E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - TAP ist top
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

TAP ist top

Matthias Cord, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Thüga AG, über die Mühen der Entwicklung und die erwarteten Vorteile einer Abrechnungsplattform.
 
Matthias Cord: „Es musste eine Basis geben, die für alle passt“
Quelle: E&M/Helmut Sender

E&M: Herr Cord, nach Beendigung der VÜI-Aktivitäten hat es gut zwei Jahre gedauert, bis Sie zu einer eigenen Lösung, der Thüga-Abrechnungsplattform TAP, gekommen sind. Warum so lange?

Cord: Die VÜI hatte bereits eine gute Arbeitsgrundlage geliefert. Auf dieser Grundlage mussten wir die Anforderungen der Unternehmen konkret formulieren und ein Modell entwickeln, wie so eine Plattform organisatorisch wie auch technisch gesteuert werden kann. Parallel haben wir im Markt angefragt, ob das, was wir wollen, tatsächlich überhaupt schon verfügbar ist. Das Ergebnis: Nein, ist es nicht. Es folgte dann ein aufwendiger europaweiter Ausschreibungsprozess, in dem man natürlich auch immer an feste Fristen gebunden ist.

E&M: Was waren da Knackpunkte?

Cord: Ganz wesentlich war, die unterschiedlichen Anforderungen und Voraussetzungen von großen Unternehmen wie beispielsweise einer Mainova mit denen der zahlreichen kleineren Stadtwerke im TAP-Projekt abzubilden. Es musste eine Basis geben, die für alle passt, und zwar unabhängig davon, ob sie 50.000 oder mehr als eine Million Kunden haben. Dabei ist essenziell, dass jeder Teilnehmer über das vereinbarte Pay-per-Use-Modell die gleiche Summe für den Kunden bezahlt und auch nur für das, was er wirklich beansprucht.

E&M: Es ging um den kleinsten und nicht den größten gemeinsamen Nenner …

Cord: Im Gegenteil. Der gemeinsame Nenner sollte idealerweise so groß wie möglich sein. Die Architektur der TAP ist modular aufgebaut: Neben einem verpflichtenden Kern, der einen zentral bereitgestellten, hoch standardisierten und automatisierten Funktionsumfang darstellt, gibt es optionale Module, die hinzugewählt werden können. Über Schnittstellen können individuelle Anwendungen an die IT-Plattform angebunden werden. In der Praxis heißt das, egal wie groß ein Unternehmen ist und egal ob es drei oder acht Produkte abrechnen will, die Bedingungen sind immer gleich. Darüber gibt es einen sogenannten Digital Layer, über den vorhandene oder später benötigte Module angeflanscht werden können. Es gibt beispielsweise Unternehmen im TAP-Projekt, die bereits gute CRM-Module haben und diese integrieren wollen. Andere sind bei diesem Thema noch nicht so weit.

E&M: TAP klingt top, warum machen dann nur 38 von 100 Unternehmen in der Thüga-Gruppe mit?

Cord: Die Zahl 100 war nicht die relevante Zielgröße. Darunter fallen nämlich zum Beispiel auch Zwischenholdings oder Plusgesellschaften, die gar keinen Bedarf für eine Plattform haben. Folglich wären maximal 70 bis 80 Unternehmen theoretisch im Fokus gewesen. Allerdings war von Beginn an klar, dass einige Unternehmen gar nicht dabei sein können, sei es, weil sie gerade vor Beginn des Projekts eigene Lösungen entwickelt hatten oder aber weil sie langfristig an IT-Dienstleister gebunden sind. Daher würde ich die Frage anders stellen: Wie haben wir es geschafft, dass so viele mitmachen?

E&M: Gerne auch so …

Cord: Die Thüga-Gruppe ist sehr heterogen, was sich beispielsweise daran zeigt, dass wir aus 40 verschiedenen IT-Anwendungshintergründen kommen. Was mich manchmal dem Verzweifeln nahebrachte, war der nicht aus der Welt zu räumende Glaube einzelner − zum Glück sehr weniger − Unternehmen, man könne die gewaltigen IT-Herausforderungen hinsichtlich einer neuen Abrechnungsplattform genauso gut und sogar kostengünstiger mit einem begabten Programmierer vor Ort lösen. Und das in einer Zeit, wo Skalen immer wichtiger werden und die IT komplexer ist als je zuvor.

Die 38 Stadtwerke und Energieversorger, die jetzt an der TAP beteiligt sind, stehen für 15,5 Millionen Zählpunkte, was rund zwei Drittel aller Zählpunkte in unserer Gruppe sind. Damit ist unsere Plattform eine der größten im Markt.

E&M: Warum hat Accenture die Ausschreibung gewonnen?

Cord: Ein Projekt dieser Größenordnung kann nur von Dienstleistern gestemmt werden, die über entsprechende Erfahrungen und ausreichend Personalressourcen verfügen. Das war uns von Anfang an klar. Darüber hinaus hatten wir zahlreiche weitere strikte Vorgaben wie beispielsweise die verpflichtende Übernahme aller gesetzlichen und regulatorischen Anpassungen. Und am Ende war natürlich auch der Preis entscheidend. Accenture hat uns in einem insgesamt sehr starken Wettbewerbsumfeld sowohl fachlich als auch finanziell am meisten überzeugt. Das Angebot umfasst eine über acht Jahre stabile Kostenstruktur und ein Pay-per-Use-Prinzip anhand der Menge der Zählpunkte. Hinzu kommt, dass TAP als Software as a Service (SaaS) angeboten wird. Statt eine Software zu erwerben, die regelmäßig zusätzliche Kosten − zum Beispiel für IT-Sicherheit, Lizenzen und Upgrades − verursacht, erhalten TAP-Nutzerinnen und Nutzer ein Rundum-sorglos-Paket.

E&M: Die Entscheidung fiel im November 2021, wie geht es nun weiter?

Cord: Die Teams arbeiten gemeinsam mit Accenture planmäßig, der erste Kunde als Pilot ist gestartet und bereits in der Transition. Das ganze Projekt ist über mehrere Jahre angelegt.

E&M: Und in diesem Zeitraum könnten aus den 38 auch mehr werden. Ist die Plattform offen auch für Unternehmen außerhalb der Thüga-Gruppe?

Cord: Wir konzentrieren uns zunächst auf das Abarbeiten der diversen Aufgaben, haben aber immer gesagt, dass wir offen sind für weitere Unternehmen, auch von außen. Und es gibt mehrere Anfragen. Ein größerer Regionalversorger aus der Thüga-Gruppe ist dieses Jahr bereits dazugekommen. TAP wächst also kontinuierlich weiter.

E&M: Mit rund 20 Millionen Zählpunkten läuft bei Eon ein ähnliches Projekt, da verspricht man sich Kostensenkungen von 40 Prozent. Wovon gehen Sie aus?

Cord: Wir haben uns in den letzten zwei Jahren alle möglichen Benchmarks angeschaut mit der grundlegenden Erkenntnis, dass sehr oft Äpfel mit Birnen verglichen werden. Seriös gibt es eine Spannbreite von 20 bis 70 Euro pro Zählpunkt, und ob es dann 15 bis 65 oder 23 bis 75 sind, ist nachrangig. Tatsache ist, dass es ein riesengroßes Optimierungspotenzial gibt. Wir haben mit Accenture vereinbart, dass wir keine Zahlen nennen. Nur so viel: Die Preise werden sich deutlich nach unten bewegen, und zwar umso deutlicher, je mehr Unternehmen bei TAP mitmachen.

E&M: Die TAP umfasst die Marktrollen ‚Lieferant‘ und ‚Verteilnetzbetreiber/Messstellenbetreiber‘, in welchem Bereich sehen Sie die größten Herausforderungen?

Cord: Ich sehe da keine Priorisierung. Beim Thema Lieferant sind die IT-Hersteller halt am weitesten, weil das vielen Unternehmen offensichtlich am meisten unter den Nägeln brannte, das allerdings auch das komplizierteste Thema ist.

E&M: Es wurde in der Vergangenheit von den Energieversorgern und ihren IT-Lieferanten zu Recht beklagt, dass rasche regulatorische Änderungen durch die Politik und somit die Bundesnetzagentur viel Geld und Zeit verschlungen haben. Wie flexibel sind die Systeme, die jetzt von Accenture in die TAP implementiert werden?

Cord: Das ist ein absolutes Novum von TAP: Zukünftige regulatorische Anforderungen werden von Accenture im Leistungspaket nachgehalten. Wenn die Bundesregierung Rahmenbedingungen verändert, oftmals nicht wissend, was das bei der IT anrichtet, dann ist das ein Thema, das nicht mehr unsere TAP-Unternehmen lösen müssen, sondern Accenture. Und bei Pay-per-Use bleibt der Preis für uns gleich.

E&M: Die TAP-Mitglieder zahlen ihre Leistungen direkt an Accenture, welche Aufgaben hat die TAP-Steuerungsgesellschaft, ist sie eine juristische Person?

Cord: Das ist eine GmbH, die von der Thüga gegründet wurde und als Vehikel dient, mit dem Generalunternehmer, also Accenture, Verträge zu verhandeln und abzuschließen sowie die Entwicklung auf einer Zeitachse zu orchestrieren. Ein Beispiel: In welcher Reihenfolge werden Unternehmen umgestellt? Manche möchten ganz vorne dabei sein, andere wollen erst 2026 damit beginnen. Anderes Beispiel: Welche neuen Preise entstehen, wenn die TAP neue Energieversorger bekommt?
Für uns als Thüga war von Anfang an klar, dass wir den Gesellschafterkreis erweitern und dann im Zielbild nur noch mit 15 Prozent dabei sein wollen. Der Prozess findet derzeit statt. In der Endstufe werden in der Gesellschaft 10 oder 15 Personen beschäftigt sein, die ausschließlich an der Schnittstelle TAP und Accenture arbeiten.

E&M: Die kosten Geld − und müssen somit auch Geld verdienen?

Cord: Die sollen mit einer schwarzen Null ausgesteuert werden. Das wissen die Gesellschafter auch und sehen ihren Vorteil darin, dass sie inhaltlich besonders dicht am Projekt sind, Einfluss auf die Gestaltung nehmen und daraus lernen können.

E&M: Weit in die Zukunft der Digitalisierung gedacht: Was muss bei den Energieversorgern noch passieren, welche Geschäftsprozesse werden auf Plattformen landen, wie die Thüga sie jetzt mit der TAP realisiert hat?

Cord: Wir sind mit der Digitalisierung in vielen Bereichen heute schon besser, als wir es nach außen kommunizieren. In Erzeugung, Handel und Netzen ist der Fortschritt nicht zu übersehen, auch wenn überall natürlich noch mehr geht, um effizienter zu werden und die Energiewende zu realisieren.

Größeren Nachholbedarf gibt es nach wie vor bei der Interaktion mit den Kunden. Hier muss uns einfach klar sein, dass die nächste Generation nicht mehr im Kundenzentrum erscheinen wird, um sich beraten zu lassen. Wer hier nicht konsequent digitalisiert, wird die jüngeren Generationen als Kunden verlieren.

E&M: Sind Plattformen also die Lösung aller Probleme?

Cord: Für alles, was in Skalen kostengünstiger wird und in den Prozessen ohnehin von jedem Unternehmen in mehr oder weniger gleichem Umfang geleistet oder vorgehalten werden muss, sind Plattformen sinnvoll. Differenzierende Prozesse, die individuelle Vorteile für ein einzelnes Unternehmen bringen, werden auch zukünftig jeweils für sich entwickelt werden. Schließlich ist man ja in einem harten Wettbewerbsumfeld aktiv.

Von VÜI zu TAP

2017 wurde die „Verbandsübergreifende Initiative IT-Plattform der Zukunft“ (VÜI) von den Energieverbänden BDEW und VKU sowie der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) geboren. Das Ziel: 50 Mio. und mehr Zählpunkte unter einer gemeinsamen IT-Architektur zu vereinen. 2019 wurde die Initiative aufgegeben, die beteiligten Unternehmen fanden nicht ausreichend gemeinsame Nenner. An der VÜI beteiligt war auch die Thüga, die anschließend eigene Wege ging, die zur TAP, der Thüga-Abrechnungsplattform, mit 15,5 Mio. Zählpunkten führte. Auftragnehmer der Thüga ist Accenture, die auch schon bei der VÜI zu den Plattform-Anbietern gehörte. Verhandlungsführer mit Accenture ist die TAP-Steuerungsgesellschaft mit den Gesellschaftern Badenova, Thüga, Mainova, Rhön Energie, Eins energie und Wemag. Das TAP-Pilotunternehmen sind die Stadtwerke Kaiserslautern.
 

Freitag, 15.07.2022, 14:43 Uhr
Helmut Sendner
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - TAP ist top
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
TAP ist top
Matthias Cord, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Thüga AG, über die Mühen der Entwicklung und die erwarteten Vorteile einer Abrechnungsplattform.
 
Matthias Cord: „Es musste eine Basis geben, die für alle passt“
Quelle: E&M/Helmut Sender

E&M: Herr Cord, nach Beendigung der VÜI-Aktivitäten hat es gut zwei Jahre gedauert, bis Sie zu einer eigenen Lösung, der Thüga-Abrechnungsplattform TAP, gekommen sind. Warum so lange?

Cord: Die VÜI hatte bereits eine gute Arbeitsgrundlage geliefert. Auf dieser Grundlage mussten wir die Anforderungen der Unternehmen konkret formulieren und ein Modell entwickeln, wie so eine Plattform organisatorisch wie auch technisch gesteuert werden kann. Parallel haben wir im Markt angefragt, ob das, was wir wollen, tatsächlich überhaupt schon verfügbar ist. Das Ergebnis: Nein, ist es nicht. Es folgte dann ein aufwendiger europaweiter Ausschreibungsprozess, in dem man natürlich auch immer an feste Fristen gebunden ist.

E&M: Was waren da Knackpunkte?

Cord: Ganz wesentlich war, die unterschiedlichen Anforderungen und Voraussetzungen von großen Unternehmen wie beispielsweise einer Mainova mit denen der zahlreichen kleineren Stadtwerke im TAP-Projekt abzubilden. Es musste eine Basis geben, die für alle passt, und zwar unabhängig davon, ob sie 50.000 oder mehr als eine Million Kunden haben. Dabei ist essenziell, dass jeder Teilnehmer über das vereinbarte Pay-per-Use-Modell die gleiche Summe für den Kunden bezahlt und auch nur für das, was er wirklich beansprucht.

E&M: Es ging um den kleinsten und nicht den größten gemeinsamen Nenner …

Cord: Im Gegenteil. Der gemeinsame Nenner sollte idealerweise so groß wie möglich sein. Die Architektur der TAP ist modular aufgebaut: Neben einem verpflichtenden Kern, der einen zentral bereitgestellten, hoch standardisierten und automatisierten Funktionsumfang darstellt, gibt es optionale Module, die hinzugewählt werden können. Über Schnittstellen können individuelle Anwendungen an die IT-Plattform angebunden werden. In der Praxis heißt das, egal wie groß ein Unternehmen ist und egal ob es drei oder acht Produkte abrechnen will, die Bedingungen sind immer gleich. Darüber gibt es einen sogenannten Digital Layer, über den vorhandene oder später benötigte Module angeflanscht werden können. Es gibt beispielsweise Unternehmen im TAP-Projekt, die bereits gute CRM-Module haben und diese integrieren wollen. Andere sind bei diesem Thema noch nicht so weit.

E&M: TAP klingt top, warum machen dann nur 38 von 100 Unternehmen in der Thüga-Gruppe mit?

Cord: Die Zahl 100 war nicht die relevante Zielgröße. Darunter fallen nämlich zum Beispiel auch Zwischenholdings oder Plusgesellschaften, die gar keinen Bedarf für eine Plattform haben. Folglich wären maximal 70 bis 80 Unternehmen theoretisch im Fokus gewesen. Allerdings war von Beginn an klar, dass einige Unternehmen gar nicht dabei sein können, sei es, weil sie gerade vor Beginn des Projekts eigene Lösungen entwickelt hatten oder aber weil sie langfristig an IT-Dienstleister gebunden sind. Daher würde ich die Frage anders stellen: Wie haben wir es geschafft, dass so viele mitmachen?

E&M: Gerne auch so …

Cord: Die Thüga-Gruppe ist sehr heterogen, was sich beispielsweise daran zeigt, dass wir aus 40 verschiedenen IT-Anwendungshintergründen kommen. Was mich manchmal dem Verzweifeln nahebrachte, war der nicht aus der Welt zu räumende Glaube einzelner − zum Glück sehr weniger − Unternehmen, man könne die gewaltigen IT-Herausforderungen hinsichtlich einer neuen Abrechnungsplattform genauso gut und sogar kostengünstiger mit einem begabten Programmierer vor Ort lösen. Und das in einer Zeit, wo Skalen immer wichtiger werden und die IT komplexer ist als je zuvor.

Die 38 Stadtwerke und Energieversorger, die jetzt an der TAP beteiligt sind, stehen für 15,5 Millionen Zählpunkte, was rund zwei Drittel aller Zählpunkte in unserer Gruppe sind. Damit ist unsere Plattform eine der größten im Markt.

E&M: Warum hat Accenture die Ausschreibung gewonnen?

Cord: Ein Projekt dieser Größenordnung kann nur von Dienstleistern gestemmt werden, die über entsprechende Erfahrungen und ausreichend Personalressourcen verfügen. Das war uns von Anfang an klar. Darüber hinaus hatten wir zahlreiche weitere strikte Vorgaben wie beispielsweise die verpflichtende Übernahme aller gesetzlichen und regulatorischen Anpassungen. Und am Ende war natürlich auch der Preis entscheidend. Accenture hat uns in einem insgesamt sehr starken Wettbewerbsumfeld sowohl fachlich als auch finanziell am meisten überzeugt. Das Angebot umfasst eine über acht Jahre stabile Kostenstruktur und ein Pay-per-Use-Prinzip anhand der Menge der Zählpunkte. Hinzu kommt, dass TAP als Software as a Service (SaaS) angeboten wird. Statt eine Software zu erwerben, die regelmäßig zusätzliche Kosten − zum Beispiel für IT-Sicherheit, Lizenzen und Upgrades − verursacht, erhalten TAP-Nutzerinnen und Nutzer ein Rundum-sorglos-Paket.

E&M: Die Entscheidung fiel im November 2021, wie geht es nun weiter?

Cord: Die Teams arbeiten gemeinsam mit Accenture planmäßig, der erste Kunde als Pilot ist gestartet und bereits in der Transition. Das ganze Projekt ist über mehrere Jahre angelegt.

E&M: Und in diesem Zeitraum könnten aus den 38 auch mehr werden. Ist die Plattform offen auch für Unternehmen außerhalb der Thüga-Gruppe?

Cord: Wir konzentrieren uns zunächst auf das Abarbeiten der diversen Aufgaben, haben aber immer gesagt, dass wir offen sind für weitere Unternehmen, auch von außen. Und es gibt mehrere Anfragen. Ein größerer Regionalversorger aus der Thüga-Gruppe ist dieses Jahr bereits dazugekommen. TAP wächst also kontinuierlich weiter.

E&M: Mit rund 20 Millionen Zählpunkten läuft bei Eon ein ähnliches Projekt, da verspricht man sich Kostensenkungen von 40 Prozent. Wovon gehen Sie aus?

Cord: Wir haben uns in den letzten zwei Jahren alle möglichen Benchmarks angeschaut mit der grundlegenden Erkenntnis, dass sehr oft Äpfel mit Birnen verglichen werden. Seriös gibt es eine Spannbreite von 20 bis 70 Euro pro Zählpunkt, und ob es dann 15 bis 65 oder 23 bis 75 sind, ist nachrangig. Tatsache ist, dass es ein riesengroßes Optimierungspotenzial gibt. Wir haben mit Accenture vereinbart, dass wir keine Zahlen nennen. Nur so viel: Die Preise werden sich deutlich nach unten bewegen, und zwar umso deutlicher, je mehr Unternehmen bei TAP mitmachen.

E&M: Die TAP umfasst die Marktrollen ‚Lieferant‘ und ‚Verteilnetzbetreiber/Messstellenbetreiber‘, in welchem Bereich sehen Sie die größten Herausforderungen?

Cord: Ich sehe da keine Priorisierung. Beim Thema Lieferant sind die IT-Hersteller halt am weitesten, weil das vielen Unternehmen offensichtlich am meisten unter den Nägeln brannte, das allerdings auch das komplizierteste Thema ist.

E&M: Es wurde in der Vergangenheit von den Energieversorgern und ihren IT-Lieferanten zu Recht beklagt, dass rasche regulatorische Änderungen durch die Politik und somit die Bundesnetzagentur viel Geld und Zeit verschlungen haben. Wie flexibel sind die Systeme, die jetzt von Accenture in die TAP implementiert werden?

Cord: Das ist ein absolutes Novum von TAP: Zukünftige regulatorische Anforderungen werden von Accenture im Leistungspaket nachgehalten. Wenn die Bundesregierung Rahmenbedingungen verändert, oftmals nicht wissend, was das bei der IT anrichtet, dann ist das ein Thema, das nicht mehr unsere TAP-Unternehmen lösen müssen, sondern Accenture. Und bei Pay-per-Use bleibt der Preis für uns gleich.

E&M: Die TAP-Mitglieder zahlen ihre Leistungen direkt an Accenture, welche Aufgaben hat die TAP-Steuerungsgesellschaft, ist sie eine juristische Person?

Cord: Das ist eine GmbH, die von der Thüga gegründet wurde und als Vehikel dient, mit dem Generalunternehmer, also Accenture, Verträge zu verhandeln und abzuschließen sowie die Entwicklung auf einer Zeitachse zu orchestrieren. Ein Beispiel: In welcher Reihenfolge werden Unternehmen umgestellt? Manche möchten ganz vorne dabei sein, andere wollen erst 2026 damit beginnen. Anderes Beispiel: Welche neuen Preise entstehen, wenn die TAP neue Energieversorger bekommt?
Für uns als Thüga war von Anfang an klar, dass wir den Gesellschafterkreis erweitern und dann im Zielbild nur noch mit 15 Prozent dabei sein wollen. Der Prozess findet derzeit statt. In der Endstufe werden in der Gesellschaft 10 oder 15 Personen beschäftigt sein, die ausschließlich an der Schnittstelle TAP und Accenture arbeiten.

E&M: Die kosten Geld − und müssen somit auch Geld verdienen?

Cord: Die sollen mit einer schwarzen Null ausgesteuert werden. Das wissen die Gesellschafter auch und sehen ihren Vorteil darin, dass sie inhaltlich besonders dicht am Projekt sind, Einfluss auf die Gestaltung nehmen und daraus lernen können.

E&M: Weit in die Zukunft der Digitalisierung gedacht: Was muss bei den Energieversorgern noch passieren, welche Geschäftsprozesse werden auf Plattformen landen, wie die Thüga sie jetzt mit der TAP realisiert hat?

Cord: Wir sind mit der Digitalisierung in vielen Bereichen heute schon besser, als wir es nach außen kommunizieren. In Erzeugung, Handel und Netzen ist der Fortschritt nicht zu übersehen, auch wenn überall natürlich noch mehr geht, um effizienter zu werden und die Energiewende zu realisieren.

Größeren Nachholbedarf gibt es nach wie vor bei der Interaktion mit den Kunden. Hier muss uns einfach klar sein, dass die nächste Generation nicht mehr im Kundenzentrum erscheinen wird, um sich beraten zu lassen. Wer hier nicht konsequent digitalisiert, wird die jüngeren Generationen als Kunden verlieren.

E&M: Sind Plattformen also die Lösung aller Probleme?

Cord: Für alles, was in Skalen kostengünstiger wird und in den Prozessen ohnehin von jedem Unternehmen in mehr oder weniger gleichem Umfang geleistet oder vorgehalten werden muss, sind Plattformen sinnvoll. Differenzierende Prozesse, die individuelle Vorteile für ein einzelnes Unternehmen bringen, werden auch zukünftig jeweils für sich entwickelt werden. Schließlich ist man ja in einem harten Wettbewerbsumfeld aktiv.

Von VÜI zu TAP

2017 wurde die „Verbandsübergreifende Initiative IT-Plattform der Zukunft“ (VÜI) von den Energieverbänden BDEW und VKU sowie der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) geboren. Das Ziel: 50 Mio. und mehr Zählpunkte unter einer gemeinsamen IT-Architektur zu vereinen. 2019 wurde die Initiative aufgegeben, die beteiligten Unternehmen fanden nicht ausreichend gemeinsame Nenner. An der VÜI beteiligt war auch die Thüga, die anschließend eigene Wege ging, die zur TAP, der Thüga-Abrechnungsplattform, mit 15,5 Mio. Zählpunkten führte. Auftragnehmer der Thüga ist Accenture, die auch schon bei der VÜI zu den Plattform-Anbietern gehörte. Verhandlungsführer mit Accenture ist die TAP-Steuerungsgesellschaft mit den Gesellschaftern Badenova, Thüga, Mainova, Rhön Energie, Eins energie und Wemag. Das TAP-Pilotunternehmen sind die Stadtwerke Kaiserslautern.
 

Freitag, 15.07.2022, 14:43 Uhr
Helmut Sendner

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.