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Energie & Management > Wasserstoff - Türkis ist das bessere Grün bei Wasserstoff
Bild: Shutterstock, Alexander Limbach
Wasserstoff

Türkis ist das bessere Grün bei Wasserstoff

Warum türkiser Wasserstoff eine interessante Alternative zu grünem Wasserstoff sein kann, haben Experten in einem Webinar von Zukunft Gas faktenbasiert dargelegt.
In der politischen Diskussion wird Wasserstoff als wesentlicher Energieträger der Zukunft meist auf grünen Wasserstoff aus der Wasserelektrolyse reduziert. Experten aus Forschung und Wirtschaft sind aber überzeugt, dass auch türkiser Wasserstoff aus der Pyrolyse von Erdgas enorme Potenziale bietet. 

Bei der Erdgaspyrolyse wird Methan aufgespalten in Wasserstoff und festen Kohlenstoff. Letzteres unterscheidet dieses Verfahren entscheidend von der Dampfreformation von Erdgas (blauer Wasserstoff), bei der abgeschiedenes CO2 als Gas übrig bleibt und aufwendig gespeichert werden muss. "Der feste Kohlenstoff lässt sich nicht nur viel einfacher handeln, er hat auch ein großes Potenzial als Rohstoff", bringt Timm Kehler, Geschäftsführer der Initiative Zukunft Gas, einen Vorteil von türkisem Wasserstoff auf den Punkt.

Mit weiteren Vorzügen sekundieren ihm in dem Webinar "Methanpyrolyse: Zukunftstechnologie für CO2-neutralen Wasserstoff" der Forscher Florian Kerscher vom Institut für Energiesysteme der TU München und Klaus Langemann, Senior Vice President für den Bereich Carbon Management und Hydrogen bei Wintershall Dea. So verbraucht Pyrolyse nach aktuellem Stand rund fünfmal weniger Energie für die Wasserstoffgewinnung als die Elektrolyse. Was noch dazukommt: Im Gegensatz zur Elektrolyse, die große Mengen an Trinkwasser verschlingt, kommt die Pyrolyse mit Methan als Grundstoff aus. Stammt dieses Methan aus biogenen Quellen, kann die Pyrolyse sogar mit negativen CO2-Emissionen aufwarten.

Elektronen zerlegen Methan

TU-Forscher Kerscher lieferte einen Überblick über die verschiedenen verfügbaren Pyrolyseverfahren und deren Reifegrad und gab einen Ausblick auf das vielleicht zukunftsträchtigste, die Elektronenstrahlplasmapyrolyse. Dabei wird das Methan durch den Beschuss mit Elektronen in Wasserstoff und Kohlenstoff zerlegt. Dadurch kann auf hohe Temperaturen oder Katalysatoren verzichtet werden und der Energiebedarf ist noch geringer als bei anderen Pyrolyseverfahren.

Die Technik dafür ist grundsätzlich aus anderen Technikbereichen wie dem Elektronenstrahlschweißen vorhanden und ausgereift, aufgrund kleiner Stückzahlen aber mit relativ hohen Investitionskosten verbunden. Skaleneffekte könnten das bei einem breiten Einsatz aber abmildern. Bis zur Marktreife wird jedenfalls noch einige Zeit vergehen, so Kerschers Einschätzung: "Unser Ziel ist es, demnächst eine Versuchsanlage an der TU München aufzubauen."

Deutlich näher an der kommerziellen Nutzung ist ein Projekt von Wintershall Dea, über das Klaus Langemann berichtete: Der Konzern will an zwei Standorten in Ostdeutschland − Rostock und Halle/Leipzig − ab 2022 Pyrolysekapazitäten für eine Wasserstoffproduktion von etwa 70.000 Tonnen pro Jahr aufbauen. Damit könnten jährlich etwa 740.000 Tonnen CO2 vermieden werden.

Einig waren sich die Teilnehmer, dass grüner Wasserstoff aufgrund des hohen Bedarfs an erneuerbarem Strom und Trinkwasser nicht der alleinige Königsweg zu einer Dekarbonisierung Deutschlands sein kann und türkiser Wasserstoff zumindest eine bedeutsame Ergänzung darstellt − vor allem auch mit Blick auf wirtschaftliche Aspekte. 

Deutlich niedrigere Gestehungskosten

Methan − fossil oder biogen − stehe als Grundstoff langfristig in großen Mengen und vergleichsweise günstig zur Verfügung, der Bedarf an erneuerbarer Energie liege für die Pyrolyse weit unterhalb der für die Wasserelektrolyse. Die Folge sind Gestehungskosten für türkisen Wasserstoff, die deutlich niedriger als für grünen Wasserstoff ausfallen. Berechnungen von Kerscher gehen von Werten zwischen unter 2 und 5 Euro pro Kilogramm Wasserstoff aus − abhängig vom Strompreis und der Anlagenauslastung.

Für günstige Preise sorgt auch der als Abfallprodukt weiterverwendbare feste Kohlenstoff, der in die Kalkulation einfließen kann. Aktuell findet er als Industrieruß (Carbon Black) Verwendung als Farbpigment oder Füllstoff. Künftige Anwendungen für den energiereichen Kohlenstoff sehen die Experten in Bereichen wie der Landwirtschaft als Dünger oder in der Zementproduktion sowie im Straßenbau als Teil von Straßenbelägen. 

Allerdings ist das laut Klaus Langemann kein "Selbstläufer": "Diese Absatzmärkte müssen erst entwickelt werden." Jedoch lasse sich das ungiftige Carbon Black im Gegensatz zum gasförmigen CO2 auch recht einfach deponieren. 

Kehler kritisierte in diesem Zusammenhang den Hang der Politik zu "einfachen Lösungen", was zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer einseitigen Fokussierung auf grünen Wasserstoff und auf Elektrolyse geführt habe. Gerade was die besonders effiziente Elektronenstrahlplasmapyrolyse angeht, werde die Forschung noch sehr stiefmütterlich behandelt, so Timm Kehler. Sein Fazit: "Wir brauchen alle Farben."

Mittwoch, 12.05.2021, 13:31 Uhr
Peter Koller
Energie & Management > Wasserstoff - Türkis ist das bessere Grün bei Wasserstoff
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Türkis ist das bessere Grün bei Wasserstoff
Warum türkiser Wasserstoff eine interessante Alternative zu grünem Wasserstoff sein kann, haben Experten in einem Webinar von Zukunft Gas faktenbasiert dargelegt.
In der politischen Diskussion wird Wasserstoff als wesentlicher Energieträger der Zukunft meist auf grünen Wasserstoff aus der Wasserelektrolyse reduziert. Experten aus Forschung und Wirtschaft sind aber überzeugt, dass auch türkiser Wasserstoff aus der Pyrolyse von Erdgas enorme Potenziale bietet. 

Bei der Erdgaspyrolyse wird Methan aufgespalten in Wasserstoff und festen Kohlenstoff. Letzteres unterscheidet dieses Verfahren entscheidend von der Dampfreformation von Erdgas (blauer Wasserstoff), bei der abgeschiedenes CO2 als Gas übrig bleibt und aufwendig gespeichert werden muss. "Der feste Kohlenstoff lässt sich nicht nur viel einfacher handeln, er hat auch ein großes Potenzial als Rohstoff", bringt Timm Kehler, Geschäftsführer der Initiative Zukunft Gas, einen Vorteil von türkisem Wasserstoff auf den Punkt.

Mit weiteren Vorzügen sekundieren ihm in dem Webinar "Methanpyrolyse: Zukunftstechnologie für CO2-neutralen Wasserstoff" der Forscher Florian Kerscher vom Institut für Energiesysteme der TU München und Klaus Langemann, Senior Vice President für den Bereich Carbon Management und Hydrogen bei Wintershall Dea. So verbraucht Pyrolyse nach aktuellem Stand rund fünfmal weniger Energie für die Wasserstoffgewinnung als die Elektrolyse. Was noch dazukommt: Im Gegensatz zur Elektrolyse, die große Mengen an Trinkwasser verschlingt, kommt die Pyrolyse mit Methan als Grundstoff aus. Stammt dieses Methan aus biogenen Quellen, kann die Pyrolyse sogar mit negativen CO2-Emissionen aufwarten.

Elektronen zerlegen Methan

TU-Forscher Kerscher lieferte einen Überblick über die verschiedenen verfügbaren Pyrolyseverfahren und deren Reifegrad und gab einen Ausblick auf das vielleicht zukunftsträchtigste, die Elektronenstrahlplasmapyrolyse. Dabei wird das Methan durch den Beschuss mit Elektronen in Wasserstoff und Kohlenstoff zerlegt. Dadurch kann auf hohe Temperaturen oder Katalysatoren verzichtet werden und der Energiebedarf ist noch geringer als bei anderen Pyrolyseverfahren.

Die Technik dafür ist grundsätzlich aus anderen Technikbereichen wie dem Elektronenstrahlschweißen vorhanden und ausgereift, aufgrund kleiner Stückzahlen aber mit relativ hohen Investitionskosten verbunden. Skaleneffekte könnten das bei einem breiten Einsatz aber abmildern. Bis zur Marktreife wird jedenfalls noch einige Zeit vergehen, so Kerschers Einschätzung: "Unser Ziel ist es, demnächst eine Versuchsanlage an der TU München aufzubauen."

Deutlich näher an der kommerziellen Nutzung ist ein Projekt von Wintershall Dea, über das Klaus Langemann berichtete: Der Konzern will an zwei Standorten in Ostdeutschland − Rostock und Halle/Leipzig − ab 2022 Pyrolysekapazitäten für eine Wasserstoffproduktion von etwa 70.000 Tonnen pro Jahr aufbauen. Damit könnten jährlich etwa 740.000 Tonnen CO2 vermieden werden.

Einig waren sich die Teilnehmer, dass grüner Wasserstoff aufgrund des hohen Bedarfs an erneuerbarem Strom und Trinkwasser nicht der alleinige Königsweg zu einer Dekarbonisierung Deutschlands sein kann und türkiser Wasserstoff zumindest eine bedeutsame Ergänzung darstellt − vor allem auch mit Blick auf wirtschaftliche Aspekte. 

Deutlich niedrigere Gestehungskosten

Methan − fossil oder biogen − stehe als Grundstoff langfristig in großen Mengen und vergleichsweise günstig zur Verfügung, der Bedarf an erneuerbarer Energie liege für die Pyrolyse weit unterhalb der für die Wasserelektrolyse. Die Folge sind Gestehungskosten für türkisen Wasserstoff, die deutlich niedriger als für grünen Wasserstoff ausfallen. Berechnungen von Kerscher gehen von Werten zwischen unter 2 und 5 Euro pro Kilogramm Wasserstoff aus − abhängig vom Strompreis und der Anlagenauslastung.

Für günstige Preise sorgt auch der als Abfallprodukt weiterverwendbare feste Kohlenstoff, der in die Kalkulation einfließen kann. Aktuell findet er als Industrieruß (Carbon Black) Verwendung als Farbpigment oder Füllstoff. Künftige Anwendungen für den energiereichen Kohlenstoff sehen die Experten in Bereichen wie der Landwirtschaft als Dünger oder in der Zementproduktion sowie im Straßenbau als Teil von Straßenbelägen. 

Allerdings ist das laut Klaus Langemann kein "Selbstläufer": "Diese Absatzmärkte müssen erst entwickelt werden." Jedoch lasse sich das ungiftige Carbon Black im Gegensatz zum gasförmigen CO2 auch recht einfach deponieren. 

Kehler kritisierte in diesem Zusammenhang den Hang der Politik zu "einfachen Lösungen", was zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer einseitigen Fokussierung auf grünen Wasserstoff und auf Elektrolyse geführt habe. Gerade was die besonders effiziente Elektronenstrahlplasmapyrolyse angeht, werde die Forschung noch sehr stiefmütterlich behandelt, so Timm Kehler. Sein Fazit: "Wir brauchen alle Farben."

Mittwoch, 12.05.2021, 13:31 Uhr
Peter Koller

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