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Energie & Management > IT - Trittin:
Bild: Sergey Nivens / Fotolia
IT

Trittin: "Virtuelle Kraftwerke werden immer wichtiger"

Wie sie die Perspektiven von virtuellen Kraftwerken sieht, erläutert Sandra Trittin, Vertriebsvorständin der Tiko Energy, die mit ihren IT-Lösungen Energieanlagen vernetzt.
E&M: Frau Trittin, Sie haben einen in der deutschen Energie- und Klimaschutzpolitik bekannten Nachnamen. Ist Ihr Namensvetter Jürgen Trittin, der den ersten Atomausstieg hierzulande auf den Weg gebracht hat, für Sie so etwas wie der Vater der virtuellen Kraftwerke?

Trittin: Jürgen Trittin hat sicherlich einen der Grundsteine dafür gelegt, dass wir heute virtuelle Kraftwerke brauchen. Atomkraftwerke haben, das lässt sich ganz ideologiefrei so sehen, gesicherte Leistung beispielsweise zur Regulierung der Netzstabilität geliefert. Fällt diese Leistung weg, muss die Kapazität beispielsweise durch virtuelle Kraftwerke ersetzt werden. Insoweit hatte mein Nachnamensvetter schon eine Anschubrolle gehabt.

E&M: Hätten Sie sich vorstellen können, dass virtuelle Kraftwerke gemessen an Trittins verhandeltem Atomausstieg heute ein durchaus akzeptables Standing in der Energiewirtschaft haben?

„Das entscheidende Bindeglied sind virtuelle Kraftwerke“

Trittin: Der Stellenwert von virtuellen Kraftwerken in der Industrie ist sicherlich gewachsen, aber − und das sage ich als Unternehmerin − er könnte durchaus höher sein. Doch da bin ich optimistisch: Mit jedem atomaren und fossilen Kraftwerk, das vom Netz geht, verringert sich die herkömmliche Art, Energie- und Netzdienstleistungen bereitzustellen, gleichzeitig steigt die Einspeisung erneuerbarer Energien. Das entscheidende Bindeglied, das für die unverzichtbare Versorgungssicherheit sorgt, sind nun einmal virtuelle Kraftwerke.

E&M: Welche Rahmenbedingungen müssen hierzulande verbessert werden, um den Stellenwert virtueller Kraftwerke zu erhöhen?

Trittin: Es geht vor allem um die Bewertung, wie der Mehrwert virtueller Kraftwerke wahrgenommen wird. Was diese für den Regelenergiemarkt oder für eine Bilanzgruppenoptimierung leisten können, darüber besteht Einigkeit. Anders sieht es dagegen bei der lokalen Stabilität auf der Verteilnetzebene aus, da fehlt es einfach an klaren Mechanismen. Genau das schreckt aber beispielsweise Stadtwerke ab, in eine solche Infrastruktur zu investieren. Außerdem sind virtuelle Kraftwerke für so manchen Versorger noch etwas Neues, das für Unsicherheit sorgt. Virtuelle Kraftwerke, also deren Aufbau und Betrieb, erfordern ein anderes Engagement als herkömmliche Gas- oder Wasserkraftwerke. Das muss sich noch herumsprechen.

E&M: Tiko Energy Solutions konzentriert sich mit ihrer Technologie auf kleinere Einheiten, sie bindet teilweise auch Haushaltsgeräte ein. Was sind in diesem Segment die besonderen Herausforderungen?
 
Sandra Trittin: „Die Nachfrage nach Haus-Energie-Managementlösungen steigt“
Bild: Tiko Energy Solutions AG

Trittin: Die Endkunden. Ein Wärmepumpenbetreiber beispielsweise darf nicht überfordert werden, er muss aufgeklärt, mitgenommen und auch von den Vorteilen überzeugt werden. Das kostet einfach zusätzliche Zeit und Arbeit. Die Endkunden sind hier jedoch weiter, als man denkt, die Akzeptanz für solch neue Konzepte ist hoch.

E&M: Was sagen Sie so einem Kunden?

Trittin: Bei unserem System liegt der Mehrwert in der zusätzlichen Funktionalität. Über unsere Plattform erhält der Kunde einen genauen Überblick zu Verbrauchs- und Produktionsdaten, es gibt einen Fernsteuerungsmodus oder eine Alarmfunktion für den Fall, dass Schäden auftreten. Der Wärmepumpenbetreiber hat, um bei dem Beispiel zu bleiben, nach Anschluss an unsere Plattform keine Komforteinbußen zu befürchten. Zusammen mit der Solarproduktion kann er einfach seinen Eigenverbrauch zusätzlich optimieren, auch ohne Batterie.

E&M: Wie groß ist das Interesse von Energieversorgern an Ihrer Lösung für virtuelle Kraftwerke?

„Energieversorger wollen gerne Community-Lösungen anbieten“

Trittin: Die Nachfrage nach Haus-Energiemanagement-Lösungen steigt. Die Bündelung verschiedener Stromverbrauchs- und -erzeugungseinheiten stößt bei Energieversorgern in der Tat zunehmend auf Interesse. Was Energieversorger auch gern anbieten wollen, sind Community-Lösungen − denn sie wollen sich von den Wettbewerbern unterscheiden. In diesem Bereich tut sich einiges.

E&M: Wie wichtig ist für Ihr Unternehmen der deutsche Markt?

Trittin: Kurz und knapp ausgedrückt: ganz wichtig. Bei den erneuerbaren Energien gehört Deutschland zu den fortschrittlichsten Ländern, womit die Brücke zu den erneuerbaren Energien schon gespannt ist. Wir werden unsere Anstrengungen forcieren, Kunden in Deutschland zu gewinnen.

E&M: Inwieweit erschwert die Einführung der Smart Meter Gateways Ihre Vertriebsaktivitäten in Deutschland?

Trittin: Wir stehen hinter der grundlegenden Idee der Smart-Meter-Technologie. Aber die Einführung und die Zertifizierung der zugelassenen Geräte haben unheimlich lange gedauert. Deshalb ist das, was heute auf den Markt kommt, schon wieder eine veraltete Technologie. Mit den derzeitigen Geräten ist zwar ein Messen der Energieverbräuche möglich, nicht aber ein Steuern. Dieses Steuerungsmodul ist aber auch noch nicht spezifiziert und zugelassen. Bis ein Smart Meter Gateway mit einem virtuellen Kraftwerk gekoppelt werden kann, vergehen locker noch einmal drei bis fünf Jahre. Und noch ein Punkt ist wichtig: Die Anforderungen, die heute ein Smart Meter erfüllt, passen nicht zu den regulatorischen Anforderungen der deutschen Übertragungsnetzbetreiber. All das führt bei so manchen Unternehmen zur Zurückhaltung gegenüber virtuellen Kraftwerken, sie wollen erst einmal alle offenen Fragen bei der Smart-Meter-Technologie geklärt wissen.

E&M: Noch einmal zurück zu der eingangs gestellten Frage nach dem Stellenwert der virtuellen Kraftwerke: Welche Entwicklung erwarten Sie in den kommenden fünf Jahren?

Trittin: Mit jedem Abschalten eines Atom- und Kohlekraftwerks werden virtuelle Kraftwerke für die Ersatzbeschaffung wichtiger. Außerdem sorgt der zunehmende Prosumer-Trend für einen steigenden Bedarf nach virtuellen Kraftwerken. Deshalb blicken wir positiv nach vorn. E&M

Zur Person

Sandra Trittin, Jahrgang 1980, gehört zu den Mitbegründern der Tiko Energy Solutions AG aus der Schweiz. Das 2012 gemeinsam von der Swisscom und dem Energieversorger Repower gegründete Unternehmen hat sich auf IT-Lösungen zum Vernetzen von Anlagen spezialisiert, unter anderem hat Sonnen die Steuersoftware für einen Batteriepool bei Tiko eingekauft. Die studierte Betriebswirtin Trittin ist bei Tiko als Vorstandsmitglied für das Business Development und den Vertrieb zuständig.
2019 hat der französische Energiekonzern Engie mit 45,9 % die Mehrheit an Tiko übernommen. Entsprechend reduzierten sich die Anteile von Swisscom auf 28,8 % und Repower auf 19,8 %. Die die restlichen Anteile liegen in den Händen von einigen Mitarbeitern.
 

Montag, 11.01.2021, 09:00 Uhr
Ralf Köpke
Energie & Management > IT - Trittin:
Bild: Sergey Nivens / Fotolia
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Trittin: "Virtuelle Kraftwerke werden immer wichtiger"
Wie sie die Perspektiven von virtuellen Kraftwerken sieht, erläutert Sandra Trittin, Vertriebsvorständin der Tiko Energy, die mit ihren IT-Lösungen Energieanlagen vernetzt.
E&M: Frau Trittin, Sie haben einen in der deutschen Energie- und Klimaschutzpolitik bekannten Nachnamen. Ist Ihr Namensvetter Jürgen Trittin, der den ersten Atomausstieg hierzulande auf den Weg gebracht hat, für Sie so etwas wie der Vater der virtuellen Kraftwerke?

Trittin: Jürgen Trittin hat sicherlich einen der Grundsteine dafür gelegt, dass wir heute virtuelle Kraftwerke brauchen. Atomkraftwerke haben, das lässt sich ganz ideologiefrei so sehen, gesicherte Leistung beispielsweise zur Regulierung der Netzstabilität geliefert. Fällt diese Leistung weg, muss die Kapazität beispielsweise durch virtuelle Kraftwerke ersetzt werden. Insoweit hatte mein Nachnamensvetter schon eine Anschubrolle gehabt.

E&M: Hätten Sie sich vorstellen können, dass virtuelle Kraftwerke gemessen an Trittins verhandeltem Atomausstieg heute ein durchaus akzeptables Standing in der Energiewirtschaft haben?

„Das entscheidende Bindeglied sind virtuelle Kraftwerke“

Trittin: Der Stellenwert von virtuellen Kraftwerken in der Industrie ist sicherlich gewachsen, aber − und das sage ich als Unternehmerin − er könnte durchaus höher sein. Doch da bin ich optimistisch: Mit jedem atomaren und fossilen Kraftwerk, das vom Netz geht, verringert sich die herkömmliche Art, Energie- und Netzdienstleistungen bereitzustellen, gleichzeitig steigt die Einspeisung erneuerbarer Energien. Das entscheidende Bindeglied, das für die unverzichtbare Versorgungssicherheit sorgt, sind nun einmal virtuelle Kraftwerke.

E&M: Welche Rahmenbedingungen müssen hierzulande verbessert werden, um den Stellenwert virtueller Kraftwerke zu erhöhen?

Trittin: Es geht vor allem um die Bewertung, wie der Mehrwert virtueller Kraftwerke wahrgenommen wird. Was diese für den Regelenergiemarkt oder für eine Bilanzgruppenoptimierung leisten können, darüber besteht Einigkeit. Anders sieht es dagegen bei der lokalen Stabilität auf der Verteilnetzebene aus, da fehlt es einfach an klaren Mechanismen. Genau das schreckt aber beispielsweise Stadtwerke ab, in eine solche Infrastruktur zu investieren. Außerdem sind virtuelle Kraftwerke für so manchen Versorger noch etwas Neues, das für Unsicherheit sorgt. Virtuelle Kraftwerke, also deren Aufbau und Betrieb, erfordern ein anderes Engagement als herkömmliche Gas- oder Wasserkraftwerke. Das muss sich noch herumsprechen.

E&M: Tiko Energy Solutions konzentriert sich mit ihrer Technologie auf kleinere Einheiten, sie bindet teilweise auch Haushaltsgeräte ein. Was sind in diesem Segment die besonderen Herausforderungen?
 
Sandra Trittin: „Die Nachfrage nach Haus-Energie-Managementlösungen steigt“
Bild: Tiko Energy Solutions AG

Trittin: Die Endkunden. Ein Wärmepumpenbetreiber beispielsweise darf nicht überfordert werden, er muss aufgeklärt, mitgenommen und auch von den Vorteilen überzeugt werden. Das kostet einfach zusätzliche Zeit und Arbeit. Die Endkunden sind hier jedoch weiter, als man denkt, die Akzeptanz für solch neue Konzepte ist hoch.

E&M: Was sagen Sie so einem Kunden?

Trittin: Bei unserem System liegt der Mehrwert in der zusätzlichen Funktionalität. Über unsere Plattform erhält der Kunde einen genauen Überblick zu Verbrauchs- und Produktionsdaten, es gibt einen Fernsteuerungsmodus oder eine Alarmfunktion für den Fall, dass Schäden auftreten. Der Wärmepumpenbetreiber hat, um bei dem Beispiel zu bleiben, nach Anschluss an unsere Plattform keine Komforteinbußen zu befürchten. Zusammen mit der Solarproduktion kann er einfach seinen Eigenverbrauch zusätzlich optimieren, auch ohne Batterie.

E&M: Wie groß ist das Interesse von Energieversorgern an Ihrer Lösung für virtuelle Kraftwerke?

„Energieversorger wollen gerne Community-Lösungen anbieten“

Trittin: Die Nachfrage nach Haus-Energiemanagement-Lösungen steigt. Die Bündelung verschiedener Stromverbrauchs- und -erzeugungseinheiten stößt bei Energieversorgern in der Tat zunehmend auf Interesse. Was Energieversorger auch gern anbieten wollen, sind Community-Lösungen − denn sie wollen sich von den Wettbewerbern unterscheiden. In diesem Bereich tut sich einiges.

E&M: Wie wichtig ist für Ihr Unternehmen der deutsche Markt?

Trittin: Kurz und knapp ausgedrückt: ganz wichtig. Bei den erneuerbaren Energien gehört Deutschland zu den fortschrittlichsten Ländern, womit die Brücke zu den erneuerbaren Energien schon gespannt ist. Wir werden unsere Anstrengungen forcieren, Kunden in Deutschland zu gewinnen.

E&M: Inwieweit erschwert die Einführung der Smart Meter Gateways Ihre Vertriebsaktivitäten in Deutschland?

Trittin: Wir stehen hinter der grundlegenden Idee der Smart-Meter-Technologie. Aber die Einführung und die Zertifizierung der zugelassenen Geräte haben unheimlich lange gedauert. Deshalb ist das, was heute auf den Markt kommt, schon wieder eine veraltete Technologie. Mit den derzeitigen Geräten ist zwar ein Messen der Energieverbräuche möglich, nicht aber ein Steuern. Dieses Steuerungsmodul ist aber auch noch nicht spezifiziert und zugelassen. Bis ein Smart Meter Gateway mit einem virtuellen Kraftwerk gekoppelt werden kann, vergehen locker noch einmal drei bis fünf Jahre. Und noch ein Punkt ist wichtig: Die Anforderungen, die heute ein Smart Meter erfüllt, passen nicht zu den regulatorischen Anforderungen der deutschen Übertragungsnetzbetreiber. All das führt bei so manchen Unternehmen zur Zurückhaltung gegenüber virtuellen Kraftwerken, sie wollen erst einmal alle offenen Fragen bei der Smart-Meter-Technologie geklärt wissen.

E&M: Noch einmal zurück zu der eingangs gestellten Frage nach dem Stellenwert der virtuellen Kraftwerke: Welche Entwicklung erwarten Sie in den kommenden fünf Jahren?

Trittin: Mit jedem Abschalten eines Atom- und Kohlekraftwerks werden virtuelle Kraftwerke für die Ersatzbeschaffung wichtiger. Außerdem sorgt der zunehmende Prosumer-Trend für einen steigenden Bedarf nach virtuellen Kraftwerken. Deshalb blicken wir positiv nach vorn. E&M

Zur Person

Sandra Trittin, Jahrgang 1980, gehört zu den Mitbegründern der Tiko Energy Solutions AG aus der Schweiz. Das 2012 gemeinsam von der Swisscom und dem Energieversorger Repower gegründete Unternehmen hat sich auf IT-Lösungen zum Vernetzen von Anlagen spezialisiert, unter anderem hat Sonnen die Steuersoftware für einen Batteriepool bei Tiko eingekauft. Die studierte Betriebswirtin Trittin ist bei Tiko als Vorstandsmitglied für das Business Development und den Vertrieb zuständig.
2019 hat der französische Energiekonzern Engie mit 45,9 % die Mehrheit an Tiko übernommen. Entsprechend reduzierten sich die Anteile von Swisscom auf 28,8 % und Repower auf 19,8 %. Die die restlichen Anteile liegen in den Händen von einigen Mitarbeitern.
 

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Ralf Köpke

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