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Energie & Management > Österreich - Sozialdemokraten kritisieren
Quelle: Fotolia / YuI
Österreich

Sozialdemokraten kritisieren "Antiteuerungspaket" der Regierung

Einmalzahlungen könnten die Inflationsdynamik nicht ausgleichen, hieß es bei einer Pressekonferenz am 29. Juli. Schelte gab es insbesondere für Energieministerin Gewessler.
„Zu wenig, zu spät, zu zögerlich“ ist der kaum überraschende Befund der oppositionellen Sozialdemokraten (SPÖ) bezüglich des geplanten „Antiteuerungspakets“ der Bundesregierung aus Konservativen (Österreichische Volkspartei, ÖVP) und Grünen.

Mit dem Paket sollen die steigenden Energiekosten abgefedert werden. Vorgesehen sind unter anderem eine Einmalzahlung von 300 Euro für Personen, die eine Mindestpension, Arbeitslosengeld oder Studienbeihilfe beziehen, sowie 180 Euro Zuschlag zur Familienbeihilfe, die im August bezahlt wird. Bei einer Pressekonferenz am 29. Juni in Wien bezeichneten SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll sowie der niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl diese Maßnahmen als „Tropfen auf den heißen Stein“. Die geplanten Einmalzahlungen könnten die Inflationsdynamik nie und nimmer ausgleichen, kritisierte Schroll: „Das Geld verpufft, bevor es bei den Menschen ankommt.“

Einmal mehr wiederholte Schroll seine Forderung, die Mehrwertsteuer auf Strom und Gas zu begrenzen. Ferner sollte ein „staatlicher Preisdeckel“ eingeführt werden. Die SPÖ schlägt diesbezüglich eine Änderung des Preisgesetzes vor. Diese würde ermöglichen, die Preise für die Endkunden am Aufbringungsmix des jeweiligen Energieversorgers zu orientieren. Schnabl erläuterte dies am Beispiel der niederösterreichischen EVN: Sie produziere den Großteil des an Endkunden verkauften Stroms mittels erneuerbarer Energien und nur einen geringen Teil davon im Gaskraftwerk Theiß. Dennoch seien ihre Endkundenpreise ausschließlich an der Merit Order im Großhandel und damit zurzeit an den Stromerzeugungskosten von Gaskraftwerken ausgerichtet. Für einen Haushalt mit rund 7.500 kWh Jahresverbrauch führe das zu jährlichen Stromkosten von etwa 1.460 Euro. Mit dem SPÖ-Modell wären es dem gegenüber nur rund 1.300 Euro, also knapp elf % weniger, rechnete Schnabl vor.

Aus Kreisen der Energiewirtschaft hieß es gegenüber der Redaktion, die von Schnabl genannten Zahlen seien „ungewöhnlich“. Ein Haushalt habe einen durchschnittlichen Verbrauch von rund 3.500 kWh pro Jahr, von rund 7.500 kWh könne keine Rede sein. Und wenn sich die Ersparnis selbst bei einem derart hohen Verbrauch nur auf rund 150 Euro belaufe, sei die von der SPÖ gewünschte Maßnahme wohl auch nicht besonders effektiv.

Überdies erneuerte Schroll die Forderung der SPÖ, die „ungerechtfertigten Übergewinne“ der Energieunternehmen „abzuschöpfen“. Mit dem Geld wollen die Sozialdemokraten die Energiekunden entlasten und den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Freilich: Vergangene Woche hatte Verbund-Generaldirektor Michael Strugl gerade den Ökostromausbau als Argument ins Treffen geführt, um den Energieunternehmen ihre Gewinne ungeschmälert zu belassen. Nur so seien die nötigen Investitionen möglich. Auf den diesbezüglichen Hinweis der Redaktion beschied Schroll, es gehe bei der Gewinnabschöpfung auch um die Entlastung der Endkunden. Schnabl ergänzte, bei Energieallianz Austria, die den Strom- und Gasvertrieb der EVN, der Wien Energie und der Burgenland Energie managt, sei im September eine weitere Strompreiserhöhung geplant: „Umso wichtiger ist die Gewinnabschöpfung.“

Umrüstung von Mellach „Verzweiflungsakt“

Heftige Schelte erteilte Schroll neuerlich Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne). Diese spreche ständig von der Notwendigkeit, Österreich von Gasimporten aus Russland unabhängig zu machen und zu diesem Zweck den Ökostromausbau zu forcieren sowie die Energieeffizienz zu steigern. Entsprechend zu handeln, versäume die Ministerin indessen: „Wir haben seit 544 Tagen kein Energieeffizienzgesetz und kein Klimaschutzgesetz mehr. Außerdem fehlen die Verordnungen, um das vor einem Jahr beschlossene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz endlich umzusetzen.“ Das Gaskraftwerk Mellach I nach zwei Jahren wieder auf den Kohlebetrieb umzurüsten wiederum sei ein „Verzweiflungsakt“. Um die Anlage über den Winter mit Kohle zu betreiben, seien rund 400.000 Tonnen dieses Brennstoffs notwendig: „Woher die kommen sollen, weiß niemand.“

Auch bei der strategischen Gasreserve versage Gewessler vollständig: Zwar seien die Speicher auf österreichischem Territorium mittlerweile zu etwa 44,7 % befüllt: „Aber viel von diesem Gas gehört nicht uns.“ Aus dem Speicher Haidach, der etwa ein Drittel des gesamten österreichischen Gasspeichervolumens umfasst, könnten nur Kunden in Deutschland beliefert werden. Ihn direkt an das österreichische Netz anzuschließen, dauere „bis Ende des heurigen, Anfang des kommenden Jahres“.

Schrolls Fazit: „Die Bundesregierung ist überfordert, Gewessler ist überfordert. So geht es nicht mehr weiter.“ Auf die Frage der Redaktion, ob er damit den Rücktritt der Ministerin fordere, stellte Schroll fest: „Ich glaube, die Grünen und die ÖVP sind fertig miteinander. Sie blockieren sich nur mehr gegenseitig.“

Mittwoch, 29.06.2022, 16:25 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Sozialdemokraten kritisieren
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Sozialdemokraten kritisieren "Antiteuerungspaket" der Regierung
Einmalzahlungen könnten die Inflationsdynamik nicht ausgleichen, hieß es bei einer Pressekonferenz am 29. Juli. Schelte gab es insbesondere für Energieministerin Gewessler.
„Zu wenig, zu spät, zu zögerlich“ ist der kaum überraschende Befund der oppositionellen Sozialdemokraten (SPÖ) bezüglich des geplanten „Antiteuerungspakets“ der Bundesregierung aus Konservativen (Österreichische Volkspartei, ÖVP) und Grünen.

Mit dem Paket sollen die steigenden Energiekosten abgefedert werden. Vorgesehen sind unter anderem eine Einmalzahlung von 300 Euro für Personen, die eine Mindestpension, Arbeitslosengeld oder Studienbeihilfe beziehen, sowie 180 Euro Zuschlag zur Familienbeihilfe, die im August bezahlt wird. Bei einer Pressekonferenz am 29. Juni in Wien bezeichneten SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll sowie der niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl diese Maßnahmen als „Tropfen auf den heißen Stein“. Die geplanten Einmalzahlungen könnten die Inflationsdynamik nie und nimmer ausgleichen, kritisierte Schroll: „Das Geld verpufft, bevor es bei den Menschen ankommt.“

Einmal mehr wiederholte Schroll seine Forderung, die Mehrwertsteuer auf Strom und Gas zu begrenzen. Ferner sollte ein „staatlicher Preisdeckel“ eingeführt werden. Die SPÖ schlägt diesbezüglich eine Änderung des Preisgesetzes vor. Diese würde ermöglichen, die Preise für die Endkunden am Aufbringungsmix des jeweiligen Energieversorgers zu orientieren. Schnabl erläuterte dies am Beispiel der niederösterreichischen EVN: Sie produziere den Großteil des an Endkunden verkauften Stroms mittels erneuerbarer Energien und nur einen geringen Teil davon im Gaskraftwerk Theiß. Dennoch seien ihre Endkundenpreise ausschließlich an der Merit Order im Großhandel und damit zurzeit an den Stromerzeugungskosten von Gaskraftwerken ausgerichtet. Für einen Haushalt mit rund 7.500 kWh Jahresverbrauch führe das zu jährlichen Stromkosten von etwa 1.460 Euro. Mit dem SPÖ-Modell wären es dem gegenüber nur rund 1.300 Euro, also knapp elf % weniger, rechnete Schnabl vor.

Aus Kreisen der Energiewirtschaft hieß es gegenüber der Redaktion, die von Schnabl genannten Zahlen seien „ungewöhnlich“. Ein Haushalt habe einen durchschnittlichen Verbrauch von rund 3.500 kWh pro Jahr, von rund 7.500 kWh könne keine Rede sein. Und wenn sich die Ersparnis selbst bei einem derart hohen Verbrauch nur auf rund 150 Euro belaufe, sei die von der SPÖ gewünschte Maßnahme wohl auch nicht besonders effektiv.

Überdies erneuerte Schroll die Forderung der SPÖ, die „ungerechtfertigten Übergewinne“ der Energieunternehmen „abzuschöpfen“. Mit dem Geld wollen die Sozialdemokraten die Energiekunden entlasten und den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Freilich: Vergangene Woche hatte Verbund-Generaldirektor Michael Strugl gerade den Ökostromausbau als Argument ins Treffen geführt, um den Energieunternehmen ihre Gewinne ungeschmälert zu belassen. Nur so seien die nötigen Investitionen möglich. Auf den diesbezüglichen Hinweis der Redaktion beschied Schroll, es gehe bei der Gewinnabschöpfung auch um die Entlastung der Endkunden. Schnabl ergänzte, bei Energieallianz Austria, die den Strom- und Gasvertrieb der EVN, der Wien Energie und der Burgenland Energie managt, sei im September eine weitere Strompreiserhöhung geplant: „Umso wichtiger ist die Gewinnabschöpfung.“

Umrüstung von Mellach „Verzweiflungsakt“

Heftige Schelte erteilte Schroll neuerlich Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne). Diese spreche ständig von der Notwendigkeit, Österreich von Gasimporten aus Russland unabhängig zu machen und zu diesem Zweck den Ökostromausbau zu forcieren sowie die Energieeffizienz zu steigern. Entsprechend zu handeln, versäume die Ministerin indessen: „Wir haben seit 544 Tagen kein Energieeffizienzgesetz und kein Klimaschutzgesetz mehr. Außerdem fehlen die Verordnungen, um das vor einem Jahr beschlossene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz endlich umzusetzen.“ Das Gaskraftwerk Mellach I nach zwei Jahren wieder auf den Kohlebetrieb umzurüsten wiederum sei ein „Verzweiflungsakt“. Um die Anlage über den Winter mit Kohle zu betreiben, seien rund 400.000 Tonnen dieses Brennstoffs notwendig: „Woher die kommen sollen, weiß niemand.“

Auch bei der strategischen Gasreserve versage Gewessler vollständig: Zwar seien die Speicher auf österreichischem Territorium mittlerweile zu etwa 44,7 % befüllt: „Aber viel von diesem Gas gehört nicht uns.“ Aus dem Speicher Haidach, der etwa ein Drittel des gesamten österreichischen Gasspeichervolumens umfasst, könnten nur Kunden in Deutschland beliefert werden. Ihn direkt an das österreichische Netz anzuschließen, dauere „bis Ende des heurigen, Anfang des kommenden Jahres“.

Schrolls Fazit: „Die Bundesregierung ist überfordert, Gewessler ist überfordert. So geht es nicht mehr weiter.“ Auf die Frage der Redaktion, ob er damit den Rücktritt der Ministerin fordere, stellte Schroll fest: „Ich glaube, die Grünen und die ÖVP sind fertig miteinander. Sie blockieren sich nur mehr gegenseitig.“

Mittwoch, 29.06.2022, 16:25 Uhr
Klaus Fischer

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