E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Klimaschutz - Tauziehen um den Emissionshandel
Quelle: Fotolia / frenta
Klimaschutz

Tauziehen um den Emissionshandel

Die Beratung des europäischen Klimapaketes "Fit for 55" erreicht die kritische Phase. In den kommenden Wochen werden die Weichen für den europäischen Emissionshandel gestellt.
Der Berichterstatter des Europäischen Parlamentes, Peter Liese (CDU), geht davon aus, dass die Abgeordneten noch vor der Sommerpause darüber abstimmen, ob die EU einen Emissionshandel auch für den Verkehr und den Gebäudesektor einführt und ob die Industrie und die Elektrizitätswirtschaft ihre Emissionen noch schneller senken müssen als es die Vorschläge der EU-Kommission vorsehen. Letzteres verlangen vor allem die Grünen und die Sozialdemokraten. Gleichzeitig lehnen sie die Einführung eines getrennten Emissionshandels für den Verkehr und den Gebäudesektor (ETS2) ab.

Konservative (EPP) und Teile der Liberalen (Renew) halten es für unvertretbar, die Unternehmen durch den Emissionshandel (ETS1) noch stärker zu belasten als durch die vorgeschlagene Senkung um 61 % bis 2030. Die europäische Industrie würde das in eine schwierige Lage gegenüber ihren Wettbewerbern bringen, die nicht durch anspruchsvolle Klimaziele belastet würden. Liese weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass zum Beispiel die USA nach den bisherigen Plänen 2030 noch zehn Tonnen CO2 pro Einwohner ausstoßen, die EU nur gut vier Tonnen.

Dagegen könnten die anvisierten Klimaziele im Verkehr und im Gebäudesektor nur erreicht werden, wenn auch diese Branchen für ihre CO2-Emissionen im Rahmen eines ETS2 bezahlen müssten, sagte Liese vor der Presse in Brüssel.

Rückgang von 65 Megatonnen CO2 im Straßenverkehr pro Jahr nötig

Den Einwand der Grünen und der Sozialdemokraten, die mit dem ETS2 verbundenen Belastungen seien unsozial, wies Liese zurück. Erstens müssten auch die von den Gegnern des ETS2 empfohlenen Auflagen von den Verbrauchern bezahlt werden. Zweitens erfassten Auflagen im Verkehrssektor nur neue Fahrzeuge, aber nicht den Fahrzeugbestand. Tatsächlich bestehe die Gefahr, dass alte Autos länger führen, wenn sie nicht belastet würden.
 
 
Liese geht davon aus, dass die Emissionen aus dem Straßenverkehr durch regulatorische Auflagen bis 2030 nur um etwa 20 Megatonnen (Mt) pro Jahr gesenkt werden können. Notwendig sei jedoch ein Rückgang um 65 Mt. Hinzu komme, dass ein Verzicht auf das ETS2 Haushalte mit besonders großen Wohnungen und Fahrzeugen, etwa auch Yacht-Besitzer, stärker begünstige.

Schließlich generiere das ETS2 Einnahmen, mit denen sozial schwache Haushalte unterstützt werden könnten. Im Europaparlament gebe es eine klare Mehrheit dafür, die Einnahmen aus dem ETS2 in den von der Kommission geplanten Klima-Sozial-Fonds (CSF) zu leiten. Im Ministerrat ist die Lage nicht so klar.

Liese hat in den Verhandlungen über den Emissionshandel eine Reihe von Kompromissvorschlägen vorgelegt, über die in den kommenden Wochen verhandelt wird. So soll das ETS2 erst 2026 oder 2027 eingeführt werden. Der CSF soll dagegen schon zwei Jahre vorher zur Verfügung stehen. Die Mittel dafür will Liese dem laufenden EU-Haushalt entnehmen und sie später aus den Einnahmen des ETS2 zurückzahlen.

Emissionsrechte-Kosten nur eingeschränkt an Kunden weiterreichen 

Außerdem will Liese den Gegnern des ETS2 mit der Einführung eines Höchstpreises, etwa 55 Euro je Tonne, entgegenkommen. Bereits bei einem Preisniveau von 45 Euro je Tonne soll die Kommission Maßnahmen zur Reduzierung der Nachfrage ergreifen. Die Energiekonzerne, die die Emissionsrechte erwerben müssen, sollen diese Kosten nur eingeschränkt an ihre Kunden weiterreichen dürfen. Wie das genau funktionieren würde, konnte Liese allerdings nicht sagen.

Mit Blick auf das ETS1 soll die Kommission Vorschläge unterbreiten, um den Emissionshandel transparenter zu machen. Er sei damit einverstanden, die Spekulation zu begrenzen, sagte Liese, und nur noch solche Finanzakteure zuzulassen, die den Unternehmen unverzichtbare Dienstleistungen anböten. Gleichzeitig müsse die Liquidität im ETS1 erhalten bleiben.

Liese ist zuversichtlich, aber nicht sicher, dass sich auf dieser Grundlage eine mehrheitsfähige Lösung finden lässt. Auch im Ministerrat gebe es Bewegung. Gegen die Einführung des ETS2 hätten sich zuletzt nur noch Polen und Ungarn gewehrt. Außerdem habe sich der Rat im Grundsatz auf die Einführung des Grenzausgleichs (CBAM) verständigt.

Der Kompromiss der Mitgliedsstaaten steht aber unter dem Vorbehalt, dass auch eine Verständigung über die Zuteilung von Gratiszertifikaten erzielt wird. Darüber will Liese Anfang Mai mit den Sozialdemokraten verhandeln.

Dienstag, 26.04.2022, 15:49 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Klimaschutz - Tauziehen um den Emissionshandel
Quelle: Fotolia / frenta
Klimaschutz
Tauziehen um den Emissionshandel
Die Beratung des europäischen Klimapaketes "Fit for 55" erreicht die kritische Phase. In den kommenden Wochen werden die Weichen für den europäischen Emissionshandel gestellt.
Der Berichterstatter des Europäischen Parlamentes, Peter Liese (CDU), geht davon aus, dass die Abgeordneten noch vor der Sommerpause darüber abstimmen, ob die EU einen Emissionshandel auch für den Verkehr und den Gebäudesektor einführt und ob die Industrie und die Elektrizitätswirtschaft ihre Emissionen noch schneller senken müssen als es die Vorschläge der EU-Kommission vorsehen. Letzteres verlangen vor allem die Grünen und die Sozialdemokraten. Gleichzeitig lehnen sie die Einführung eines getrennten Emissionshandels für den Verkehr und den Gebäudesektor (ETS2) ab.

Konservative (EPP) und Teile der Liberalen (Renew) halten es für unvertretbar, die Unternehmen durch den Emissionshandel (ETS1) noch stärker zu belasten als durch die vorgeschlagene Senkung um 61 % bis 2030. Die europäische Industrie würde das in eine schwierige Lage gegenüber ihren Wettbewerbern bringen, die nicht durch anspruchsvolle Klimaziele belastet würden. Liese weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass zum Beispiel die USA nach den bisherigen Plänen 2030 noch zehn Tonnen CO2 pro Einwohner ausstoßen, die EU nur gut vier Tonnen.

Dagegen könnten die anvisierten Klimaziele im Verkehr und im Gebäudesektor nur erreicht werden, wenn auch diese Branchen für ihre CO2-Emissionen im Rahmen eines ETS2 bezahlen müssten, sagte Liese vor der Presse in Brüssel.

Rückgang von 65 Megatonnen CO2 im Straßenverkehr pro Jahr nötig

Den Einwand der Grünen und der Sozialdemokraten, die mit dem ETS2 verbundenen Belastungen seien unsozial, wies Liese zurück. Erstens müssten auch die von den Gegnern des ETS2 empfohlenen Auflagen von den Verbrauchern bezahlt werden. Zweitens erfassten Auflagen im Verkehrssektor nur neue Fahrzeuge, aber nicht den Fahrzeugbestand. Tatsächlich bestehe die Gefahr, dass alte Autos länger führen, wenn sie nicht belastet würden.
 
 
Liese geht davon aus, dass die Emissionen aus dem Straßenverkehr durch regulatorische Auflagen bis 2030 nur um etwa 20 Megatonnen (Mt) pro Jahr gesenkt werden können. Notwendig sei jedoch ein Rückgang um 65 Mt. Hinzu komme, dass ein Verzicht auf das ETS2 Haushalte mit besonders großen Wohnungen und Fahrzeugen, etwa auch Yacht-Besitzer, stärker begünstige.

Schließlich generiere das ETS2 Einnahmen, mit denen sozial schwache Haushalte unterstützt werden könnten. Im Europaparlament gebe es eine klare Mehrheit dafür, die Einnahmen aus dem ETS2 in den von der Kommission geplanten Klima-Sozial-Fonds (CSF) zu leiten. Im Ministerrat ist die Lage nicht so klar.

Liese hat in den Verhandlungen über den Emissionshandel eine Reihe von Kompromissvorschlägen vorgelegt, über die in den kommenden Wochen verhandelt wird. So soll das ETS2 erst 2026 oder 2027 eingeführt werden. Der CSF soll dagegen schon zwei Jahre vorher zur Verfügung stehen. Die Mittel dafür will Liese dem laufenden EU-Haushalt entnehmen und sie später aus den Einnahmen des ETS2 zurückzahlen.

Emissionsrechte-Kosten nur eingeschränkt an Kunden weiterreichen 

Außerdem will Liese den Gegnern des ETS2 mit der Einführung eines Höchstpreises, etwa 55 Euro je Tonne, entgegenkommen. Bereits bei einem Preisniveau von 45 Euro je Tonne soll die Kommission Maßnahmen zur Reduzierung der Nachfrage ergreifen. Die Energiekonzerne, die die Emissionsrechte erwerben müssen, sollen diese Kosten nur eingeschränkt an ihre Kunden weiterreichen dürfen. Wie das genau funktionieren würde, konnte Liese allerdings nicht sagen.

Mit Blick auf das ETS1 soll die Kommission Vorschläge unterbreiten, um den Emissionshandel transparenter zu machen. Er sei damit einverstanden, die Spekulation zu begrenzen, sagte Liese, und nur noch solche Finanzakteure zuzulassen, die den Unternehmen unverzichtbare Dienstleistungen anböten. Gleichzeitig müsse die Liquidität im ETS1 erhalten bleiben.

Liese ist zuversichtlich, aber nicht sicher, dass sich auf dieser Grundlage eine mehrheitsfähige Lösung finden lässt. Auch im Ministerrat gebe es Bewegung. Gegen die Einführung des ETS2 hätten sich zuletzt nur noch Polen und Ungarn gewehrt. Außerdem habe sich der Rat im Grundsatz auf die Einführung des Grenzausgleichs (CBAM) verständigt.

Der Kompromiss der Mitgliedsstaaten steht aber unter dem Vorbehalt, dass auch eine Verständigung über die Zuteilung von Gratiszertifikaten erzielt wird. Darüber will Liese Anfang Mai mit den Sozialdemokraten verhandeln.

Dienstag, 26.04.2022, 15:49 Uhr
Tom Weingärtner

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.