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Der Ministerrat der EU hat das fünfte Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet. Zum ersten Mal sind auch Energieimporte betroffen.
Die Vertreter der 27 Mitgliedsstaaten verständigten sich am Abend des 7. April in Brüssel auf die von der EU-Kommission zuvor vorgeschlagenen Maßnahmen. Danach unterliegen inzwischen etwa 25 % der EU-Exporte nach Russland weitgehenden Beschränkungen, bei den Importen sind es nach Angaben der Kommission 15 bis19 %. Weitere Maßnahmen zur Einschränkung des Warenverkehrs würden vorbereitet, heißt es in Brüssel.
Mit einem vollständigen Einfuhrverbot für russische Kohle sind erstmals auch Energieimporte aus Russland von den Zwangsmaßnahmen der EU gegen die Russische Föderation betroffen. Es tritt sofort nach Verkündung der Maßnahmen in Kraft. Bestehende Verträge über den Einkauf von russischer Kohle dürfen noch 120 Tage lang abgewickelt werden. Für neue Verträge tritt der Einfuhrstopp sofort in Kraft. Nach Angaben der Kommission kauft die EU ein Viertel der russischen Kohleexporte und bezahlt dafür rund 8 Mrd. Euro pro Jahr.
Ölembargo schon in Vorbereitung
Das Europäische Parlament hatte sich zuvor mit großer Mehrheit für ein vollständiges Einfuhrverbot für russische Energierohstoffe ausgesprochen. Die Abgeordneten verlangen, dass die EU auch den Import von Öl und Gas sofort einstellt. Zuständig dafür sind aber alleine die Mitgliedsstaaten. Die Kommission teilte dazu mit, dass ein Ölembargo vorbereitet werde. Es könnte Teil der nächsten Sanktionsrunden werden. Ein Importverbot für Gas sei dagegen nicht nur für die deutsche Wirtschaft ein großes Problem, sagte der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell. Für russisches Gas bezahlt die EU schätzungsweise 400 Mio. Euro am Tag, für Öl sind es 450 Mio. Euro.
Neben dem Importverbot für Kohle enthält das jüngste Sanktionspaket weitere Maßnahmen. So werden mehr russische Banken vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen. Ihre Vermögenswerte und die weiterer russischer Persönlichkeiten werden eingefroren. Wodka und andere Produkte im Wert von 5,5 Mrd. Euro dürfen nicht mehr in die EU eingeführt werden.
Die Exportverbote nach Russland werden um weitere 10 Mrd. Euro ausgeweitet. Dabei handelt es sich vor allem um Technologieprodukte für die russische Industrie, unter anderem für die Energiewirtschaft und die Mineralölverarbeitung. Erstmals wird auch die Verkehrswirtschaft von den Sanktionen gegen Russland erfasst: Schiffe unter russischer Flagge dürfen die Häfen der EU nicht mehr anlaufen und Lkw russischer Spediteure dürfen keine Transporte mehr in der EU durchführen.
"Kurzfristig unangenehm, aber verkraftbar"
Für die deutsche Wirtschaft sei das europäische Steinkohleembargo „kurzfristig unangenehm, aber verkraftbar“, sagte die Energieexpertin des Ifo-Institutes, Karen Pittel. Beim Strom könnte Steinkohle bei Bedarf durch Braunkohle ersetzt werden. Dadurch werde Steinkohle für die Industrie verfügbar, wo sie schwerer ersetzt werden kann. Mit höheren Kohle-Preisen rechnet das Ifo nur vorübergehend.
Im letzten Jahr importierte Deutschland 57 % seiner Steinkohle aus Russland. Man erwarte aber, dass diese Importe „im Laufe der kommenden Monate durch Einfuhren aus anderen Ländern ausgeglichen werden können“, sagte Pittel weiter. Zu einer längerfristigen Verknappung auf dem globalen Kohlemarkt werde es durch das Embargo nicht kommen. Russland werde versuchen, die frei werdenden Mengen an solche Länder zu verkaufen, die die Sanktionen der EU nicht unterstützen.
Nach einer Untersuchung des Leibniz-Institutes hätte auch ein vollständiges Embargo gegen russische Energie-Lieferungen in die EU nur eine begrenzte Wirkung. Ausgehend von der Bedeutung der Einnahmen für den russischen Haushalt würde ein Energieembargo „die Stabilität der russischen Wirtschaft wahrscheinlich nicht sehr beeinträchtigen“. Die Einnahmen, die Russland im Geschäft mit Energie und anderen, natürlichen Ressourcen verloren gingen, seien auch nicht endgültig verloren. Im Gegensatz dazu könnten Verluste, die in der EU dadurch entstünden, dass Fabriken zeitweise stillstehen, später nicht kompensiert werden.
Freitag, 8.04.2022, 13:27 Uhr
Tom Weingärtner
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