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Energie & Management > Wirtschaft - Stadtwerke suchen Geld für die Energiewende
Quelle: Fotolia / nmann77
Wirtschaft

Stadtwerke suchen Geld für die Energiewende

Wärme- und Verkehrswende, Netzausbau, erneuerbare Energien müssen Kommunen in wenigen Jahren stemmen. Von der Suche nach zahlungskräftigen Partnern berichteten sie der Stadtwerketagung.
Investitionen in ungekannter Höhe tauchen derzeit in den Wirtschaftsplänen wohl aller Stadtwerke auf. Für die Klimaschutzziele müssen Kommunen in den Jahren bis 2045 Wärme- und Verkehrswende, Netzausbau und erneuerbare Energien umsetzen. Die Gesamtkosten der Energiewende berechnete eine Studie der Deutschen Energieagentur (Dena) für ganz Deutschland mit 600 Milliarden Euro. Für einzelne Unternehmen bleibt davon jeweils ein Anteil, der gestemmt und finanziert werden muss. Auf der Handelsblatt-Tagung in Berlin berichteten kommunale Unternehmen, wie sie die Herausforderung angehen.

Joint Ventures in Halle

Für die Stadt Halle/Saale machte der Geschäftsführer der Stadtwerke die Rechnung auf. Matthias Lux kam auf nötige Investitionen für seine Stadt von 1,3 Milliarden Euro bis 2030 für die Energiewende. Sein Unternehmen hat Strom, Wärme, Gas und ÖPNV unter einem Dach vereint. Das Eigenkapital beträgt 30 Prozent, Fremdkapital 40 Prozent, der Rest kommt aus bereits bestehenden Aktiva. Bei genauem Hinsehen wird sein Unternehmen nicht alles bezahlen müssen. Gerade für die Wärmewende landeten viele Maßnahmen auch auf der Rechnung der Wohnungswirtschaft, bilanzierte Lux.

Wohl zuständig aber ist er für die Stromversorgung. Dafür brauche Halle etwa 800 MW erneuerbare Erzeugungsanlagen. Um das nicht allein bauen zu müssen, suchte Lux schon vor einiger Zeit Partner. Für ein Joint Venture mit 50 Prozent Beteiligung gewann er die Ingenieurgesellschaft Baden-Württemberg, mit der nun Photovoltaikanlagen mit 144 MW errichtet werden. Beim nördlichen Nachbarn fand er Partner für Windstrom und mit einem Bauunternehmen kam er an Flächen für weitere Anlagen. „Wir brauchen auch Partner für Großwärmepumpen, es müssen nicht immer 100 Millionen-Euro-Projekte sein, auch kleinere Konfektionsgrößen helfen uns“, erläuterte Lux.
 

Viele Geldquellen erschließen

Deshalb sammelten die Stadtwerke auch Geld bei den 240.000 Bürgern über festverzinsliche Beteiligungen ein. Dies werde allerdings durch die neuesten Auflagen der BaFin erschwert, bedauerte Lux. „Wir müssen im Prospekt bis zum Wechselrichter genau alle Bauteile angeben, ehe wir Aufträge vergeben haben“, beschrieb er. Indirekt bekäme die Energiewende über die EEG-Förderung schon Unterstützung, die Projekte tragfähig machten. Zu erwägen wäre auch der Verkauf von Unternehmensteilen, die Thesaurierung zur Erhöhung des Eigenkapitals, Bürgschaften oder eine Erhöhung des Kapitals durch den Gesellschafter. Allerdings sei Halle nicht sehr solvent und benötige eher Einnahmen der Stadtwerke.

Staatliche Förderung ist deshalb laut Lux unbedingt noch nötig für die Verkehrswende im Personennahverkehr (ÖPNV). Elektrobusse sind noch deutlich teurer als herkömmliche und die Infrastruktur muss erst errichtet werden, begründete er. „Es gilt, die Investitionen positiv zu sehen, da sie jetzt nicht mehr Ölstaaten reich machen, sondern Werte in der eigenen Umgebung schaffen, die uns in den kommenden Jahrzehnten sicher mit Energie versorgen“, appellierte Lux abschließend.

Hannover plant den Gasausstieg

Für die Enercity aus Hannover bezifferte Finanzvorstand Marc Hansmann die Energiewende-Investitionen bis 2030 mit 7,6 Milliarden. Immerhin habe sein Unternehmen schon 2017 mit der Wärmeplanung angefangen und sie jetzt abgeschlossen. Sie beraten Kunden konsequent gegen Gasanschlüsse, weil sie langfristig vom Erdgas-Ausstieg ausgehen, berichtete Hansmann. Technisch halte er die Energiewende für umsetzbar, aber fraglich bleibe die Bezahlbarkeit. Im erstmals dreistelligen Millionenbetrag für Investitionen im Haushalt von Enercity würden nur wenig Fördermittel einfließen, bedauerte er.

Wolle die Politik günstige Fernwärme, seien Fördermittel entscheidend, appellierte Hansmann. Sein Unternehmen werde den Anschluss der 500.000 Hannoveraner an Wärmenetze im Fern- und Nahbereich von einem Drittel auf zwei Drittel aufrüsten. In Einfamilienhaussiedlungen werde Enercity auch selbst die Wärmepumpen und ihren Anschluss anbieten. Bis 2035 soll im Wärmenetz komplett erneuerbare Energie fließen, weil zuletzt das Gasheizkraftwerk auf Wasserstoff umgestellt wird, erläuterte Hansmann. Im ersten Anlauf rechne man mit 30 Prozent anschlussbereiter Haushalte in den neu erschlossenen Gebieten.
 
Der Enercity-Ceo Marc Hansmann auf der Stadtwerketagung
Quelle: Dietmar Gust
 
 
Flensburg hofft auf Förderung

In Flensburg gebe es bereits 700 Kilometer Fernwärmenetz nach dem Vorbild der dänischen Nachbarn. Nun müsse die Energie dafür erneuerbar erzeugt werden, berichtete Dirk Thole, Geschäftsführer der Stadtwerke. Noch habe der 350 MW Kraftwerkspark der 100.000-Einwohner-Stadt noch keinen erneuerbaren Anteil. Bis 2035 solle der Strom klimaneutral erzeugt werden und auch ein Teil der Fernwärme. Dafür sollen die zwei Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerke (GUD) auf klimaneutralen Wasserstoff umgestellt werden.

Glücklicherweise, so Thole, läuft eine Erdgasleitung der Gasunie an Flensburg vorbei, die auf Wasserstoff umgestellt werden soll. Zudem werde eine Großwärmepumpe mit 60 MW bis 2027 gebaut, die Wärme aus Fördewasser nutzt. „Geothermie ist bei uns leider nicht ergiebig“, erläuterte Thole. Die Großwärmepumpe sei allerdings ohne einen Betriebskostenzuschuss noch nicht wirtschaftlich gegenüber den fossilen Anlagen, dafür aber fehle eine Förderzusage des Bundeswirtschaftsministeriums, bedauerte er. Zudem plane man, eigenen erneuerbaren Strom zu produzieren, um die Wärmpumpe klimafreundlich zu betreiben.

Mittwoch, 10.04.2024, 14:03 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Wirtschaft - Stadtwerke suchen Geld für die Energiewende
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Stadtwerke suchen Geld für die Energiewende
Wärme- und Verkehrswende, Netzausbau, erneuerbare Energien müssen Kommunen in wenigen Jahren stemmen. Von der Suche nach zahlungskräftigen Partnern berichteten sie der Stadtwerketagung.
Investitionen in ungekannter Höhe tauchen derzeit in den Wirtschaftsplänen wohl aller Stadtwerke auf. Für die Klimaschutzziele müssen Kommunen in den Jahren bis 2045 Wärme- und Verkehrswende, Netzausbau und erneuerbare Energien umsetzen. Die Gesamtkosten der Energiewende berechnete eine Studie der Deutschen Energieagentur (Dena) für ganz Deutschland mit 600 Milliarden Euro. Für einzelne Unternehmen bleibt davon jeweils ein Anteil, der gestemmt und finanziert werden muss. Auf der Handelsblatt-Tagung in Berlin berichteten kommunale Unternehmen, wie sie die Herausforderung angehen.

Joint Ventures in Halle

Für die Stadt Halle/Saale machte der Geschäftsführer der Stadtwerke die Rechnung auf. Matthias Lux kam auf nötige Investitionen für seine Stadt von 1,3 Milliarden Euro bis 2030 für die Energiewende. Sein Unternehmen hat Strom, Wärme, Gas und ÖPNV unter einem Dach vereint. Das Eigenkapital beträgt 30 Prozent, Fremdkapital 40 Prozent, der Rest kommt aus bereits bestehenden Aktiva. Bei genauem Hinsehen wird sein Unternehmen nicht alles bezahlen müssen. Gerade für die Wärmewende landeten viele Maßnahmen auch auf der Rechnung der Wohnungswirtschaft, bilanzierte Lux.

Wohl zuständig aber ist er für die Stromversorgung. Dafür brauche Halle etwa 800 MW erneuerbare Erzeugungsanlagen. Um das nicht allein bauen zu müssen, suchte Lux schon vor einiger Zeit Partner. Für ein Joint Venture mit 50 Prozent Beteiligung gewann er die Ingenieurgesellschaft Baden-Württemberg, mit der nun Photovoltaikanlagen mit 144 MW errichtet werden. Beim nördlichen Nachbarn fand er Partner für Windstrom und mit einem Bauunternehmen kam er an Flächen für weitere Anlagen. „Wir brauchen auch Partner für Großwärmepumpen, es müssen nicht immer 100 Millionen-Euro-Projekte sein, auch kleinere Konfektionsgrößen helfen uns“, erläuterte Lux.
 

Viele Geldquellen erschließen

Deshalb sammelten die Stadtwerke auch Geld bei den 240.000 Bürgern über festverzinsliche Beteiligungen ein. Dies werde allerdings durch die neuesten Auflagen der BaFin erschwert, bedauerte Lux. „Wir müssen im Prospekt bis zum Wechselrichter genau alle Bauteile angeben, ehe wir Aufträge vergeben haben“, beschrieb er. Indirekt bekäme die Energiewende über die EEG-Förderung schon Unterstützung, die Projekte tragfähig machten. Zu erwägen wäre auch der Verkauf von Unternehmensteilen, die Thesaurierung zur Erhöhung des Eigenkapitals, Bürgschaften oder eine Erhöhung des Kapitals durch den Gesellschafter. Allerdings sei Halle nicht sehr solvent und benötige eher Einnahmen der Stadtwerke.

Staatliche Förderung ist deshalb laut Lux unbedingt noch nötig für die Verkehrswende im Personennahverkehr (ÖPNV). Elektrobusse sind noch deutlich teurer als herkömmliche und die Infrastruktur muss erst errichtet werden, begründete er. „Es gilt, die Investitionen positiv zu sehen, da sie jetzt nicht mehr Ölstaaten reich machen, sondern Werte in der eigenen Umgebung schaffen, die uns in den kommenden Jahrzehnten sicher mit Energie versorgen“, appellierte Lux abschließend.

Hannover plant den Gasausstieg

Für die Enercity aus Hannover bezifferte Finanzvorstand Marc Hansmann die Energiewende-Investitionen bis 2030 mit 7,6 Milliarden. Immerhin habe sein Unternehmen schon 2017 mit der Wärmeplanung angefangen und sie jetzt abgeschlossen. Sie beraten Kunden konsequent gegen Gasanschlüsse, weil sie langfristig vom Erdgas-Ausstieg ausgehen, berichtete Hansmann. Technisch halte er die Energiewende für umsetzbar, aber fraglich bleibe die Bezahlbarkeit. Im erstmals dreistelligen Millionenbetrag für Investitionen im Haushalt von Enercity würden nur wenig Fördermittel einfließen, bedauerte er.

Wolle die Politik günstige Fernwärme, seien Fördermittel entscheidend, appellierte Hansmann. Sein Unternehmen werde den Anschluss der 500.000 Hannoveraner an Wärmenetze im Fern- und Nahbereich von einem Drittel auf zwei Drittel aufrüsten. In Einfamilienhaussiedlungen werde Enercity auch selbst die Wärmepumpen und ihren Anschluss anbieten. Bis 2035 soll im Wärmenetz komplett erneuerbare Energie fließen, weil zuletzt das Gasheizkraftwerk auf Wasserstoff umgestellt wird, erläuterte Hansmann. Im ersten Anlauf rechne man mit 30 Prozent anschlussbereiter Haushalte in den neu erschlossenen Gebieten.
 
Der Enercity-Ceo Marc Hansmann auf der Stadtwerketagung
Quelle: Dietmar Gust
 
 
Flensburg hofft auf Förderung

In Flensburg gebe es bereits 700 Kilometer Fernwärmenetz nach dem Vorbild der dänischen Nachbarn. Nun müsse die Energie dafür erneuerbar erzeugt werden, berichtete Dirk Thole, Geschäftsführer der Stadtwerke. Noch habe der 350 MW Kraftwerkspark der 100.000-Einwohner-Stadt noch keinen erneuerbaren Anteil. Bis 2035 solle der Strom klimaneutral erzeugt werden und auch ein Teil der Fernwärme. Dafür sollen die zwei Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerke (GUD) auf klimaneutralen Wasserstoff umgestellt werden.

Glücklicherweise, so Thole, läuft eine Erdgasleitung der Gasunie an Flensburg vorbei, die auf Wasserstoff umgestellt werden soll. Zudem werde eine Großwärmepumpe mit 60 MW bis 2027 gebaut, die Wärme aus Fördewasser nutzt. „Geothermie ist bei uns leider nicht ergiebig“, erläuterte Thole. Die Großwärmepumpe sei allerdings ohne einen Betriebskostenzuschuss noch nicht wirtschaftlich gegenüber den fossilen Anlagen, dafür aber fehle eine Förderzusage des Bundeswirtschaftsministeriums, bedauerte er. Zudem plane man, eigenen erneuerbaren Strom zu produzieren, um die Wärmpumpe klimafreundlich zu betreiben.

Mittwoch, 10.04.2024, 14:03 Uhr
Susanne Harmsen

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