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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Unter der Sonne Nordafrikas
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

Unter der Sonne Nordafrikas

Die Rolle der südlichen Mittelmeerregion für die Wasserstoff- und Synfuel-Produktion aus grünen Quellen analysierte das DLR mit Partnern.
Zwei technische Strategien stehen hauptsächlich bei der Dekarbonisierung des Verkehrssektors laut den Forschenden im Raum: Neben der direkten Elektrifizierung des Verkehrs auf Basis erneuerbarer Energien − der Elektromobilität − gibt es die indirekte Elektrifizierung über die Nutzung synthetischer, gasförmiger und flüssiger Kraftstoffe, die aus grünem Wasserstoff hergestellt werden.

Inwieweit sich der deutsche Bedarf an diesen synthetischen Kraftstoffen, auch Synfuels genannt, aus dem Nahen Osten und Nordafrika decken lässt, untersuchten Forschende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie sowie des Instituts für Zukunftsenergie und Stoffstromsysteme (IZES). Die Ergebnisse ihres auf dreieinhalb Jahre angelegten „MENA-Fuels-Projekts“ stellten sie vergangenen Dezember der Öffentlichkeit vor.

Für die Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstmals die 17 Länder der Region Mena (Middle East and North Africa) hochaufgelöst untersucht. Sie unterteilten hierzu das Gebiet in kleine Flächen und werteten diese einzeln aus. Ebenfalls neu: Die Autorinnen und Autoren modellierten die gesamte Produktionskette für synthetische Kraftstoffe inklusive Speicher für Energie und Wasserstoff und integrierten diese in ihre Berechnungen. 
 
Concentrated Solar Power (CSP) kommt bei der Erzeugung aus erneuerbaren Energien in der Mena-Region eine besondere Bedeutung zu. Im Bild: das solarthermische Turmkraftwerk „NOORo III“ in Marokko
Quelle: SENER

Neben den technologischen und ökonomischen Aspekten flossen erstmals auch die jeweiligen individuellen Länderrisiken mit ein. „Zum ersten Mal liegt uns damit eine umfangreiche Analyse vor − als Grundlage für weitere Forschungsarbeiten, aber auch als Informationsquelle und Basis für Entscheiderinnen und Entscheider in Industrie und Politik“, erklärt Jürgen Kern, Projektleiter der Studie beim DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme.
Zu den Ergebnissen:
  • Hohes technisches Potenzial für grünen Strom, Wasserstoff und Synfuels: Dem Strom aus erneuerbaren Energiequellen im Nahen Osten und Nordafrika − insbesondere aus Photovoltaik und konzentrierter Solarthermie (Concentrated Solar Power, CSP) − schreiben die Forschenden große Potenzial zu: Die jährliche Erzeugungskapazität aus Erneuerbaren geben sie mit rund 413.000 TWh an. Entsprechend hoch sind auch die Potenziale zur Produktion von Wasserstoff und Synfuels. Und dies selbst nach Abzug des langfristigen Eigenbedarfs der Mena-Region bei einer kompletten Umstellung auf erneuerbare Energien. Die Prognose der Wissenschaftler: Abhängig vom angenommenen Entwicklungsszenario (negativ, konservativ oder positiv) könnte das Exportpotenzial den deutschen Bedarf an synthetischen Kraftstoffen um das 60- bis 1.200-Fache übersteigen.
  • Geringe Gestehungskosten für grünen Strom, Wasserstoff und Synfuels: Nahezu alle Länder der Mena-Region weisen laut der Forschenden bedeutende Erzeugungspotenziale mit geringen Gestehungskosten auf. An den günstigsten Standorten beziffern sie die Herstellungskosten für Synfuels im Jahr 2030 zwischen 1,92 und 2,65 Euro pro Liter − und 2050 zwischen 1,22 und 1,65 Euro pro Liter, eine positive Entwicklung der Investitionsbedingungen vorausgesetzt. Das Exportpotenzial von synthetischen Kraftstoffen, die unter 2 Euro pro Liter hergestellt werden können, betrage selbst bei negativen Investitionsbedingungen im Jahr 2050 rund 28.000 TWh. Entwickeln sich die Investitionsbedingungen positiv, belaufe sich das jährliche Exportpotenzial auf über 50.000 TWh.
  • Investitionsumfeld entscheidet über potenzielle Exportregionen: Die Analyse zeigt außerdem, dass bei der Bewertung möglicher Exportpotenziale nicht nur die Herstellungskosten eine Rolle spielen, sondern auch das Investitionsumfeld. Die Investitionsrisiken in den Ländern nehmen einen signifikanten Einfluss auf die Kosten des Wasserstoffs und seiner Folgeprodukte und damit auf die Auswahl der möglichen Exportländer. „Unabhängig von den reinen Kostengrößen spielt die Planungssicherheit für Investoren eine zentrale Rolle“, betont Peter Viebahn. Laut dem Co-Leiter des Forschungsbereichs Sektoren und Technologien am Wuppertal Institut und Leiter der Mena-Fuels-Studie komme es daher darauf an, dass langfristige, stabile politische Rahmenbedingungen für einen Markt für grünen Wasserstoff sowie synthetische Folgeprodukte geschaffen werden.
  • Transport der Energieträger von Bedeutung: Die Höhe der Transportkosten variiert stark je nach Art des zu transportierenden Produkts (Strom, Wasserstoff oder Synfuels). Laut der Modellergebnisse wäre der Energietransport von Mena nach Europa über weite Distanzen überwiegend in Form von Wasserstoff oder Synfuels sinnvoll. Diese hätten vergleichsweise geringe Transportkosten und nutzten zudem das Erzeugungspotenzial am Herstellungsort besser aus. Der Transport von Strom dagegen wäre mit vergleichsweise hohe Kosten verbunden. 

Ausbauziele der Länder ziehen nicht mit

Grundvoraussetzung für den Export synthetischer Kraftstoffe ist in jedem Szenario − egal ob negativ, konservativ oder positiv − der umfassende Ausbau der erneuerbaren Energien direkt in der Mena-Region. Die Erneuerbaren müssten, so fordern es die Forschenden, zunächst primär für die Abdeckung der weiter ansteigenden Stromnachfrage vor Ort ausgebaut werden. Sie weisen darauf hin, dass ein zusätzlichen Ausbau der Erneuerbaren in der Mena-Region für den Export von Synfuels nicht auf Kosten der dortigen Energietransformationen gehen dürfe. Die globalen Klimaziele würden sonst konterkariert. Zudem hätten Erfahrungen aus der Vergangenheit gezeigt, dass allein auf den Export ausgerichtete Ausbaustrategien aus Mangel an Akzeptanz vor Ort zum Scheitern verurteilt seien.

Der erforderliche Ausbau an Erzeugungskapazitäten für Solar- und Windstrom zur Eigenversorgung der Mena-Region liegt bis 2050 je nach Szenario bei 4.500 bis knapp 9.000 GW. Derartige Größenordnungen und die dafür erforderliche Ausbaudynamik sind jedoch nicht einmal im Ansatz in den derzeitigen Ausbauzielen der meisten Mena-Länder abgebildet, monieren die Wissenschaftler.

Mittwoch, 25.01.2023, 09:00 Uhr
Davina Spohn
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Unter der Sonne Nordafrikas
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
Unter der Sonne Nordafrikas
Die Rolle der südlichen Mittelmeerregion für die Wasserstoff- und Synfuel-Produktion aus grünen Quellen analysierte das DLR mit Partnern.
Zwei technische Strategien stehen hauptsächlich bei der Dekarbonisierung des Verkehrssektors laut den Forschenden im Raum: Neben der direkten Elektrifizierung des Verkehrs auf Basis erneuerbarer Energien − der Elektromobilität − gibt es die indirekte Elektrifizierung über die Nutzung synthetischer, gasförmiger und flüssiger Kraftstoffe, die aus grünem Wasserstoff hergestellt werden.

Inwieweit sich der deutsche Bedarf an diesen synthetischen Kraftstoffen, auch Synfuels genannt, aus dem Nahen Osten und Nordafrika decken lässt, untersuchten Forschende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie sowie des Instituts für Zukunftsenergie und Stoffstromsysteme (IZES). Die Ergebnisse ihres auf dreieinhalb Jahre angelegten „MENA-Fuels-Projekts“ stellten sie vergangenen Dezember der Öffentlichkeit vor.

Für die Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstmals die 17 Länder der Region Mena (Middle East and North Africa) hochaufgelöst untersucht. Sie unterteilten hierzu das Gebiet in kleine Flächen und werteten diese einzeln aus. Ebenfalls neu: Die Autorinnen und Autoren modellierten die gesamte Produktionskette für synthetische Kraftstoffe inklusive Speicher für Energie und Wasserstoff und integrierten diese in ihre Berechnungen. 
 
Concentrated Solar Power (CSP) kommt bei der Erzeugung aus erneuerbaren Energien in der Mena-Region eine besondere Bedeutung zu. Im Bild: das solarthermische Turmkraftwerk „NOORo III“ in Marokko
Quelle: SENER

Neben den technologischen und ökonomischen Aspekten flossen erstmals auch die jeweiligen individuellen Länderrisiken mit ein. „Zum ersten Mal liegt uns damit eine umfangreiche Analyse vor − als Grundlage für weitere Forschungsarbeiten, aber auch als Informationsquelle und Basis für Entscheiderinnen und Entscheider in Industrie und Politik“, erklärt Jürgen Kern, Projektleiter der Studie beim DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme.
Zu den Ergebnissen:
  • Hohes technisches Potenzial für grünen Strom, Wasserstoff und Synfuels: Dem Strom aus erneuerbaren Energiequellen im Nahen Osten und Nordafrika − insbesondere aus Photovoltaik und konzentrierter Solarthermie (Concentrated Solar Power, CSP) − schreiben die Forschenden große Potenzial zu: Die jährliche Erzeugungskapazität aus Erneuerbaren geben sie mit rund 413.000 TWh an. Entsprechend hoch sind auch die Potenziale zur Produktion von Wasserstoff und Synfuels. Und dies selbst nach Abzug des langfristigen Eigenbedarfs der Mena-Region bei einer kompletten Umstellung auf erneuerbare Energien. Die Prognose der Wissenschaftler: Abhängig vom angenommenen Entwicklungsszenario (negativ, konservativ oder positiv) könnte das Exportpotenzial den deutschen Bedarf an synthetischen Kraftstoffen um das 60- bis 1.200-Fache übersteigen.
  • Geringe Gestehungskosten für grünen Strom, Wasserstoff und Synfuels: Nahezu alle Länder der Mena-Region weisen laut der Forschenden bedeutende Erzeugungspotenziale mit geringen Gestehungskosten auf. An den günstigsten Standorten beziffern sie die Herstellungskosten für Synfuels im Jahr 2030 zwischen 1,92 und 2,65 Euro pro Liter − und 2050 zwischen 1,22 und 1,65 Euro pro Liter, eine positive Entwicklung der Investitionsbedingungen vorausgesetzt. Das Exportpotenzial von synthetischen Kraftstoffen, die unter 2 Euro pro Liter hergestellt werden können, betrage selbst bei negativen Investitionsbedingungen im Jahr 2050 rund 28.000 TWh. Entwickeln sich die Investitionsbedingungen positiv, belaufe sich das jährliche Exportpotenzial auf über 50.000 TWh.
  • Investitionsumfeld entscheidet über potenzielle Exportregionen: Die Analyse zeigt außerdem, dass bei der Bewertung möglicher Exportpotenziale nicht nur die Herstellungskosten eine Rolle spielen, sondern auch das Investitionsumfeld. Die Investitionsrisiken in den Ländern nehmen einen signifikanten Einfluss auf die Kosten des Wasserstoffs und seiner Folgeprodukte und damit auf die Auswahl der möglichen Exportländer. „Unabhängig von den reinen Kostengrößen spielt die Planungssicherheit für Investoren eine zentrale Rolle“, betont Peter Viebahn. Laut dem Co-Leiter des Forschungsbereichs Sektoren und Technologien am Wuppertal Institut und Leiter der Mena-Fuels-Studie komme es daher darauf an, dass langfristige, stabile politische Rahmenbedingungen für einen Markt für grünen Wasserstoff sowie synthetische Folgeprodukte geschaffen werden.
  • Transport der Energieträger von Bedeutung: Die Höhe der Transportkosten variiert stark je nach Art des zu transportierenden Produkts (Strom, Wasserstoff oder Synfuels). Laut der Modellergebnisse wäre der Energietransport von Mena nach Europa über weite Distanzen überwiegend in Form von Wasserstoff oder Synfuels sinnvoll. Diese hätten vergleichsweise geringe Transportkosten und nutzten zudem das Erzeugungspotenzial am Herstellungsort besser aus. Der Transport von Strom dagegen wäre mit vergleichsweise hohe Kosten verbunden. 

Ausbauziele der Länder ziehen nicht mit

Grundvoraussetzung für den Export synthetischer Kraftstoffe ist in jedem Szenario − egal ob negativ, konservativ oder positiv − der umfassende Ausbau der erneuerbaren Energien direkt in der Mena-Region. Die Erneuerbaren müssten, so fordern es die Forschenden, zunächst primär für die Abdeckung der weiter ansteigenden Stromnachfrage vor Ort ausgebaut werden. Sie weisen darauf hin, dass ein zusätzlichen Ausbau der Erneuerbaren in der Mena-Region für den Export von Synfuels nicht auf Kosten der dortigen Energietransformationen gehen dürfe. Die globalen Klimaziele würden sonst konterkariert. Zudem hätten Erfahrungen aus der Vergangenheit gezeigt, dass allein auf den Export ausgerichtete Ausbaustrategien aus Mangel an Akzeptanz vor Ort zum Scheitern verurteilt seien.

Der erforderliche Ausbau an Erzeugungskapazitäten für Solar- und Windstrom zur Eigenversorgung der Mena-Region liegt bis 2050 je nach Szenario bei 4.500 bis knapp 9.000 GW. Derartige Größenordnungen und die dafür erforderliche Ausbaudynamik sind jedoch nicht einmal im Ansatz in den derzeitigen Ausbauzielen der meisten Mena-Länder abgebildet, monieren die Wissenschaftler.

Mittwoch, 25.01.2023, 09:00 Uhr
Davina Spohn

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