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Energie & Management > Elektrofahrzeuge - Verbände uneins über das Millionenziel bei öffentlichen Ladepunkten
Quelle: Fotolia / Petair
Elektrofahrzeuge

Verbände uneins über das Millionenziel bei öffentlichen Ladepunkten

Verbände der Automobilindustrie und Energiewirtschaft widersprechen sich in ihrer Auffassung, wie viele öffentliche Ladepunkte in Deutschland für die Verkehrswende bis 2030 nötig sind.
In Deutschland benötigen 15 Millionen Elektro-Autos eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte. So lautet die Hochrechnung der Bundesregierung im "Masterplan Ladeinfrastruktur II" für das Jahr 2030. Viel zu viele Stromtankstellen, argwöhnt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) – absolut erstrebenswert, findet der Verband der Automobilindustrie (VDA).

Seine Analyse des aktuellen Bestands an Ladepunkten im öffentlichen Raum hatte der VDA am 13. Juni genutzt, um von den Kommunen ein schnelleres Tempo beim Ausbau der Infrastruktur zu fordern. Die Auswertung zum Stichtag 1. Mai 2022 hatte ergeben, dass binnen zwölf Monaten zwar im Schnitt 57.000 neue E-Autos pro Monat eine Zulassung erhalten hatten. Die öffentlichen Ladepunkte aber wuchsen nur um etwa 330 pro Woche. Mehr als die Hälfte der insgesamt 10.796 Kommunen verfüge über keinen einzigen öffentlichen Ladepunkt.

VDA verlangt Tempo − BDEW sieht "Überangebot" kritisch

Der VDA rechnete vor, dass bei derzeit 60.364 öffentlichen Stromtankstellen (laut Register der Bundesnetzagentur) eigentlich 2.000 pro Woche hinzukommen müssten, damit die Bundesregierung das Millionenziel im Jahr 2030 auch erreiche. „Die Ausbaugeschwindigkeit müsste also versechsfacht werden“, folgert der Verband. Dessen Präsidentin Hildegard Müller sieht eine „erhöhte Notwendigkeit“ für den „ambitionierten Ausbau der Ladeinfrastruktur“. Da die Entwicklung zu langsam verlaufe, „muss der Ausbau dem Bedarf um zwei Jahre vorausgehen“.

Die Gegenposition dazu vertritt der BDEW. Dessen Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae sieht die „Grundannahme“ der Bundesregierung von einer Million öffentlicher Ladepunkte „kritisch“. Das Ziel gehe „weit über den tatsächlichen Bedarf hinaus“ und habe „weitreichende Folgen für den gesamten Masterplan“. Sie moniert besonders, dass der Bund mit zusätzlichen Subventionen für das Millionenziel, die „eigentlich gar nicht erforderlich“ seien, privatwirtschaftliche Investitionen aushebele.

Andreae warnt davor, dass ein „Überangebot“ an Lademöglichkeiten den Wettbewerb unter Säulenbetreibern zum Erliegen bringe. Eine ihrer Argumentationslinien dürfte an E-Autos Interessierte zumindest verwundern. Die BDEW-Präsidentin glaubt, der Zielwert von einer Million „schürt eine falsche Erwartungshaltung“ und bremse den Umstieg auf das Elektroauto. Für eine Kaufentscheidung und den Wechsel auf E-Antrieb sei vielmehr eine „realistische Vorstellung davon“ nötig, „wie viele Ladepunkte bundesweit tatsächlich benötigt werden“.

Kampf um die Deutungshoheit, was E-Mobilisten wünschen

Was Kerstin Andreae außen vor lässt, ist das wirtschaftliche Interesse der betroffenen Mitgliedsunternehmen im BDEW. Je mehr Ladepunkte zur Verfügung stehen und ein Laden ohne große Wartezeiten ermöglichen, desto geringer ist die Auslastung der einzelnen Station. Das bedeutet für die Betreiber eine (noch) längere Zeitspanne, bis die Investitionen sich amortisieren und die Gewinnspanne erreicht ist.

Der BDEW setzt der Bundesregierung ergo seine eigene Einschätzung entgegen. Der Bedarf liege zwischen 100.000 und 250.000 öffentlicher Ladepunkte. Der Interessenverband legt dafür ein Rechenmodell der Nationalen Plattform Mobilität (NPM) zugrunde, das für 15 Millionen E-Pkw bei drei Volllaststunden pro Tag 107.000 bis 631.000 Ladepunkte für 2030 als notwendig erachtet. Die Ungenauigkeit ergibt sich aus unterschiedlichen Prognosen über die Schnelligkeit des Ladevorgangs, den bevorzugten Ort des Ladens (privat/Arbeit/öffentlich) und die Anzahl zugelassener E-Autos.

Die aus BDEW-Sicht maximal nötige Viertelmillion Ladepunkte steht also im Gegensatz zur Auffassung der Bundesregierung und des VDA. Der Automobilverband warnt davor, den Ausbau zu verschleppen. Werde die Geschwindigkeit nicht gesteigert, „gibt es in Deutschland im Jahr 2030 gerade einmal rund 210.000 Ladepunkte“. Nur mehr Tempo könne „das dringend benötigte Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in eine verlässliche und ausreichende Ladeinfrastruktur“ schaffen.

Vertrauen schaffen durch weniger oder durch mehr Ladepunkte – es scheint, als seien diese Positionen nicht übereinander zu bringen. Wer E-Auto fährt oder fahren möchte, sollte womöglich besser für sich entscheiden, ob ihr oder ihm ein Angebot von 250.000 oder von einer Million Stromzapfstellen eher behagt.

Eine Übereinstimmung kennen BDEW und VDA gleichwohl. Beide Verbände fordern vom Bund schnellere Planungs- und Genehmigungsprozesse beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. Na, immerhin etwas.

Dienstag, 14.06.2022, 15:52 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Elektrofahrzeuge - Verbände uneins über das Millionenziel bei öffentlichen Ladepunkten
Quelle: Fotolia / Petair
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Verbände uneins über das Millionenziel bei öffentlichen Ladepunkten
Verbände der Automobilindustrie und Energiewirtschaft widersprechen sich in ihrer Auffassung, wie viele öffentliche Ladepunkte in Deutschland für die Verkehrswende bis 2030 nötig sind.
In Deutschland benötigen 15 Millionen Elektro-Autos eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte. So lautet die Hochrechnung der Bundesregierung im "Masterplan Ladeinfrastruktur II" für das Jahr 2030. Viel zu viele Stromtankstellen, argwöhnt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) – absolut erstrebenswert, findet der Verband der Automobilindustrie (VDA).

Seine Analyse des aktuellen Bestands an Ladepunkten im öffentlichen Raum hatte der VDA am 13. Juni genutzt, um von den Kommunen ein schnelleres Tempo beim Ausbau der Infrastruktur zu fordern. Die Auswertung zum Stichtag 1. Mai 2022 hatte ergeben, dass binnen zwölf Monaten zwar im Schnitt 57.000 neue E-Autos pro Monat eine Zulassung erhalten hatten. Die öffentlichen Ladepunkte aber wuchsen nur um etwa 330 pro Woche. Mehr als die Hälfte der insgesamt 10.796 Kommunen verfüge über keinen einzigen öffentlichen Ladepunkt.

VDA verlangt Tempo − BDEW sieht "Überangebot" kritisch

Der VDA rechnete vor, dass bei derzeit 60.364 öffentlichen Stromtankstellen (laut Register der Bundesnetzagentur) eigentlich 2.000 pro Woche hinzukommen müssten, damit die Bundesregierung das Millionenziel im Jahr 2030 auch erreiche. „Die Ausbaugeschwindigkeit müsste also versechsfacht werden“, folgert der Verband. Dessen Präsidentin Hildegard Müller sieht eine „erhöhte Notwendigkeit“ für den „ambitionierten Ausbau der Ladeinfrastruktur“. Da die Entwicklung zu langsam verlaufe, „muss der Ausbau dem Bedarf um zwei Jahre vorausgehen“.

Die Gegenposition dazu vertritt der BDEW. Dessen Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae sieht die „Grundannahme“ der Bundesregierung von einer Million öffentlicher Ladepunkte „kritisch“. Das Ziel gehe „weit über den tatsächlichen Bedarf hinaus“ und habe „weitreichende Folgen für den gesamten Masterplan“. Sie moniert besonders, dass der Bund mit zusätzlichen Subventionen für das Millionenziel, die „eigentlich gar nicht erforderlich“ seien, privatwirtschaftliche Investitionen aushebele.

Andreae warnt davor, dass ein „Überangebot“ an Lademöglichkeiten den Wettbewerb unter Säulenbetreibern zum Erliegen bringe. Eine ihrer Argumentationslinien dürfte an E-Autos Interessierte zumindest verwundern. Die BDEW-Präsidentin glaubt, der Zielwert von einer Million „schürt eine falsche Erwartungshaltung“ und bremse den Umstieg auf das Elektroauto. Für eine Kaufentscheidung und den Wechsel auf E-Antrieb sei vielmehr eine „realistische Vorstellung davon“ nötig, „wie viele Ladepunkte bundesweit tatsächlich benötigt werden“.

Kampf um die Deutungshoheit, was E-Mobilisten wünschen

Was Kerstin Andreae außen vor lässt, ist das wirtschaftliche Interesse der betroffenen Mitgliedsunternehmen im BDEW. Je mehr Ladepunkte zur Verfügung stehen und ein Laden ohne große Wartezeiten ermöglichen, desto geringer ist die Auslastung der einzelnen Station. Das bedeutet für die Betreiber eine (noch) längere Zeitspanne, bis die Investitionen sich amortisieren und die Gewinnspanne erreicht ist.

Der BDEW setzt der Bundesregierung ergo seine eigene Einschätzung entgegen. Der Bedarf liege zwischen 100.000 und 250.000 öffentlicher Ladepunkte. Der Interessenverband legt dafür ein Rechenmodell der Nationalen Plattform Mobilität (NPM) zugrunde, das für 15 Millionen E-Pkw bei drei Volllaststunden pro Tag 107.000 bis 631.000 Ladepunkte für 2030 als notwendig erachtet. Die Ungenauigkeit ergibt sich aus unterschiedlichen Prognosen über die Schnelligkeit des Ladevorgangs, den bevorzugten Ort des Ladens (privat/Arbeit/öffentlich) und die Anzahl zugelassener E-Autos.

Die aus BDEW-Sicht maximal nötige Viertelmillion Ladepunkte steht also im Gegensatz zur Auffassung der Bundesregierung und des VDA. Der Automobilverband warnt davor, den Ausbau zu verschleppen. Werde die Geschwindigkeit nicht gesteigert, „gibt es in Deutschland im Jahr 2030 gerade einmal rund 210.000 Ladepunkte“. Nur mehr Tempo könne „das dringend benötigte Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in eine verlässliche und ausreichende Ladeinfrastruktur“ schaffen.

Vertrauen schaffen durch weniger oder durch mehr Ladepunkte – es scheint, als seien diese Positionen nicht übereinander zu bringen. Wer E-Auto fährt oder fahren möchte, sollte womöglich besser für sich entscheiden, ob ihr oder ihm ein Angebot von 250.000 oder von einer Million Stromzapfstellen eher behagt.

Eine Übereinstimmung kennen BDEW und VDA gleichwohl. Beide Verbände fordern vom Bund schnellere Planungs- und Genehmigungsprozesse beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. Na, immerhin etwas.

Dienstag, 14.06.2022, 15:52 Uhr
Volker Stephan

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