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Kommunen in NRW können aufatmen. Nach Dutzenden Niederlagen hat ein Flächennutzungsplan, der Zonen für Windenergie festlegt, nach einem OVG-Urteil Bestand. Laut Anwalt eine „Sensation“.
Umarmungen auf dem Gerichtsflur in Münster. Delegierte der Stadt Paderborn und ihr Rechtsvertreter feierten ein im Zusammenhang mit Windkraftvorhaben beinahe für unmöglich gehaltenes Urteil. Nach dem Spruch des Oberverwaltungsgerichts für Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli hat der Flächennutzungsplan (FNP) in seiner Fassung von 2021 (146. Änderung) ohne Einschränkungen bestand.
Damit kassierten drei Windkraftanlagen, die die Prinz Wittgenstein Projektentwicklung in Paderborn bauen wollte, zugleich eine Abfuhr. Denn sie sollten außerhalb der im FNP festgelegten neun Vorrangzonen liegen, etwa im „Wever’schen Wald“ und am „Knipsberg“. Diese Flächen hatte die Kommune vorsorglich nicht in ihre Zonen aufgenommen, um Rot- und Schwarzmilan, Waldschnepfe, Schwarzstorch und Uhu zu schützen.
Rund 30 Flächennutzungspläne in NRW seit 2010 einkassiert
Für Windkraft-Projektierer bedeutet dieses Urteil zwar keinen allgemeinen Rückschlag. Es zeigt indes, dass nicht jedes Vorgehen gegen einen Flächennutzungsplan von Erfolg gekrönt sein muss. Diesen Eindruck vermittelten jedenfalls die vergangenen 15 Jahre. Andre Unland, Anwalt der Stadt Paderborn, sagte zu unserer Redaktion, er wisse von rund 30 Verfahren seit 2010, in denen FNPs vor Gericht in sich zusammengefallen waren.
Damals hatte das Bundesverwaltungsgericht strenge Kriterien verlangt, mit denen Kommunen ihre Windkraftzonen festlegen. Viele waren daran gescheitert, was wiederum in der Regel ein Fest für die klagenden Windkraftunternehmen war. Entsprechend sprach Anwalt Andre Unland von einer „kleinen Sensation“, dass das OVG Münster die Klage umfassend abwies.
Der Vorsitzende Richter des Windkraft-Senats, Hans-Joachim Hüwelmeier, hob in seiner Urteilsbegründung indirekt die Qualität des Paderborner FNP hervor. Die vorgebrachten Abwägungsfehler sehe er nicht, weder bei harten (rechtlichen) noch bei weichen (zum Beispiel dem Artenschutz dienenden) Ausschlusskriterien. Den Abstand zu Wohngebäuden habe die Kommune gemäß der – damals noch gültigen – 1.000-Meter-Regel festgelegt, dies sei nicht zu beanstanden. Die Vorsorge für diverse Vögel im Rahmen einer Einzelfallprüfung von Flächen sei ebenfalls in Ordnung.
Ein großer Pluspunkt in der Gesamtbetrachtung dürfte gewesen sein, dass Paderborn mit dem FNP offenbar keine Verhinderungsplanung festschreiben wollte. Früher legten Kommunen Vorrangzonen häufig so fest, dass sie der Windkraft eher wenig Platz boten und im ungünstigsten Falle auch nicht die geeignetsten Flächen beinhalteten. War die Begründung für die Festlegung dieser und den Ausschluss anderer Gebiete auch noch brüchig, wurden diese FNP fast zwangsläufig zum gefundenen Fressen für klagende Projektierer.
Anders in Paderborn. Hier öffnet der FNP mit Vorrangzonen im Umfang von 648 Hektar kommunaler Fläche mehr als 16 Prozent des insgesamt denkbaren Gebiets für die Windkraft. Ein Umstand, auf den Rechtsanwalt Andre Unland mehrfach in der Erörterung hinwies. „Wer der Windkraft so viel Raum gibt wie die Stadt Paderborn, für den darf auch der Abwägungsspielraum größer sein, andere Flächen herauszunehmen“, argumentierte er. Das OVG folgte dieser Ansicht und schmetterte den Vorwurf, die Kommune verschaffe der Windkraft nicht substanziell Raum, ab. 16 Prozent der verfügbaren Fläche seien „als ausreichend zu betrachten“, so Hans-Joachim Hüwelmeier.
Auch kommender Regionalplan schließt Waldfläche aus
Ob der FNP der Stadt Paderborn als Blaupause für andere Kommunen dienen kann, ist pauschal nicht zu beantworten. Das liegt auch daran, dass die Windkraft-Planung in NRW sich in einem Zwischenstadium befindet. Die sechs Planungsregionen legen bis 2025 die Gebiete fest, die für das Erreichen des Flächenziels gemäß Bundesvorgaben (Wind-an-Land-Gesetz) erforderlich sind. Bis dahin sind Zusatz-Flächen (Positivplanung) für Windenergie auch außerhalb von Vorrangzonen theoretisch möglich. Viele Kommunen warten aber die übergeordnete Planung zunächst ab.
Für den in Münster verhandelten Fall hat die Regionalplanung aus anderem Grund Bedeutung. Laut aktuellen Plänen des zuständigen Regionalrats der Bezirksregierung Detmold sind die Flächen des Wever’schen Waldes beispielsweise nicht in den künftigen Gebietskulissen vorgesehen. Somit hätte die Prinz Wittgenstein Projektentwicklung nur noch eine Chance auf die aktuell verhinderten drei Turbinen, wenn sie (erstens) gegen die Nichtzulassung der Revision erfolgreich beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig intervenierte. Und (zweitens) müsste das dann erneut mit der Sache befasste OVG Münster ein entsprechendes Urteil pro Windkraftanlagen fällen.
Das aber würde unweigerlich zu einem Wettlauf mit der Zeit, denn beide juristischen Wege müssten zwingend vor Inkrafttreten des neuen Regionalplans beschritten sein. Sonst verwehrt die neue, rechtskräftige Planung im Herbst 2025 endgültig die dann umsonst durchgefochtenen Anlagen.
Mittwoch, 3.07.2024, 09:53 Uhr
Volker Stephan
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