Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
Die Bundesnetzagentur hat im Juli 2024 ein Eckpunktepapier zur Reform der industriellen Netzentgelte vorgelegt. Die Industrie ist davon wenig angetan.
In einer aktuellen Stellungnahme zur geplanten Reform der Stromnetzentgelte für Großverbraucher hat der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) vor einer möglichen Überforderung der Industrie gewarnt. Die ökonomischen Auswirkungen einer Flexibilisierung der Produktion dürfe man nicht außer Acht lassen. Abweichungen vom optimalen Betriebspunkt hätten höhere Betriebskosten und technische Ineffizienzen zur Folge, so die Interessenvertretung der großen Energieverbraucher.
Konsultationsphase endete am 18. SeptemberHintergrund der Äußerung sind Pläne der Bundesnetzagentur, das Privileg der sogenannten Bandlastregelung abzuschaffen. Demnach haben Unternehmen derzeit noch Anspruch auf ein individuelles Netzentgelt, wenn ihre „Stromabnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung für den eigenen Verbrauch an einer Abnahmestelle pro Kalenderjahr sowohl die Benutzungsstundenzahl von mindestens 7.000 Stunden im Jahr erreicht als auch der Stromverbrauch an dieser Abnahmestelle pro Kalenderjahr zehn Gigawattstunden übersteigt“, wie es in §19
Abs.2 der Stromnetzentgeltverordnung (Strom NEV) heißt.
An die Stelle dieser Regelung soll künftig ein an den Marktpreis gekoppeltes Flexibilitätsentgelt treten. Dahinter steht der Gedanke, dass Unternehmen ihr Abnahmeverhalten an die jeweilige Netzsituation und die Verfügbarkeit von regenerativer Energie beziehungsweise die entsprechenden Strompreisschwankungen anpassen.
Ihre Vorstellungen hat die Bundesnetzagentur in einem Eckpunktepapier dargelegt und am 24. Juli 2024 veröffentlicht. Die Konsultationsfrist dazu endete am 18. September. Am Ende des Verfahrens soll eine „Festlegung zur Setzung systemdienlicher Anreize durch ein Sondernetzentgelt für Industriekunden“ der Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur stehen.
Die Flexibilitätspotenziale in der Industrie seien begrenzt und nicht in jeder Branche und jedem Unternehmen vorhanden, argumentiert der VIK. Gleichzeitig müssten die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und ökonomische Grundsätze der industriellen Produktion gewahrt bleiben.
„Individuelle Netzentgelte sind für energieintensive Unternehmen unverzichtbar, um international konkurrenzfähig sein zu können“, sagt Christian Seyfert. „Eine ersatzlose Aufhebung der Bandlastregelung würde jedoch zu erheblichen Netzkostenerhöhungen führen und den Industriestandort Deutschland mitten in der Krise ernsthaft abwerten“, so der Hauptgeschäftsführer des VIK.
Vorhandene industrielle Flexibilitätspotenziale stellt der Verband zwar nicht gänzlich gänzlich in Abrede, spricht sich jedoch für deren anreizbasierte Hebung auf freiwilliger Basis aus. Dafür seien allerdings klare und stabile Rahmenbedingungen erforderlich. Nur so seien die Unternehmen in der Lage, in Flexibilisierungsmaßnahmen zu investieren.
Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hat sich zu Wort gemeldet und eine Beschränkung der Netzentgelt-Privilegien auf Kunden gefordert, die sich netzdienlich verhalten. Die Netzdienlichkeit müsse bei einem Sonderentgelt immer im Vordergrund stehen, heißt es in der Stellungnahme zum Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur. Darüber hinaus betonte der VKU, die Anreize zum neuen Sondernetzentgelt müssten klar geregelt, ohne komplizierte Ausnahmen und leicht umsetzbar sein. Allerdings hält es auch der Stadtwerke-Verband für fraglich, dass die Industrie großflächig ihre Produktionsprozesse flexibilisieren kann. Zumindest könnten Zusatzinvestitionen in Speicherkapazitäten oder Eigenerzeugungsanlagen notwendig sein, was entsprechende Vorlaufzeiten mit sich bringe.
Habeck bekräftig den Willen, die Industrie zu entlastenIm Rahmen eines Besuchs beim Stahlhersteller Georgsmarienhütte am 19.
September hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) laut der Nachrichtenagentur
dpa bekräftigt, er setze sich dafür ein, dass die Industrie bei den Netzentgelten entlastet werde. Zwar sei der geplante Bundeszuschuss zur Finanzierung der Kosten des Übertragungsnetzausbaus in Höhe von 5,5
Milliarden Euro dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Opfer gefallen. Dennoch halte er Zuschüsse zu den Netzkosten für sinnvoll, auch wenn es im Moment dafür keinen „Finanzpool“ gebe. Es sei allerdings, wie es der Bundesverband der Deutschen Industrie auch vorgeschlagen habe, ein Sondervermögen denkbar. Außerdem habe sich der Minister für einen zeitliche Streckung der Kosten für den Netzausbau ausgesprochen.
Nähere Informationen zum Konsultations- und Festlegungsverfahren zur
Setzung systemdienlicher Anreize durch ein Sondernetzentgelt für Industriekunden hat die Bundesnetzagentur auf ihrer Internetseite veröffentlicht.
Donnerstag, 19.09.2024, 15:25 Uhr
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