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Energie & Management > Österreich - Umstrittenes Konzept für Verzicht auf
Quelle: Fotolia / YuI
Österreich

Umstrittenes Konzept für Verzicht auf "Russengas"

Eine Kurzstudie im Auftrag des Energieministeriums soll die Möglichkeit des Verzichts von Gasimporten aus Russland ab 2027 nachweisen. An ihrer Tragfähigkeit bestehen Zweifel.
Eine Kurzstudie mit der Bezeichnung „Strategische Handlungsoptionen für eine österreichische Gasversorgung ohne Importe aus Russland“ veröffentlichte die Österreichische Energieagentur (AEA) am 27. April. Erstellt wurde das siebeneinhalb Textseiten umfassende Papier im Auftrag des Energieministeriums (BMK), dessen Leiterin, Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne), Präsidentin der AEA ist.

Wie es darin heißt, bestand der Auftrag darin, einen „Lösungsansatz für den Zeitraum bis 2030“ sowie die „Unabhängigkeit von Russland ab 2027“ zu entwickeln. Diesen „Lösungsansatz“ sieht die Agentur grob gesprochen wenig überraschend darin, den Gasbedarf massiv zu verringern, die heimische Biomethan- und Wasserstofferzeugung zu steigern und Gas aus anderen Ländern als Russland zu importieren.

Konkret soll der Bedarf an Erdgas von derzeit etwa 89 Mrd. kWh bis 2030 um 29 Mrd. kWh oder rund ein Drittel verringert werden. Erfolgen könnte dies nach Meinung der AEA unter anderem durch die thermisch-energetische Sanierung von Wohngebäuden, Energieeffizienzmaßnahmen und die Nutzung erneuerbarer Energien in der Industrie sowie die „Substitution von Erdgas-Kraftwerken durch den Ausbau von erneuerbarem Strom“.

Der verbleibende Bedarf von 60 Mrd. kWh wäre laut der Agentur folgendermaßen zu decken: Die jährliche „Aufbringung von erneuerbaren Gasen im Inland“ inklusive „grünen“ Wasserstoffs sollte von derzeit lediglich rund 138 Mio. kWh auf 14 Mrd. kWh gesteigert werden. Ferner müsste der AEA zufolge die Förderung von Erdgas in Österreich auf dem derzeitigen Niveau von rund 10 Mrd. kWh pro Jahr verbleiben. Analoges gilt für die Importe von Erdgas aus anderen Ländern als Russland, die sich weiterhin auf rund 16 Mrd. kWh belaufen sollten. Somit ergäbe sich eine Deckungslücke von etwa 20 Mrd. kWh, für deren Schließung die AEA „andere Importe“ vorsieht. Woher diese kommen sollen, wird in dem Papier nicht ausgeführt. Die Rede ist allgemein von LNG, das über die Trans-Austria-Gasleitung (TAG) aus Terminals in Italien nach Österreich gelangen könnte, Wasserstoffimporten von etwa 14 Mrd. kWh aus nicht näher genannten Ländern sowie „mittelfristig“ von Biomethaneinfuhren aus der Ukraine.

„Nettes Rechenbeispiel“

Was den Verzicht auf Gas aus Russland ab 2027 betrifft, rechnet die AEA folgendermaßen: Der Gasbedarf wäre bis zu diesem Jahr auf insgesamt 67 Mrd. kWh zu senken. Von diesen wären zehn Mrd. kWh durch die Gasförderung in Österreich zu decken, sechs Mrd. kWh mit Biomethan aus heimischer Produktion, eine Mrd. durch „grünen“ Wasserstoff „made in Austria“ und 16 Mrd. kWh durch Importe von bestehenden Lieferanten im Ausland, etwa Norwegen und Deutschland. Die ergäbe insgesamt 33 Mrd. kWh. Verbleiben würden somit eine Menge von etwa 34 Mrd. kWh oder knapp 51 % des Gesamtbedarfs, die durch zusätzliche Importe abgedeckt werden müsste – woher auch immer diese kommen. Eine Schätzung der Kosten für die zusätzlichen Importe und die sonstigen Maßnahmen sowie eine Untersuchung der Umsetzbarkeit der Maßnahmen enthält das Papier der AEA nicht.

Vertreter der österreichischen Energiewirtschaft, die nicht namentlich genannt werden wollten, sprachen von einem „netten Rechenbeispiel“, das die AEA ihrer Präsidentin, Energieministerin Gewessler, „pflichtschuldig geliefert“ habe. Ein tragfähiges energiewirtschaftliches und energiepolitisches Konzept für den Ausstieg aus dem „Russengas“ biete das Papier indessen nicht. Es sei daher „nur sehr bedingt ernst zu nehmen“.

Ähnlicher Meinung ist die Opposition. Der Energiesprecher der Sozialdemokraten (SPÖ) im Bundesparlament, Alois Schroll, konstatierte, Gewessler müsse sich fragen lassen, „was der Plan für den nächsten Herbst ist. Denn abseits strategischer Gasreserven im Umfang von zwölf Prozent des Jahresgasbedarfs gibt es keine wahrnehmbare Aktivität der Regierung“. Die Regierung aus Konservativen (ÖVP) und Grünen sei „der personifizierte Stillstand“ in der Energiepolitik.

Mittwoch, 27.04.2022, 14:37 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Umstrittenes Konzept für Verzicht auf
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Österreich
Umstrittenes Konzept für Verzicht auf "Russengas"
Eine Kurzstudie im Auftrag des Energieministeriums soll die Möglichkeit des Verzichts von Gasimporten aus Russland ab 2027 nachweisen. An ihrer Tragfähigkeit bestehen Zweifel.
Eine Kurzstudie mit der Bezeichnung „Strategische Handlungsoptionen für eine österreichische Gasversorgung ohne Importe aus Russland“ veröffentlichte die Österreichische Energieagentur (AEA) am 27. April. Erstellt wurde das siebeneinhalb Textseiten umfassende Papier im Auftrag des Energieministeriums (BMK), dessen Leiterin, Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne), Präsidentin der AEA ist.

Wie es darin heißt, bestand der Auftrag darin, einen „Lösungsansatz für den Zeitraum bis 2030“ sowie die „Unabhängigkeit von Russland ab 2027“ zu entwickeln. Diesen „Lösungsansatz“ sieht die Agentur grob gesprochen wenig überraschend darin, den Gasbedarf massiv zu verringern, die heimische Biomethan- und Wasserstofferzeugung zu steigern und Gas aus anderen Ländern als Russland zu importieren.

Konkret soll der Bedarf an Erdgas von derzeit etwa 89 Mrd. kWh bis 2030 um 29 Mrd. kWh oder rund ein Drittel verringert werden. Erfolgen könnte dies nach Meinung der AEA unter anderem durch die thermisch-energetische Sanierung von Wohngebäuden, Energieeffizienzmaßnahmen und die Nutzung erneuerbarer Energien in der Industrie sowie die „Substitution von Erdgas-Kraftwerken durch den Ausbau von erneuerbarem Strom“.

Der verbleibende Bedarf von 60 Mrd. kWh wäre laut der Agentur folgendermaßen zu decken: Die jährliche „Aufbringung von erneuerbaren Gasen im Inland“ inklusive „grünen“ Wasserstoffs sollte von derzeit lediglich rund 138 Mio. kWh auf 14 Mrd. kWh gesteigert werden. Ferner müsste der AEA zufolge die Förderung von Erdgas in Österreich auf dem derzeitigen Niveau von rund 10 Mrd. kWh pro Jahr verbleiben. Analoges gilt für die Importe von Erdgas aus anderen Ländern als Russland, die sich weiterhin auf rund 16 Mrd. kWh belaufen sollten. Somit ergäbe sich eine Deckungslücke von etwa 20 Mrd. kWh, für deren Schließung die AEA „andere Importe“ vorsieht. Woher diese kommen sollen, wird in dem Papier nicht ausgeführt. Die Rede ist allgemein von LNG, das über die Trans-Austria-Gasleitung (TAG) aus Terminals in Italien nach Österreich gelangen könnte, Wasserstoffimporten von etwa 14 Mrd. kWh aus nicht näher genannten Ländern sowie „mittelfristig“ von Biomethaneinfuhren aus der Ukraine.

„Nettes Rechenbeispiel“

Was den Verzicht auf Gas aus Russland ab 2027 betrifft, rechnet die AEA folgendermaßen: Der Gasbedarf wäre bis zu diesem Jahr auf insgesamt 67 Mrd. kWh zu senken. Von diesen wären zehn Mrd. kWh durch die Gasförderung in Österreich zu decken, sechs Mrd. kWh mit Biomethan aus heimischer Produktion, eine Mrd. durch „grünen“ Wasserstoff „made in Austria“ und 16 Mrd. kWh durch Importe von bestehenden Lieferanten im Ausland, etwa Norwegen und Deutschland. Die ergäbe insgesamt 33 Mrd. kWh. Verbleiben würden somit eine Menge von etwa 34 Mrd. kWh oder knapp 51 % des Gesamtbedarfs, die durch zusätzliche Importe abgedeckt werden müsste – woher auch immer diese kommen. Eine Schätzung der Kosten für die zusätzlichen Importe und die sonstigen Maßnahmen sowie eine Untersuchung der Umsetzbarkeit der Maßnahmen enthält das Papier der AEA nicht.

Vertreter der österreichischen Energiewirtschaft, die nicht namentlich genannt werden wollten, sprachen von einem „netten Rechenbeispiel“, das die AEA ihrer Präsidentin, Energieministerin Gewessler, „pflichtschuldig geliefert“ habe. Ein tragfähiges energiewirtschaftliches und energiepolitisches Konzept für den Ausstieg aus dem „Russengas“ biete das Papier indessen nicht. Es sei daher „nur sehr bedingt ernst zu nehmen“.

Ähnlicher Meinung ist die Opposition. Der Energiesprecher der Sozialdemokraten (SPÖ) im Bundesparlament, Alois Schroll, konstatierte, Gewessler müsse sich fragen lassen, „was der Plan für den nächsten Herbst ist. Denn abseits strategischer Gasreserven im Umfang von zwölf Prozent des Jahresgasbedarfs gibt es keine wahrnehmbare Aktivität der Regierung“. Die Regierung aus Konservativen (ÖVP) und Grünen sei „der personifizierte Stillstand“ in der Energiepolitik.

Mittwoch, 27.04.2022, 14:37 Uhr
Klaus Fischer

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