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Energie & Management > Politik - Strompreisbremse leicht missbrauchbar?
Quelle: Pixabay / Uwe Hoh
Politik

Strompreisbremse leicht missbrauchbar?

Die gesetzliche Strompreisbremse ist noch nicht in Kraft, doch schon jetzt stehen Energieversorger am Pranger: Weil die Regelung durch Preiserhöhungen ad absurdum geführt werden könnte.
Während sich die Politiker die Köpfe heiß reden, haben Energieversorger Fakten geschaffen. Fakten, die die Kontroverse in Berlin eher anheizen denn beenden. Zum Jahreswechsel erhöhen zahlreiche Gas- und Stromlieferanten die Preise, und das teils in einem Maße, das Marktbeobachter Alarm schlagen lässt. Die von der Ampel-Regierung geplanten Energiepreisbremsen, so die weit verbreitete Befürchtung, würden von Unternehmen missbraucht.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Andreas Jung, mahnte im Tagesspiegel,  dass die Bremsen Verbrauchern und Betrieben in der Krise helfen, „nicht aber Bilanzen von Versorgern aufbessern“ sollen. Noch deutlichere Worte fand der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland warnte er vor einer Einladung zum Abkassieren für Versorger und meinte: „Jeden neuen Tarif für 2023 muss der Bund bei Strom und Gas genehmigen.“ Bartsch sprach vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher Preiserhöhungen von „Mitnahme-Mentalität“ einiger Anbieter.

Beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stößt die Diskussion auf harsche Kritik: Der Energiebranche insgesamt zu unterstellen, sie nutze die Energiekrise zu ungerechtfertigten Preiserhöhungen, ist unredlich“, sagt Verbandspräsidentin Marie-Luise Wolff. Es sei „völlig klar, dass die Versorger gestiegene Beschaffungskosten auf Basis der Marktpreise an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben müssen“. Genau dasselbe gelte für die Weitergabe gestiegener Preise der vorgelagerten Netzbetreiber. Wolff spricht von einem normalen Vorgang, „mit der Gas- und Strompreisbremse hat das nichts zu tun.“

Schwachstellen im Gesetzentwurf?

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck teilt die Befürchtungen nicht. „Erst mal gehe ich davon aus, dass alle natürlich sich ans Gesetz halten und in der Notsituation, in der wir uns befinden, nur die wirklich notwendigen Preise an die Verbraucherinnen und die Verbraucher weitergeben“, sagte er am Wochenende. Außerdem wies er auf das Missbrauchsverbot im Gesetz zur Einführung Preisbremsen hin. Es sei ein „deutliches Instrument“ gegen Bestrebungen, „eine Grauzone auszutesten“, so der Grünen-Politiker.

Die Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher kann diesem Instrument wenig abgewinnen. „Wir halten das für absolut nicht praktikabel“, betonte Leonora Holling gegenüber der Redaktion. Sie sieht vor allem zwei Schwachstellen in der Regelung. Die eine betrifft die Darlegungs- und Beweislast, ob eine Preiserhöhung gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber schiebt sie dem Versorger zu. „In dem Gesetzentwurf steht nicht, wie der Versorger der Beweislast entsprechen soll“, moniert Holling. „Im Grunde müsste durch einen neutralen Sachverständigen ein Gutachten erstellt werden. Das wäre aufwändig und teuer“.

Holling erinnert an den Paragrafen 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der bisher Anwendung in Streitfällen findet, ob Beschaffungskosten weitergegeben werden dürfen. „Den Streit gibt es seit 15 Jahren, das ist ein ausgesprochen kompliziertes Verfahren.“ In der Vergangenheit seien immer wieder mal „private Wirtschaftsgutachten“ vorgelegt worden, die Gerichte für nicht ausreichend hielten.

Als zweite Schwachstelle verortet Holling, dass mit der Missbrauchsklausel das Bundeskartellamt als Aufsichtsbehörde in die Pflicht genommen wird. Die Verbraucherschützerin zweifelt daran, dass das Amt die Kapazitäten für die Aufgabe hat. Nicht zuletzt sei bis dato unklar, wann es überhaupt zu einer Überprüfung kommt. „Muss ein Antrag gestellt werden oder prüft die Behörde von sich aus?“

Preiserhöhungen von Grundversorgern um mehr als 200 Prozent

Angesicht der Preisentwicklung sieht der Bund der Energieverbraucher schnellen Handlungsbedarf. Wenn sie sich die Preiserhöhungen ansehe, bleibe nur der Schluss: „Viele lassen sich nicht mit schlechtem Einkaufsverhalten erklären“, sagt die Vorsitzende der Organisation.

Das Vergleichsportal Verivox zählt 696 Grundversorger, die zum 1. Januar den Strompreis erhöhen. Im Durchschnitt steigt der Preis um 54,7 Prozent. Für den Zeitraum von November 2022 bis Februar erfasst das Portal 808 Preiserhöhungen, im Schnitt um 48,8 Prozent. Mehr als fünf Dutzend dieser Versorger haben den Preis um mehr 100 Prozent nach oben geschraubt, elf davon um als 150 Prozent. Bei zweien verteuert sich Strom in der Grundversorgung zum Jahreswechsel um über 230 Prozent, was für Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh Mehrkosten in Höhe von über 2.600 Euro bedeutet.

In der Grundversorgung mit Gas verzeichnet Verivox 536 Energieunternehmen, die zum 1. Januar den Preis anheben. Durchschnittlich macht der Aufschlag 48,2 Prozent aus. In der Zeit von November bis Februar sind es 817 Versorger, und der Aufschlag erreicht durchschnittlich 45,9 Prozent. Gut 90 Unternehmen berechnen über 100 Prozent mehr, ein gutes halbes Dutzend über 200 Prozent, in zwei Fällen liegt der neue Preis jenseits der 300-Prozent-Marke. Für Haushalte mit 20.000 kWh Jahresverbrauch steigt die Gasrechnung beispielsweise um mehr als 5.600 Euro.

Montag, 5.12.2022, 16:43 Uhr
Manfred Fischer
Energie & Management > Politik - Strompreisbremse leicht missbrauchbar?
Quelle: Pixabay / Uwe Hoh
Politik
Strompreisbremse leicht missbrauchbar?
Die gesetzliche Strompreisbremse ist noch nicht in Kraft, doch schon jetzt stehen Energieversorger am Pranger: Weil die Regelung durch Preiserhöhungen ad absurdum geführt werden könnte.
Während sich die Politiker die Köpfe heiß reden, haben Energieversorger Fakten geschaffen. Fakten, die die Kontroverse in Berlin eher anheizen denn beenden. Zum Jahreswechsel erhöhen zahlreiche Gas- und Stromlieferanten die Preise, und das teils in einem Maße, das Marktbeobachter Alarm schlagen lässt. Die von der Ampel-Regierung geplanten Energiepreisbremsen, so die weit verbreitete Befürchtung, würden von Unternehmen missbraucht.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Andreas Jung, mahnte im Tagesspiegel,  dass die Bremsen Verbrauchern und Betrieben in der Krise helfen, „nicht aber Bilanzen von Versorgern aufbessern“ sollen. Noch deutlichere Worte fand der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland warnte er vor einer Einladung zum Abkassieren für Versorger und meinte: „Jeden neuen Tarif für 2023 muss der Bund bei Strom und Gas genehmigen.“ Bartsch sprach vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher Preiserhöhungen von „Mitnahme-Mentalität“ einiger Anbieter.

Beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stößt die Diskussion auf harsche Kritik: Der Energiebranche insgesamt zu unterstellen, sie nutze die Energiekrise zu ungerechtfertigten Preiserhöhungen, ist unredlich“, sagt Verbandspräsidentin Marie-Luise Wolff. Es sei „völlig klar, dass die Versorger gestiegene Beschaffungskosten auf Basis der Marktpreise an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben müssen“. Genau dasselbe gelte für die Weitergabe gestiegener Preise der vorgelagerten Netzbetreiber. Wolff spricht von einem normalen Vorgang, „mit der Gas- und Strompreisbremse hat das nichts zu tun.“

Schwachstellen im Gesetzentwurf?

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck teilt die Befürchtungen nicht. „Erst mal gehe ich davon aus, dass alle natürlich sich ans Gesetz halten und in der Notsituation, in der wir uns befinden, nur die wirklich notwendigen Preise an die Verbraucherinnen und die Verbraucher weitergeben“, sagte er am Wochenende. Außerdem wies er auf das Missbrauchsverbot im Gesetz zur Einführung Preisbremsen hin. Es sei ein „deutliches Instrument“ gegen Bestrebungen, „eine Grauzone auszutesten“, so der Grünen-Politiker.

Die Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher kann diesem Instrument wenig abgewinnen. „Wir halten das für absolut nicht praktikabel“, betonte Leonora Holling gegenüber der Redaktion. Sie sieht vor allem zwei Schwachstellen in der Regelung. Die eine betrifft die Darlegungs- und Beweislast, ob eine Preiserhöhung gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber schiebt sie dem Versorger zu. „In dem Gesetzentwurf steht nicht, wie der Versorger der Beweislast entsprechen soll“, moniert Holling. „Im Grunde müsste durch einen neutralen Sachverständigen ein Gutachten erstellt werden. Das wäre aufwändig und teuer“.

Holling erinnert an den Paragrafen 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der bisher Anwendung in Streitfällen findet, ob Beschaffungskosten weitergegeben werden dürfen. „Den Streit gibt es seit 15 Jahren, das ist ein ausgesprochen kompliziertes Verfahren.“ In der Vergangenheit seien immer wieder mal „private Wirtschaftsgutachten“ vorgelegt worden, die Gerichte für nicht ausreichend hielten.

Als zweite Schwachstelle verortet Holling, dass mit der Missbrauchsklausel das Bundeskartellamt als Aufsichtsbehörde in die Pflicht genommen wird. Die Verbraucherschützerin zweifelt daran, dass das Amt die Kapazitäten für die Aufgabe hat. Nicht zuletzt sei bis dato unklar, wann es überhaupt zu einer Überprüfung kommt. „Muss ein Antrag gestellt werden oder prüft die Behörde von sich aus?“

Preiserhöhungen von Grundversorgern um mehr als 200 Prozent

Angesicht der Preisentwicklung sieht der Bund der Energieverbraucher schnellen Handlungsbedarf. Wenn sie sich die Preiserhöhungen ansehe, bleibe nur der Schluss: „Viele lassen sich nicht mit schlechtem Einkaufsverhalten erklären“, sagt die Vorsitzende der Organisation.

Das Vergleichsportal Verivox zählt 696 Grundversorger, die zum 1. Januar den Strompreis erhöhen. Im Durchschnitt steigt der Preis um 54,7 Prozent. Für den Zeitraum von November 2022 bis Februar erfasst das Portal 808 Preiserhöhungen, im Schnitt um 48,8 Prozent. Mehr als fünf Dutzend dieser Versorger haben den Preis um mehr 100 Prozent nach oben geschraubt, elf davon um als 150 Prozent. Bei zweien verteuert sich Strom in der Grundversorgung zum Jahreswechsel um über 230 Prozent, was für Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh Mehrkosten in Höhe von über 2.600 Euro bedeutet.

In der Grundversorgung mit Gas verzeichnet Verivox 536 Energieunternehmen, die zum 1. Januar den Preis anheben. Durchschnittlich macht der Aufschlag 48,2 Prozent aus. In der Zeit von November bis Februar sind es 817 Versorger, und der Aufschlag erreicht durchschnittlich 45,9 Prozent. Gut 90 Unternehmen berechnen über 100 Prozent mehr, ein gutes halbes Dutzend über 200 Prozent, in zwei Fällen liegt der neue Preis jenseits der 300-Prozent-Marke. Für Haushalte mit 20.000 kWh Jahresverbrauch steigt die Gasrechnung beispielsweise um mehr als 5.600 Euro.

Montag, 5.12.2022, 16:43 Uhr
Manfred Fischer

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