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Energie & Management > Kernkraft - Taxonomie bleibt umstritten
Quelle: RWE
Kernkraft

Taxonomie bleibt umstritten

Investitionen in Atomkraft und die Gasinfrastruktur gelten künftig in der EU als "grün". Die Umweltverbände halten das für einen Skandal, in der Wirtschaft ist man erleichtert.
Im Europäischen Parlament in Straßburg hatte ein Antrag, der das verhindern sollte, die notwendige Mehrheit am Mittag klar verfehlt. Damit kann die Regelung, mit der die beiden umstrittenen Technologien unter bestimmten Bedingungen in die Taxonomie der EU aufgenommen werden, am 1. Januar 2023 in Kraft treten. 

Die EU-Kommission sieht in dem Votum der Abgeordneten eine Anerkennung ihres "pragmatischen und realistischen Ansatzes", der die Mitgliedsstaaten der Union unterstütze, die Klimaziele der EU zu erreichen. Der energiepolitische Sprecher der Grünen, Michael Bloss, sprach von einem "traurigen Tag für die Energiewende". Mit ihrer Entscheidung setze die EU ihre Glaubwürdigkeit als Vorreiterin des globalen Klimaschutzes aufs Spiel. "Das ist der Sargnagel für das Öko-Siegel der Finanzbranche." Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Katharina Beck, hält die Abstimmung für eine vertane Chance: "Atom und fossiles Gas als nachhaltig zu kennzeichnen, ist ein herber Rückschlag für die europäische Transformationsagenda." Auch der deutsche Abgeordnete Markus Ferber(CSU) bedauerte das Votum: "Die Taxonomie hat heute enormen Schaden genommen." Wenn die Standards der EU für grüne Investitionen nicht glaubwürdig seien, bestehe die Gefahr, dass sich die Marktteilnehmer anderen Standards zuwenden. Daran herrsche kein Mangel. Die "regulatorische Agenda im Bereich nachhaltige Finanzierung" werde damit aber infrage gestellt. Die Kommission sollte den Ansatz, jeden Sektor anhand von Nachhaltigkeitskriterien zu klassifizieren, überdenken.

Die SPD sprach von einem "Rückschlag für den Klima- und Umweltschutz in Europa". Die Taxonomie werde zur "Mogelpackung", bevor sie überhaupt an den Start gehe, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD, Joachim Schuster. Die Linke warf der Mehrheit des Parlamentes vor, dem "Greenwashing" Vorschub zu leisten und kündigte eine Klage vor dem Europäischen Gericht an. Ihr Vorsitzender Martin Schirdewan warf der Bundesregierung vor, zu wenig Einfluss auf die Entscheidung genommen zu haben.

Das Klimanetzwerk CAN nannte die Entscheidung des Parlamentes einen "Verrat an Millionen europäischer Bürger, die ihre Ersparnisse in nachhaltige Geschäfte investieren" wollten. Stattdessen hätten sich die Abgeordneten für die "fossile Lobby" und ein "Weiter-so" entschieden. CAN sprach sich ebenfalls dafür aus, juristisch überprüfen zu lassen, ob das Etikett "nachhaltig" für Gas- und Atomkraftwerke mit den Klimagesetzen der EU vereinbar sei.

Greenpeace Deutschland und die Deutsche Umwelthilfe kündigten ebenfalls Klagen an. Wer Gas und Kernkraft nachhaltig nenne, "stürzt die Finanzakteure in die Orientierungslosigkeit, die zu windigen Angeboten einlädt und den Klimaschutz untergräbt", sagte Greenpeace-Finanzexperte, Mauricio Vargas. Der BUND sprach von einer "dunklen Stunde für den Klimaschutz". Damit würden dringende Investitionen in die erneuerbaren Energien nicht getätigt, sondern flössen in "klimaschädliche und gefährliche Technologien". Die Bundesregierung forderte der BUND auf, gegen das Öko-Label für Gas und Atom zu klagen. Bislang haben das nur Österreich und Luxemburg angekündigt. Rechtlich wird geltend gemacht, dass die Kommission ihre Kompetenzen überschritten habe. Eine politisch so umstrittene und weitreichende Entscheidung müsse im Rahmen eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens getroffen werden. Ein Rechtsakt, dem die gesetzgebenden Organe lediglich widersprechen könnten, reiche dafür nicht aus.

Inhaltlich verweisen die Kritiker darauf, dass eine "grüne" Technologie nach der Taxonomie-Verordnung nicht nur zum Klimaschutz beitragen muss. Sie dürfe auch an anderer Stelle keine signifikanten Umweltschäden verursachen.

Dagegen sprach der energiepolitische Sprecher der Union, Christian Ehler (CDU), von einem "guten Tag für Europa zur Sicherstellung wichtiger Übergangstechnologien". Den Gegnern des Kommissionsvorschlages sei es nicht gelungen, die Taxonomie "zu ideologisieren". Mit dem Votum des Parlamentes werde "die Finanzierung von Investitionen in die wasserstofffähige Gasinfrastruktur" ermöglicht. "Wir wissen, dass wir Gas und Kernenergie für eine Übergangszeit brauchen, um das Netz nicht zu destabilisieren."

Im gleichen Sinne sieht VKU-Chef Ingbert Liebing im Votum des Parlamentes ein "klares Signal an die Energie- und Finanzwirtschaft, jetzt dringend notwendige Investitionen in den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft" zu tätigen. "Transformationskraftwerke", die auf Wasserstoff umrüstbar sind, seien der einzige Weg, der Versorgungssicherheit mit dem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien verbinden. Von der Bundesregierung erwartet Liebing jetzt Unterstützung für die Transformation auch der Wärmenetze.

Die Vorsitzende des BDEW, Kerstin Andreae, lobte das Votum der Abgeordneten in Straßburg: "Es ist gut, dass eine Mehrheit im EU-Parlament die Bedeutung von Investitionen in wasserstoffbetriebene Gaskraftwerke für die Umsetzung der Energiewende erkennt." Die strengen Kriterien, die die Kommission an neue Gaskraftwerke anlege, stellten sicher, dass sie in Zukunft auch Wasserstoff als Energiequelle nutzen könnten.

Mittwoch, 6.07.2022, 16:59 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Kernkraft - Taxonomie bleibt umstritten
Quelle: RWE
Kernkraft
Taxonomie bleibt umstritten
Investitionen in Atomkraft und die Gasinfrastruktur gelten künftig in der EU als "grün". Die Umweltverbände halten das für einen Skandal, in der Wirtschaft ist man erleichtert.
Im Europäischen Parlament in Straßburg hatte ein Antrag, der das verhindern sollte, die notwendige Mehrheit am Mittag klar verfehlt. Damit kann die Regelung, mit der die beiden umstrittenen Technologien unter bestimmten Bedingungen in die Taxonomie der EU aufgenommen werden, am 1. Januar 2023 in Kraft treten. 

Die EU-Kommission sieht in dem Votum der Abgeordneten eine Anerkennung ihres "pragmatischen und realistischen Ansatzes", der die Mitgliedsstaaten der Union unterstütze, die Klimaziele der EU zu erreichen. Der energiepolitische Sprecher der Grünen, Michael Bloss, sprach von einem "traurigen Tag für die Energiewende". Mit ihrer Entscheidung setze die EU ihre Glaubwürdigkeit als Vorreiterin des globalen Klimaschutzes aufs Spiel. "Das ist der Sargnagel für das Öko-Siegel der Finanzbranche." Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Katharina Beck, hält die Abstimmung für eine vertane Chance: "Atom und fossiles Gas als nachhaltig zu kennzeichnen, ist ein herber Rückschlag für die europäische Transformationsagenda." Auch der deutsche Abgeordnete Markus Ferber(CSU) bedauerte das Votum: "Die Taxonomie hat heute enormen Schaden genommen." Wenn die Standards der EU für grüne Investitionen nicht glaubwürdig seien, bestehe die Gefahr, dass sich die Marktteilnehmer anderen Standards zuwenden. Daran herrsche kein Mangel. Die "regulatorische Agenda im Bereich nachhaltige Finanzierung" werde damit aber infrage gestellt. Die Kommission sollte den Ansatz, jeden Sektor anhand von Nachhaltigkeitskriterien zu klassifizieren, überdenken.

Die SPD sprach von einem "Rückschlag für den Klima- und Umweltschutz in Europa". Die Taxonomie werde zur "Mogelpackung", bevor sie überhaupt an den Start gehe, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD, Joachim Schuster. Die Linke warf der Mehrheit des Parlamentes vor, dem "Greenwashing" Vorschub zu leisten und kündigte eine Klage vor dem Europäischen Gericht an. Ihr Vorsitzender Martin Schirdewan warf der Bundesregierung vor, zu wenig Einfluss auf die Entscheidung genommen zu haben.

Das Klimanetzwerk CAN nannte die Entscheidung des Parlamentes einen "Verrat an Millionen europäischer Bürger, die ihre Ersparnisse in nachhaltige Geschäfte investieren" wollten. Stattdessen hätten sich die Abgeordneten für die "fossile Lobby" und ein "Weiter-so" entschieden. CAN sprach sich ebenfalls dafür aus, juristisch überprüfen zu lassen, ob das Etikett "nachhaltig" für Gas- und Atomkraftwerke mit den Klimagesetzen der EU vereinbar sei.

Greenpeace Deutschland und die Deutsche Umwelthilfe kündigten ebenfalls Klagen an. Wer Gas und Kernkraft nachhaltig nenne, "stürzt die Finanzakteure in die Orientierungslosigkeit, die zu windigen Angeboten einlädt und den Klimaschutz untergräbt", sagte Greenpeace-Finanzexperte, Mauricio Vargas. Der BUND sprach von einer "dunklen Stunde für den Klimaschutz". Damit würden dringende Investitionen in die erneuerbaren Energien nicht getätigt, sondern flössen in "klimaschädliche und gefährliche Technologien". Die Bundesregierung forderte der BUND auf, gegen das Öko-Label für Gas und Atom zu klagen. Bislang haben das nur Österreich und Luxemburg angekündigt. Rechtlich wird geltend gemacht, dass die Kommission ihre Kompetenzen überschritten habe. Eine politisch so umstrittene und weitreichende Entscheidung müsse im Rahmen eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens getroffen werden. Ein Rechtsakt, dem die gesetzgebenden Organe lediglich widersprechen könnten, reiche dafür nicht aus.

Inhaltlich verweisen die Kritiker darauf, dass eine "grüne" Technologie nach der Taxonomie-Verordnung nicht nur zum Klimaschutz beitragen muss. Sie dürfe auch an anderer Stelle keine signifikanten Umweltschäden verursachen.

Dagegen sprach der energiepolitische Sprecher der Union, Christian Ehler (CDU), von einem "guten Tag für Europa zur Sicherstellung wichtiger Übergangstechnologien". Den Gegnern des Kommissionsvorschlages sei es nicht gelungen, die Taxonomie "zu ideologisieren". Mit dem Votum des Parlamentes werde "die Finanzierung von Investitionen in die wasserstofffähige Gasinfrastruktur" ermöglicht. "Wir wissen, dass wir Gas und Kernenergie für eine Übergangszeit brauchen, um das Netz nicht zu destabilisieren."

Im gleichen Sinne sieht VKU-Chef Ingbert Liebing im Votum des Parlamentes ein "klares Signal an die Energie- und Finanzwirtschaft, jetzt dringend notwendige Investitionen in den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft" zu tätigen. "Transformationskraftwerke", die auf Wasserstoff umrüstbar sind, seien der einzige Weg, der Versorgungssicherheit mit dem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien verbinden. Von der Bundesregierung erwartet Liebing jetzt Unterstützung für die Transformation auch der Wärmenetze.

Die Vorsitzende des BDEW, Kerstin Andreae, lobte das Votum der Abgeordneten in Straßburg: "Es ist gut, dass eine Mehrheit im EU-Parlament die Bedeutung von Investitionen in wasserstoffbetriebene Gaskraftwerke für die Umsetzung der Energiewende erkennt." Die strengen Kriterien, die die Kommission an neue Gaskraftwerke anlege, stellten sicher, dass sie in Zukunft auch Wasserstoff als Energiequelle nutzen könnten.

Mittwoch, 6.07.2022, 16:59 Uhr
Tom Weingärtner

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