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Energie & Management > Kernenergie - Schwerer Schlag für Frankreichs Atomkraft
Quelle: Shutterstock / Olga Khalizeva
Kernenergie

Schwerer Schlag für Frankreichs Atomkraft

Die Korrosionsprobleme, die im März noch als Verdachtsfälle eingestuft worden waren, scheinen sich zu bestätigen: Etliche französischen Atomreaktoren stehen außerplanmäßig still.
Es ist ein schwerer Schlag für die Energieversorgung in Frankreich: Bei mehreren der 56 Reaktoren im Land sind offenbar umfangreiche Sanierungsarbeiten erforderlich. Sie sind derzeit nicht in Betrieb. In Anbetracht der hohen Strom- und Gaspreise sowie der angespannten Energiemärkte durch die unsichere Zukunft der Importe aus Russland ein Debakel. Schon wird spekuliert, dass alle Meiler einer Generalrevision unterzogen werden müssten.

Jüngste Meldungen betreffen den Block 3 von Cattenom (1.300 MW netto), bei dem erst kürzlich eine Revision durchgeführt worden war. Ende März wurde er zur Prüfung erneut abgeschaltet. Nun hat das Betreiberunternehmen EDF in einer Mitteilung „mögliche Anzeichen von Spannungsrisskorrosion“ an den Hilfskreisläufen von vier Reaktoren bestätigt. Betroffen sind auch die baugleichen Anlagen Chinon B3 (905 MW), Flamanville 2 (1.330 MW) und Golfech 1 (1.310 MW).

Atomenergiebehörde stufte Probleme als "schwerwiegend" ein

Die Untersuchungen werden nach Angaben des Energiekonzerns fortgesetzt, um die Schäden genau zu beurteilen und die Ursachen dafür herauszufinden. Auch sei nicht ausgeschlossen, dass weitere Defekte auftreten könnten. Die ursprünglich für fünf Wochen geplante Abschaltung in Cattenom soll bis voraussichtlich Mitte August verlängert werden. Bei anderen Kraftwerken geht man von einem noch späteren Wiederanfahren aus.

Im Oktober waren ähnliche Korrosionsprobleme in drei weiteren EDF-Kraftwerken entdeckt worden: Betroffen sind auch Civaux, Chooz und Penly. Insgesamt sollen wegen der Mängel derzeit neun Kraftwerksblöcke abgeschaltet sein. Wie das Luxemburger Wort meldet, hatte die französische Atombehörde (ASN) die vermutete Korrosion schon im vergangenen Jahr als „schwerwiegend“ eingestuft.
 
Brennelementewechsel im Kernkraftwerk Cattenom
Quelle: EDF

Im Großherzogtum zeigt man sich von der Entwicklung besorgt, zumal Cattenom nur zehn Kilometer von der Grenze entfernt ist. Der Umwelt- und der Energieminister von Luxemburg fordern weitere Informationen, vor allem darüber, wie es weitergeht und ob es sich um Material- oder Konstruktionsfehler handelt.

Auch innenpolitisch ist das Thema brisant. Präsident Emmanuel Macron, der am Sonntag, 24. April, in der Stichwahl wiedergewählt werden will, setzt voll und ganz auf die Kernkraft: Er plant nicht nur, die Laufzeiten älterer Meiler zu verlängern, er möchte auch sechs neue bauen, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Das erste könnte im Jahr 2035 in Betrieb gehen. Die Errichtung weiterer acht Blöcke will Macron prüfen lassen. Außerdem soll die Erforschung kleiner Anlagen, sogenannter "Small Modular Reactors", mit 1 Milliarde Euro gefördert werden.

​Folgen für den Handelspreis

Die Abschaltungen wirken sich seit Monaten auf den französischen Stromgroßhandel aus: Am 22. April endete etwa die dortige Day-ahead-Auktion an der Börse Epex Spot bei 172,36 Euro/MWh. Das war die mit Abstand höchste Notierung auf den Day-ahead-Märkten der Epex: Nummer zwei waren drei südnorwegische Preiszonen mit 157,71 Euro/MWh. In Deutschland trafen sich Angebot und Nachfrage bei 93,31 Euro/MWh. Im Unterschied zu Deutschland hängen in Frankreich auch 30 Prozent der Heizungen am Stromnetz, und zwar nicht als Nachtspeicher-, sondern als Direktheizungen, und bewirken so eine extrem unelastische und kältesensible Stromnachfrage.

Der reduzierte Kraftwerkspark ist nicht die einzige Schwierigkeit, in der EDF steckt: Das Unternehmen, das sich größtenteils in Staatsbesitz befindet, ist hochverschuldet. Und die Atomstromproduktion in diesem Jahr wird wohl die niedrigste seit Jahrzehnten sein.

Freitag, 22.04.2022, 14:29 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > Kernenergie - Schwerer Schlag für Frankreichs Atomkraft
Quelle: Shutterstock / Olga Khalizeva
Kernenergie
Schwerer Schlag für Frankreichs Atomkraft
Die Korrosionsprobleme, die im März noch als Verdachtsfälle eingestuft worden waren, scheinen sich zu bestätigen: Etliche französischen Atomreaktoren stehen außerplanmäßig still.
Es ist ein schwerer Schlag für die Energieversorgung in Frankreich: Bei mehreren der 56 Reaktoren im Land sind offenbar umfangreiche Sanierungsarbeiten erforderlich. Sie sind derzeit nicht in Betrieb. In Anbetracht der hohen Strom- und Gaspreise sowie der angespannten Energiemärkte durch die unsichere Zukunft der Importe aus Russland ein Debakel. Schon wird spekuliert, dass alle Meiler einer Generalrevision unterzogen werden müssten.

Jüngste Meldungen betreffen den Block 3 von Cattenom (1.300 MW netto), bei dem erst kürzlich eine Revision durchgeführt worden war. Ende März wurde er zur Prüfung erneut abgeschaltet. Nun hat das Betreiberunternehmen EDF in einer Mitteilung „mögliche Anzeichen von Spannungsrisskorrosion“ an den Hilfskreisläufen von vier Reaktoren bestätigt. Betroffen sind auch die baugleichen Anlagen Chinon B3 (905 MW), Flamanville 2 (1.330 MW) und Golfech 1 (1.310 MW).

Atomenergiebehörde stufte Probleme als "schwerwiegend" ein

Die Untersuchungen werden nach Angaben des Energiekonzerns fortgesetzt, um die Schäden genau zu beurteilen und die Ursachen dafür herauszufinden. Auch sei nicht ausgeschlossen, dass weitere Defekte auftreten könnten. Die ursprünglich für fünf Wochen geplante Abschaltung in Cattenom soll bis voraussichtlich Mitte August verlängert werden. Bei anderen Kraftwerken geht man von einem noch späteren Wiederanfahren aus.

Im Oktober waren ähnliche Korrosionsprobleme in drei weiteren EDF-Kraftwerken entdeckt worden: Betroffen sind auch Civaux, Chooz und Penly. Insgesamt sollen wegen der Mängel derzeit neun Kraftwerksblöcke abgeschaltet sein. Wie das Luxemburger Wort meldet, hatte die französische Atombehörde (ASN) die vermutete Korrosion schon im vergangenen Jahr als „schwerwiegend“ eingestuft.
 
Brennelementewechsel im Kernkraftwerk Cattenom
Quelle: EDF

Im Großherzogtum zeigt man sich von der Entwicklung besorgt, zumal Cattenom nur zehn Kilometer von der Grenze entfernt ist. Der Umwelt- und der Energieminister von Luxemburg fordern weitere Informationen, vor allem darüber, wie es weitergeht und ob es sich um Material- oder Konstruktionsfehler handelt.

Auch innenpolitisch ist das Thema brisant. Präsident Emmanuel Macron, der am Sonntag, 24. April, in der Stichwahl wiedergewählt werden will, setzt voll und ganz auf die Kernkraft: Er plant nicht nur, die Laufzeiten älterer Meiler zu verlängern, er möchte auch sechs neue bauen, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Das erste könnte im Jahr 2035 in Betrieb gehen. Die Errichtung weiterer acht Blöcke will Macron prüfen lassen. Außerdem soll die Erforschung kleiner Anlagen, sogenannter "Small Modular Reactors", mit 1 Milliarde Euro gefördert werden.

​Folgen für den Handelspreis

Die Abschaltungen wirken sich seit Monaten auf den französischen Stromgroßhandel aus: Am 22. April endete etwa die dortige Day-ahead-Auktion an der Börse Epex Spot bei 172,36 Euro/MWh. Das war die mit Abstand höchste Notierung auf den Day-ahead-Märkten der Epex: Nummer zwei waren drei südnorwegische Preiszonen mit 157,71 Euro/MWh. In Deutschland trafen sich Angebot und Nachfrage bei 93,31 Euro/MWh. Im Unterschied zu Deutschland hängen in Frankreich auch 30 Prozent der Heizungen am Stromnetz, und zwar nicht als Nachtspeicher-, sondern als Direktheizungen, und bewirken so eine extrem unelastische und kältesensible Stromnachfrage.

Der reduzierte Kraftwerkspark ist nicht die einzige Schwierigkeit, in der EDF steckt: Das Unternehmen, das sich größtenteils in Staatsbesitz befindet, ist hochverschuldet. Und die Atomstromproduktion in diesem Jahr wird wohl die niedrigste seit Jahrzehnten sein.

Freitag, 22.04.2022, 14:29 Uhr
Günter Drewnitzky

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