Quelle: Jonas Rosenberger
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) plant Maßnahmen zur Vermeidung von Stromspitzen. Die Solarbranche fürchtet dadurch Ausbaueinbrüche bei PV und weniger Speicherzubau.
Das Bundeswirtschaftsministerium plant Maßnahmen zur besseren Systemintegration von erneuerbarem Strom. Laut einem Referentenentwurf sollen die Marktprämie schon ab einer Stunde negativer Strompreise entfallen und auch kleinere PV-Anlagen ihren Strom direkt vermarkten müssen. Hintergrund sind Stromspitzen vor allem an sonnigen Tagen mittags, wenn die inzwischen zahlreichen PV-Anlagen alle gleichzeitig ins Netz einspeisen wollen. Erneuerbare Quellen trugen im ersten Halbjahr 2024 über 60
Prozent zur Stromerzeugung in Deutschland bei, davon stammten 13
Prozent aus PV.
Aus Sicht der Solarbranche seien diese Pläne „in Teilen unverhältnismäßig und nicht zielführend“, so der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar). Zudem werde der dringend notwendige Speicherausbau nicht ausreichend erleichtert. Die vorgeschlagenen Maßnahmen in der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes bergen laut BSW das Risiko, den Photovoltaik-Ausbau, insbesondere von Solarstromanlagen auf kleineren Gewerbedächern, auszubremsen. „Der Gesetzesentwurf müsse daher nachgebessert und der Speicherausbau stärker vorangetrieben werden“, forderte BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.
Flexibilität von Erzeugung und Verbrauch hilfreicherDa die Solarenergie inzwischen systemrelevant für die deutsche Stromversorgung ist, trage sie auch Verantwortung für die Systemstabilität, gestand Körnig zu. „Die Solarwirtschaft arbeitet daher mit Hochdruck am Ausbau von Stromspeichern zur Vermeidung von Stromspitzen und hat bereits seit längerem konkrete Vorschläge zur Vermeidung negativer Strompreise entwickelt“, sagte er. Die Politik solle lieber bürokratische Hürden für einen schnelleren Ausbau von Speichern und ihre systemdienliche Nutzung beseitigen, appellierte er. Damit könne Strom aus Spitzenproduktionsphasen aufgehoben werden für höhere Nachfragezeiten.
Speicherausbau und eine Flexibilisierung von Verbrauchern würden dafür sorgen, Angebot und Nachfrage bei den erneuerbaren Energien besser aufeinander abzustimmen und die Stromnetze zu entlasten, meint Körnig. Daher seien Maßnahmen zur Beschleunigung des Speicher- und Netzausbaus sowie zu ihrer intelligenteren Nutzung zu unterstützen. Nachvollziehbar sei das Regierungsvorhaben, neue Solaranlagen in den begrenzten Zeiträumen eines Stromüberangebots nicht mehr zu fördern, sondern dafür etwas länger zu Zeiten, zu denen der Solarstrom benötigt werde, lobte Körnig.
Kritik an DirektvermarktungspflichtDer BSW-Vertreter warnte aber davor, „jetzt das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten“. Kritisch seien Vorschläge, die entweder technisch oder wirtschaftlich nicht oder nicht wie vorgeschlagen umsetzbar sind. Dazu gehöre insbesondere die nach den nun vorliegenden Regierungsplänen geplante Verpflichtung zur Direktvermarktung von Solarstrom für neue Photovoltaik-Anlagen bereits ab einer Leistung von 25
kW (kWp). Absehbar sei dies in der Regel weder technisch noch wirtschaftlich umsetzbar, da die Prozesse zwischen Direktvermarktern und den mehr als 800
Netzbetreibern in aller Regel nur unzureichend digitalisiert seien und der Rollout von intelligenten Messsystemen bislang nur schleppend verlaufe.
„Die aus einem kleinteiligen Vermarktungs- und Steuerungsaufwand resultierenden hohen Direktvermarktungskosten von in der Regel über 1.000
Euro jährlich würden Unternehmen davon abhalten, ihre Firmendächer für den Klimaschutz und die Sonnenstromernte zu nutzen“, warnte Körnig. Bislang gilt eine Pflicht zur Direktvermarktung von Solarstrom erst ab einer Anlagenleistung oberhalb von 100
kW. Schon jetzt sei die Direktvermarktung, der oft relativ kleinen Solarstrommengen, eine Herausforderung für viele Betriebe und verhindere PV-Zubau auf Mittelstandsdächern.
Kleinere Anlagen nicht betroffenKleinere Wohngebäude wie Eigenheime seien von der geplanten Direktvermarktungspflicht in der Regel nicht betroffen, da ihre Solarstromanlagen meist eine Leistung unterhalb von 30
kW aufweisen. Die Absenkung könne aber auch die ungewollte Wirkung entfalten, diese Solaranlagen künftig höchstens mit 25
kW zu dimensionieren. Auch auf diese Weise gehe solares Zubaupotenzial verloren, ohne auf der anderen Seite Systemstabilität zu gewinnen, warnte der BSW. Die Direktvermarktung durch eine schnellere Digitalisierung von Prozessen zu ermöglichen, sei sinnvoll, nicht aber eine Pflicht für PV-Kleinanlagen.
Der BSW-Solar wird zu dem Gesetzesentwurf Stellung nehmen und hofft auf Nachbesserungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren. Für dieses Jahr rechnet der Bundesverband mit einem Zubau von rund 15.000
MW an neuer PV-Kapazität. Ab dem Jahr 2026 hat sich die Regierungskoalition die jährliche Neuerrichtung von 22.000
MW zum Ziel gesetzt.
Freitag, 25.10.2024, 13:46 Uhr
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