch den Wetterderivateabschluss wäre der Rückversicherer zur Zahlung verpflichtet.

An den deutschen Börsen sind Wetterderivate bisher nicht handelbar. „Die Schwierigkeit liegt darin, das Wetterderivat soweit zu standardisieren, dass es als Produkt an der Börse definiert werden kann“, erläutert Hedenstedt.
 
Wetterderivate noch nicht börsenreif
 
Im Februar dieses Jahres hatte Produktentwickler Thomas Wahl von der Derivate-Börse Eurex bei einer Euroforum-Konferenz die fehlende Marktreife von Wetterderivaten noch auf weitere Gründe zurückgeführt. Ein Markthemmnis sei beispielsweise, dass europäische Wetterdaten teurer, schwerer erhältlich und von schlechterer Qualität als US-Daten seien, so Wahl. Zudem seien noch die Besteuerung und der rechtliche Status von Wetterderivaten ungeregelt. Lediglich in Frankreich, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien werden diese bereits wie andere Warentermingeschäfte geregelt. Darüber hinaus fehle ein Standardpreismodell, um die derzeit großen Geld-/Brief-Spannen zu verringern. Auch das Black-Scholes-Optionspreismodell könne nicht ohne weiteres für Wetterderivate verwendet werden, da die Basiswerte nicht gehandelt werden, erläutert der Eurex-Experte. Und die klassische Wettervorhersage sei noch keine Alternative zu Preismodellen.

Die Eurex berechnet heute jedoch bereits europäische Wetterindizes, die mittelfristig auch als Basiswerte für Wetterderivate dienen könnten; vorausgesetzt die Indizes können sich etablieren. Ebenfalls in der Planung seien sowohl Futures (Swaps) als auch Optionen auf europäische Wetterindizes, erklärt Wahl weiter. Die Eurex bietet interessierten Marktteilnehmern die Zusammenarbeit bei der Ausgestaltung der Spezifikationen und der Marktmodelle an. Mögliche Spezifikationen seien die Basiswerte (monatliche und saisonale Wetterindizes europäischer Städte), die Multiplikatoren (1 000 Euro je Indexpunkt), die Verfallsmonate (nächste 18 Monate bzw. nächste drei Saisons), die Basispreise (mindestens 10 je Verfallstermin in Abstufungen von 25 Indexwerten außer bei Futures) sowie die Lieferungen (Barausgleich).
 

Samstag, 29.05.2021, 17:35 Uhr
Andreas Kögler, Jochen Schultheiß und Fritz Wilhelm

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.