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Energie & Management > Kernkraft - Scholz lässt alle drei Atomkraftwerke bis April 2023 am Netz
Quelle: Fotolia / Thorsten Schier
Kernkraft

Scholz lässt alle drei Atomkraftwerke bis April 2023 am Netz

Per Brief an die drei betroffenen Minister beendet der Kanzler die Kernkraftdebatte. Alle drei verbliebenen Kernkraftwerke sollen bis Mitte April 2023 laufen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat ein Machtwort gesprochen. Per Brief an Bundesumwelt-, -wirtschafts- und -finanzminister schrieb er am Abend des 17.10.: „Es wird die gesetzliche Grundlage geschaffen, um den Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31.12.2022 bis längstens bis zum 15. April 2023 zu ermöglichen.“ Damit widerspricht er dem Stresstest der Bundesnetzagentur, der Emsland nicht für die Versorgungssicherheit für erforderlich hielt. Zugleich erteilte er den Vorstößen der FDP und Union eine Absage, die neue Brennelemente bestellen wollten, um die Kernkraftwerke bis 2024 laufen zu lassen.

Im gleichen Schreiben verlangt Scholz ein ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz und kündigt die gesetzgeberische Festlegung des Kohleausstiegs im Rheinischen Revier bis 2030 an. Dafür sollen bis 2024 vorübergehend mehr Kohlekraftwerke als geplant laufen. Die sei nötig für die Versorgungssicherheit in der Gasmangellage durch die ausbleibenden Erdgaslieferungen aus Russland. Abschließend verspricht Scholz, die Bundesregierung werde die „Voraussetzung für den Zubau neuer, wasserstofffähiger Gaskraftwerke schaffen“.

Der Kraftwerksbetreiber Preussen Elektra, der den Meiler Isar 2 in der Nähe von Landshut betreibt, begrüßte die Entscheidung am Folgetag: "Wir erwarten jetzt eine zügige gesetzliche Umsetzung und werden unsere Vorbereitungen auf einen Weiterbetrieb fortsetzen", so Guido Knott, Vorsitzender der Geschäftsführung. "Für Isar 2 bedeutet dies, dass wir die Anlage Ende dieser Woche herunterfahren, um die notwendige Wartung an den Druckhalterventilen durchzuführen."

Auch der RWE-Konzern, Betreiber des AKW Emsland, kündigte an "unverzüglich alle notwendigen Vorbereitungen" zu treffen, um den Leistungsbetrieb des Kraftwerks bis zu diesem Datum zu ermöglichen". Die Entscheidung des Kanzlers sei eine politische Entscheidung, die man in der aktuellen Energiekrise nachvollziehen könne.
 

Reaktionen der Ampelparteien positiv

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat das Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz im Deutschlandfunk verteidigt. Der Kanzler habe zunächst versucht, einen Kompromiss mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu finden, betonte Mützenich. Trotz der Differenzen herrsche im Parlament zwischen den Fraktionen der Ampelkoalition Vertrauen, versicherte Mützenich.

Wirtschaftsminister Robert Habeck appellierte an das Verantwortungsbewusstsein seiner Partei. Die Grünen-Fraktion werde Scholz im Bundestag nicht die Unterstützung seiner Entscheidung versagen. Habeck begründete in der ARD: „Weil das Land, Europa, sich ja in einer schweren Krise befindet und in dieser Situation dann die Regierung aufs Spiel zu setzen, scheint mir überhaupt nicht verhältnismäßig zu sein“. „Wir mussten da irgendwie rauskommen“, fügte er mit Blick auf den Streit mit dem Ampelpartner FDP hinzu.

Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, verbuchte die Entscheidung als Unterstützung für seine Partei. „Das Verhandlungsergebnis zeigt, dass sich gut begründete Positionen durchsetzen“, sagte er. Er erwarte als Folge auch sinkende Preise, weil das Signal gesendet werde, dass mehr Strom zur Verfügung stehen werde.

Grünen-Parteichef Omid Nouripour sagte im rbb24 Inforadio am 18. Oktober, seine Partei hielte zwar nichts davon, „neben den beiden süddeutschen AKW auch das AKW Emsland weiter laufen zu lassen“, akzeptiere aber die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagte im Frühmagazin von RTL/ntv: „Die FDP wollte unbedingt neue Brennelemente. Das kommt nicht.“ Damit gebe es auch keine zusätzlichen radioaktiven Abfälle, so Hofreiter.

Opposition nennt Regierung „Hühnerhaufen“

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung sagte am 18. Oktober im ZDF-Morgenmagazin, der Betrieb der Kernkraftwerke bis Frühjahr 2023 reiche nicht aus für die Versorgungssicherheit. Deutschland brauche eine handlungsfähige Regierung. Stattdessen biete die Koalition das „Bild eines Hühnerhaufens“, so der energiepolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner, nannte Scholz' Machtwort ein „Zeichen von Schwäche“.

CSU und Freien Wählern in Bayern geht der Betrieb bis 2023 nicht weit genug. „Was für eine Enttäuschung“, schrieb Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Abend des 17. Oktober auf Twitter. Das Stromproblem sei nur vertagt. „Die Gefahr eines Blackouts im kommenden Jahr bleibt bestehen“, fürchtet Söder. „Wir müssen dringend zeitnah dafür sorgen, dass auch der Winter 2023/24 noch mit Atomstrom abgesichert wird“, forderte der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler).

Umweltorganisationen fürchten um Sicherheit

Empört reagierte die Umweltschutzorganisation Greenpeace. „Die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke setzt uns alle einem nicht zu verantwortenden Risiko aus“, erklärte der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser. „In Zeiten hybrider Kriegsführung ist der Betrieb von Atomkraftwerken nicht zu verantworten“, sagte er mit Verweis auf Anschläge auf die Gaspipeline Nord Stream und die Deutsche Bahn.
 

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte, dass eine vorherige Sicherheitsüberprüfung oder ein Nachholen der längst überfälligen periodischen Prüfung in den Kernkraftwerken nicht geplant sei. „Damit verstößt die Bundesregierung gegen den Grundrechteschutz, für den auch das Bundesverfassungsgericht bei der Atomkraft immer schon eine hohe Messlatte angelegt hat“, sagte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.

Dienstag, 18.10.2022, 10:46 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Kernkraft - Scholz lässt alle drei Atomkraftwerke bis April 2023 am Netz
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Scholz lässt alle drei Atomkraftwerke bis April 2023 am Netz
Per Brief an die drei betroffenen Minister beendet der Kanzler die Kernkraftdebatte. Alle drei verbliebenen Kernkraftwerke sollen bis Mitte April 2023 laufen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat ein Machtwort gesprochen. Per Brief an Bundesumwelt-, -wirtschafts- und -finanzminister schrieb er am Abend des 17.10.: „Es wird die gesetzliche Grundlage geschaffen, um den Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31.12.2022 bis längstens bis zum 15. April 2023 zu ermöglichen.“ Damit widerspricht er dem Stresstest der Bundesnetzagentur, der Emsland nicht für die Versorgungssicherheit für erforderlich hielt. Zugleich erteilte er den Vorstößen der FDP und Union eine Absage, die neue Brennelemente bestellen wollten, um die Kernkraftwerke bis 2024 laufen zu lassen.

Im gleichen Schreiben verlangt Scholz ein ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz und kündigt die gesetzgeberische Festlegung des Kohleausstiegs im Rheinischen Revier bis 2030 an. Dafür sollen bis 2024 vorübergehend mehr Kohlekraftwerke als geplant laufen. Die sei nötig für die Versorgungssicherheit in der Gasmangellage durch die ausbleibenden Erdgaslieferungen aus Russland. Abschließend verspricht Scholz, die Bundesregierung werde die „Voraussetzung für den Zubau neuer, wasserstofffähiger Gaskraftwerke schaffen“.

Der Kraftwerksbetreiber Preussen Elektra, der den Meiler Isar 2 in der Nähe von Landshut betreibt, begrüßte die Entscheidung am Folgetag: "Wir erwarten jetzt eine zügige gesetzliche Umsetzung und werden unsere Vorbereitungen auf einen Weiterbetrieb fortsetzen", so Guido Knott, Vorsitzender der Geschäftsführung. "Für Isar 2 bedeutet dies, dass wir die Anlage Ende dieser Woche herunterfahren, um die notwendige Wartung an den Druckhalterventilen durchzuführen."

Auch der RWE-Konzern, Betreiber des AKW Emsland, kündigte an "unverzüglich alle notwendigen Vorbereitungen" zu treffen, um den Leistungsbetrieb des Kraftwerks bis zu diesem Datum zu ermöglichen". Die Entscheidung des Kanzlers sei eine politische Entscheidung, die man in der aktuellen Energiekrise nachvollziehen könne.
 

Reaktionen der Ampelparteien positiv

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat das Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz im Deutschlandfunk verteidigt. Der Kanzler habe zunächst versucht, einen Kompromiss mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu finden, betonte Mützenich. Trotz der Differenzen herrsche im Parlament zwischen den Fraktionen der Ampelkoalition Vertrauen, versicherte Mützenich.

Wirtschaftsminister Robert Habeck appellierte an das Verantwortungsbewusstsein seiner Partei. Die Grünen-Fraktion werde Scholz im Bundestag nicht die Unterstützung seiner Entscheidung versagen. Habeck begründete in der ARD: „Weil das Land, Europa, sich ja in einer schweren Krise befindet und in dieser Situation dann die Regierung aufs Spiel zu setzen, scheint mir überhaupt nicht verhältnismäßig zu sein“. „Wir mussten da irgendwie rauskommen“, fügte er mit Blick auf den Streit mit dem Ampelpartner FDP hinzu.

Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, verbuchte die Entscheidung als Unterstützung für seine Partei. „Das Verhandlungsergebnis zeigt, dass sich gut begründete Positionen durchsetzen“, sagte er. Er erwarte als Folge auch sinkende Preise, weil das Signal gesendet werde, dass mehr Strom zur Verfügung stehen werde.

Grünen-Parteichef Omid Nouripour sagte im rbb24 Inforadio am 18. Oktober, seine Partei hielte zwar nichts davon, „neben den beiden süddeutschen AKW auch das AKW Emsland weiter laufen zu lassen“, akzeptiere aber die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagte im Frühmagazin von RTL/ntv: „Die FDP wollte unbedingt neue Brennelemente. Das kommt nicht.“ Damit gebe es auch keine zusätzlichen radioaktiven Abfälle, so Hofreiter.

Opposition nennt Regierung „Hühnerhaufen“

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung sagte am 18. Oktober im ZDF-Morgenmagazin, der Betrieb der Kernkraftwerke bis Frühjahr 2023 reiche nicht aus für die Versorgungssicherheit. Deutschland brauche eine handlungsfähige Regierung. Stattdessen biete die Koalition das „Bild eines Hühnerhaufens“, so der energiepolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner, nannte Scholz' Machtwort ein „Zeichen von Schwäche“.

CSU und Freien Wählern in Bayern geht der Betrieb bis 2023 nicht weit genug. „Was für eine Enttäuschung“, schrieb Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Abend des 17. Oktober auf Twitter. Das Stromproblem sei nur vertagt. „Die Gefahr eines Blackouts im kommenden Jahr bleibt bestehen“, fürchtet Söder. „Wir müssen dringend zeitnah dafür sorgen, dass auch der Winter 2023/24 noch mit Atomstrom abgesichert wird“, forderte der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler).

Umweltorganisationen fürchten um Sicherheit

Empört reagierte die Umweltschutzorganisation Greenpeace. „Die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke setzt uns alle einem nicht zu verantwortenden Risiko aus“, erklärte der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser. „In Zeiten hybrider Kriegsführung ist der Betrieb von Atomkraftwerken nicht zu verantworten“, sagte er mit Verweis auf Anschläge auf die Gaspipeline Nord Stream und die Deutsche Bahn.
 

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte, dass eine vorherige Sicherheitsüberprüfung oder ein Nachholen der längst überfälligen periodischen Prüfung in den Kernkraftwerken nicht geplant sei. „Damit verstößt die Bundesregierung gegen den Grundrechteschutz, für den auch das Bundesverfassungsgericht bei der Atomkraft immer schon eine hohe Messlatte angelegt hat“, sagte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.

Dienstag, 18.10.2022, 10:46 Uhr
Susanne Harmsen

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