Die Stadtwerke Jülich lesen bis Anfang Januar jeden Zähler selbst ab. Quelle: SW Jülich
Tausendfach machen die Stadtwerke Jülich im Advent Hausbesuche. In einer beispiellosen Mammutaktion lesen sie sämtliche 34.000 privaten und gewerblichen Stromzähler in der Kommune ab.
Zurück in die analoge Welt: Das Ablesen von Strom-, Gas- und Wasserzählern in der Stadt Jülich erfolgt in diesem Dezember viele Tausend Male durch Hausbesuche. Die Stadtwerke der niederrheinischen Kommune nehmen die Aufgabe selbst in die Hand. Ein Grund: Immer mehr Menschen melden ihren Verbrauch dem Versorger gar nicht mehr.
Eine Sprecherin der Stadtwerke Jülich erklärt auf Anfrage dieser Redaktion, der Versorger wolle mit der seit dem 2. Dezember laufenden Aktion seine Abrechnungen wieder auf eine realistische Datenbasis stellen. Dafür setzen die Stadtwerke bis Anfang Januar einen Dienstleister ein, der bei 34.000 Zählern den aktuellen Stand fotografiert und notiert. Mehrere Dutzend Menschen statten den Wohnungen und Betrieben dabei Besuche ab.
Das eigene Ablesen erfolgt nicht, um fehlendes Geld einzutreiben, das den Stadtwerken im Falle zu niedrig angegebener Stände entgangen wäre. „Wir wollen einfach so sauber wie möglich abrechnen“, sagt die Sprecherin. Gegen Haushalte, die trotz Aufforderung keine Meldung abgeben, hilft üblicherweise ein einfaches Mittel: „Dann müssen wir den Verbrauch schätzen“, so die Sprecherin.
Dabei setzen die Stadtwerke den Schätzwert in der Regel zu hoch an, sie stellen also bewusst zu viel in Rechnung. Sinn dieser Übung ist es, die bis dahin untätige Kundschaft doch noch dazu zu bewegen, den aktuellen Zählerstand nachzureichen. Schließlich wollen diese nur den wirklichen Verbrauch bezahlen und eine neue Abschlagsrechnung erhalten, die nicht zu hoch liegt. Die neuen Jahresrechnungen, die Basis der monatlichen Abschlagszahlungen sind, will Jülich bis Anfang Februar verschicken. Und diesmal auf Grundlage der selbst ermittelten Zahlen.
„Hoffentlich ist es das letzte Mal“
Die Sprecherin verweist zudem auf die Pflicht von Stromversorgern, sich regelmäßig ein Bild vom ordnungsgemäßen Zustand der Zähler zu machen. Das geschieht zwar bei vielen Serviceterminen, aber eben nicht flächendeckend. Wann die Stadtwerke Jülich zuletzt sämtliche Anschlussstellen aufgesucht haben, daran könne sie sich nicht genau erinnern. Allerdings „würden wir uns wünschen, dass es das letzte Mal ist, 100 Prozent der Haushalte aufzusuchen“. Denn der Aufwand ist mit dem für einen Monat angeheuerten Fremdpersonal enorm.
Die Kosten für die lange geplante Aktion seien allerdings im Budget des Jahres eingeplant, so die Sprecherin. Überdies hat Jülich gerade überhaupt keine Probleme mit dem Geld. In diesem Juni vermeldete das Unternehmen ein historisches Rekordergebnis mit gut 2,5 Millionen Euro Gewinn für das Geschäftsjahr 2023.
Der Austausch herkömmlicher Zähler gegen die intelligenten, Smart Meter genannt, könnte den Stadtwerken zudem in die Karten spielen, um sich Aufwand zu sparen. Der Wechsel laufe, sei aber längst nicht abgeschlossen, so die Sprecherin. 100 dieser Messeinrichtungen hätten die Stadtwerke aktuell in Jülich verbaut.
Die Versorger haben mit dem Einbau der digitalen Zähler grundsätzlich Zugriff auf alle Daten des Verbrauchs. Ein Ablesen durch Kundschaft oder – wie jetzt – externe Dienstleister wäre damit überflüssig.
Dass bei Tausenden Hausbesuchen die Stadtwerke vor böswilligen Trittbrettfahrern nicht gefeit sind, weiß auch die Sprecherin. Daher ist die Aktion von einer breiten Informationskampagne flankiert. Wer im Auftrag des Versorgers Zähler abliest, trägt eine gelbe Stadtwerke-Weste und muss sich ausweisen können. Wer unsicher ist, wen er vor der Haustür stehen hat, kann dessen Identität direkt bei einer Servicetelefonnummer der Stadtwerke prüfen.
Mit einem müssen die Stadtwerke jedoch auch mit bei dieser Maßnahme rechnen: dass ihnen die Tür bei den unangekündigten Besuchen versperrt bleibt. Passiert dies, hinterlassen die Dienstleister einen Zettel mit einem neuen Termin. Bleibt auch dieser Versuch erfolglos, bitten die Stadtwerke, die Zählerstände selbst zu übermitteln. Geschieht dies nicht, muss der Versorger das tun, was er eigentlich vermeiden will: den Verbrauch wieder schätzen.
Donnerstag, 5.12.2024, 16:23 Uhr
Volker Stephan
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