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Energie & Management > Klimaschutz - Verbände kritisieren CO2-Preis für Abfallverbrennung
Quelle: Fotolia / frenta
Klimaschutz

Verbände kritisieren CO2-Preis für Abfallverbrennung

In einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Klimaschutz und Energie kritisierten Experten die Absicht, auch die Müllverbrennung in die CO2-Bepreisung einzubeziehen.
Der CO2-Preis auf die Abfallverbrennung müsse noch mindestens zwei Jahre ausgesetzt werden, so die Forderung vieler Experten im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie. Am Nachmittag des 12. Oktober stand die aktuelle Novelle des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) zur Diskussion.

Dieses belegt seit 2020 fossile Brennstoffe im Verkehr und zum Heizen mit einer Abgabe für den Treibhausgasausstoß. Nun sollen auch Emissionen aus der Abfallverbrennung einbezogen werden. Zugleich beabsichtigen die Koalitionsparteien allerdings, die vorgesehenen Preiserhöhungen der CO2-Abgabe im schon bestehenden Handelssystem wegen der aktuell hohen Energiepreise um jeweils ein Jahr zu verschieben.

CO2-Bepreisung aufschieben

Die klare Mehrheit der Sachverständigen bezweifelte, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Verteuerung der Abfallverbrennung ist, welche zu höheren Gebühren führen würde. "Es ist in der jetzigen Situation angesichts der Inflation und der steigenden Energiepreise dringend notwendig, zusätzliche Belastungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen zu verhindern", erklärte Christine Wilcken vom Deutschen Städtetag. Dies stehe auch im Widerspruch zu der geplanten Verschiebung der CO2-Preiserhöhung.

Holger Thärichen, Geschäftsführer Abfallwirtschaft und Stadtsauberkeit beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU), verwies darauf, dass die Müllgebühren bei Geringverdienern einen besonders großen Anteil am verfügbaren Einkommen haben. Hinzu komme, dass Mieter den höheren Gebühren kaum ausweichen können, weil diese über die Nebenkostenabrechnung nach Quadratmetern umgelegt werden. Eigenheimbesitzer dagegen könnten durch vermehrte Mülltrennung Restmüllgebühren sparen.
 
 
Laut Prognose des VKU kämen mit der CO2-Abgabe "fast eine Milliarde Euro Mehrkosten für die Abfallentsorgung allein im ersten Jahr" auf die Haushalte zu. Die Stadtwerke unterstützten sachgerechten Klimaschutz, allerdings müsse ein Preismechanismus nicht bei den Abfällen, sondern bei den Herstellern und In-Verkehr-Bringern von fossilen Kunststoffprodukten ansetzen.

"Sinnvoll wäre es zum Beispiel, endlich die EU-Kunststoffsteuer von der Plastikindustrie bezahlen zu lassen, statt sie aus Steuermitteln des Bundeshaushaltes zu begleichen", so der Verband. Ein CO2-Preis auf die Abfallverbrennung würde zum Export großer Mengen in andere EU-Länder führen, obwohl sie in Deutschland zur Rohstoff- und Energiesicherheit beitragen, befürchtet der VKU.

Lenkungswirkung umstritten

Mehrere Sachverständige bezweifelten, ob im Fall der Müllverbrennung die CO2-Bepreisung den Ausstoß reduzieren würde. Peter Kurth, Geschäftsführender Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE), sagte: "Preise haben keine Auswirkung auf die Menge, die verbrannt wird." Auch Felix Matthes, Forschungskoordinator im Bereich Energie- und Klimapolitik beim Öko-Institut, nannte in Anbetracht der derzeitigen Brennstoffpreise die unmittelbare Wirkung einer CO2-Bepreisung in der Müllverbrennung "gering". "Was Emissionen lenkt, sind Preiserwartungen für die Zukunft, nicht aktuelle Preise", stellte Matthes fest.

Jens Thieme, Geschäftsführer des Recycling-Unternehmens Alba Supply Chain Management, plädierte dagegen für den vorgelegten Gesetzentwurf. "Wir glauben sehr stark an die Lenkungswirkung", erklärte er. "Wenn der Preis am Ende der Kette", also bei der Entsorgung, "erhöht wird, wird er an die Erzeuger durchgereicht". Es werde also mehr Müll vermieden und mehr vorsortiert. Thieme bezweifelte auch, dass es zu wesentlich mehr Müllexporten käme, denn die Verbrennungsanlagen im nahen Ausland seien bereits stark ausgelastet.

Verlässlichen Emissionsdaten erst 2024

Daten über die CO2-Emissionen der verschiedenen Arten von Verbrennungsanlagen "stehen derzeit nicht belastbar zur Verfügung", stellte Martin Pohl von der Enverum Ingenieurgesellschaft für Energie- und Umweltverfahrenstechnik fest und zog damit in Zweifel, ob eine gerechte, CO2-Bepreisung in diesem Fall überhaupt umsetzbar sei. Ein Forschungsprojekt des Umweltbundesamtes, mit dem diese Daten ermittelt werden sollen, werde erst Ende 2024 abgeschlossen sein.

Eine deutliche Mehrheit der Sachverständigen plädierte dafür, die Einführung des Gesetzes um mindestens zwei Jahre zu verschieben und eventuell eine europäische Lösung zu übernehmen. Das Europäische Parlament wolle ab 2026 die Müllverbrennung in den europäischen Emissionshandel einbeziehen. Aktuell liefen derzeit die Trilog-Verhandlungen von Parlament, Rat und Kommission für eine Einigung. Der VKU schloss: "Wir bauen deswegen jetzt auf das Fachverständnis der Abgeordneten und ihre Abstimmung in der zweiten und dritten Lesung zu diesem Gesetz."

Donnerstag, 13.10.2022, 11:47 Uhr
Susanne Harmsen
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Verbände kritisieren CO2-Preis für Abfallverbrennung
In einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Klimaschutz und Energie kritisierten Experten die Absicht, auch die Müllverbrennung in die CO2-Bepreisung einzubeziehen.
Der CO2-Preis auf die Abfallverbrennung müsse noch mindestens zwei Jahre ausgesetzt werden, so die Forderung vieler Experten im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie. Am Nachmittag des 12. Oktober stand die aktuelle Novelle des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) zur Diskussion.

Dieses belegt seit 2020 fossile Brennstoffe im Verkehr und zum Heizen mit einer Abgabe für den Treibhausgasausstoß. Nun sollen auch Emissionen aus der Abfallverbrennung einbezogen werden. Zugleich beabsichtigen die Koalitionsparteien allerdings, die vorgesehenen Preiserhöhungen der CO2-Abgabe im schon bestehenden Handelssystem wegen der aktuell hohen Energiepreise um jeweils ein Jahr zu verschieben.

CO2-Bepreisung aufschieben

Die klare Mehrheit der Sachverständigen bezweifelte, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Verteuerung der Abfallverbrennung ist, welche zu höheren Gebühren führen würde. "Es ist in der jetzigen Situation angesichts der Inflation und der steigenden Energiepreise dringend notwendig, zusätzliche Belastungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen zu verhindern", erklärte Christine Wilcken vom Deutschen Städtetag. Dies stehe auch im Widerspruch zu der geplanten Verschiebung der CO2-Preiserhöhung.

Holger Thärichen, Geschäftsführer Abfallwirtschaft und Stadtsauberkeit beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU), verwies darauf, dass die Müllgebühren bei Geringverdienern einen besonders großen Anteil am verfügbaren Einkommen haben. Hinzu komme, dass Mieter den höheren Gebühren kaum ausweichen können, weil diese über die Nebenkostenabrechnung nach Quadratmetern umgelegt werden. Eigenheimbesitzer dagegen könnten durch vermehrte Mülltrennung Restmüllgebühren sparen.
 
 
Laut Prognose des VKU kämen mit der CO2-Abgabe "fast eine Milliarde Euro Mehrkosten für die Abfallentsorgung allein im ersten Jahr" auf die Haushalte zu. Die Stadtwerke unterstützten sachgerechten Klimaschutz, allerdings müsse ein Preismechanismus nicht bei den Abfällen, sondern bei den Herstellern und In-Verkehr-Bringern von fossilen Kunststoffprodukten ansetzen.

"Sinnvoll wäre es zum Beispiel, endlich die EU-Kunststoffsteuer von der Plastikindustrie bezahlen zu lassen, statt sie aus Steuermitteln des Bundeshaushaltes zu begleichen", so der Verband. Ein CO2-Preis auf die Abfallverbrennung würde zum Export großer Mengen in andere EU-Länder führen, obwohl sie in Deutschland zur Rohstoff- und Energiesicherheit beitragen, befürchtet der VKU.

Lenkungswirkung umstritten

Mehrere Sachverständige bezweifelten, ob im Fall der Müllverbrennung die CO2-Bepreisung den Ausstoß reduzieren würde. Peter Kurth, Geschäftsführender Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE), sagte: "Preise haben keine Auswirkung auf die Menge, die verbrannt wird." Auch Felix Matthes, Forschungskoordinator im Bereich Energie- und Klimapolitik beim Öko-Institut, nannte in Anbetracht der derzeitigen Brennstoffpreise die unmittelbare Wirkung einer CO2-Bepreisung in der Müllverbrennung "gering". "Was Emissionen lenkt, sind Preiserwartungen für die Zukunft, nicht aktuelle Preise", stellte Matthes fest.

Jens Thieme, Geschäftsführer des Recycling-Unternehmens Alba Supply Chain Management, plädierte dagegen für den vorgelegten Gesetzentwurf. "Wir glauben sehr stark an die Lenkungswirkung", erklärte er. "Wenn der Preis am Ende der Kette", also bei der Entsorgung, "erhöht wird, wird er an die Erzeuger durchgereicht". Es werde also mehr Müll vermieden und mehr vorsortiert. Thieme bezweifelte auch, dass es zu wesentlich mehr Müllexporten käme, denn die Verbrennungsanlagen im nahen Ausland seien bereits stark ausgelastet.

Verlässlichen Emissionsdaten erst 2024

Daten über die CO2-Emissionen der verschiedenen Arten von Verbrennungsanlagen "stehen derzeit nicht belastbar zur Verfügung", stellte Martin Pohl von der Enverum Ingenieurgesellschaft für Energie- und Umweltverfahrenstechnik fest und zog damit in Zweifel, ob eine gerechte, CO2-Bepreisung in diesem Fall überhaupt umsetzbar sei. Ein Forschungsprojekt des Umweltbundesamtes, mit dem diese Daten ermittelt werden sollen, werde erst Ende 2024 abgeschlossen sein.

Eine deutliche Mehrheit der Sachverständigen plädierte dafür, die Einführung des Gesetzes um mindestens zwei Jahre zu verschieben und eventuell eine europäische Lösung zu übernehmen. Das Europäische Parlament wolle ab 2026 die Müllverbrennung in den europäischen Emissionshandel einbeziehen. Aktuell liefen derzeit die Trilog-Verhandlungen von Parlament, Rat und Kommission für eine Einigung. Der VKU schloss: "Wir bauen deswegen jetzt auf das Fachverständnis der Abgeordneten und ihre Abstimmung in der zweiten und dritten Lesung zu diesem Gesetz."

Donnerstag, 13.10.2022, 11:47 Uhr
Susanne Harmsen

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