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Energie & Management > Studien - Risiken für die Stromversorgung nehmen zu
Quelle: Fotolia / alphaspirit
Studien

Risiken für die Stromversorgung nehmen zu

Größere Stromausfälle seien unwahrscheinlich. Aber Deutschland müsse zukunftsgerichtete Maßnahmen ergreifen, damit es so bleibt, schreiben drei Wissenschaftsakademien.
In einem gemeinsamen Impulspapier halten die Wissenschaftsakademien Acatech und Leopoldina sowie die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften zwar das Blackout-Risiko aufgrund der derzeitigen Energiekrise für unwahrscheinlich. Es gelte jedoch die Entwicklung bestimmter Risikofaktoren genau im Auge zu behalten. „Denn die Ursachen für einige der Risiken wiegen sogar von Jahr zu Jahr schwerer und neue mögliche Ursachen kommen hinzu“, heißt es im Fazit des 25-seitigen Papiers.

Die Autoren bemängeln, der aktuelle Regulierungsrahmen des Energierechts gehe auf die zunehmenden Risiken der Dezentralisierung und Digitalisierung des Energiesystems noch nicht in ausreichendem Maße ein. Vor diesem Hintergrund rücken die Wissenschaftler eine Reihe von Ursachen in den Fokus.

Die aktive Steuerung von Erzeugungs- und Speicheranlagen, die Spannung und Frequenz im Stromnetz beeinflusst, könne zum einen zur Stabilisierung des Netzes beitragen, zum anderen aber auch bei böswilliger Absicht zur Destabilisierung führen. Fehlfunktionen von IT-Systemen könnten zu massiven Bedrohungen führen.
Künftig könnten weit komplexere Cyberangriffe vorkommen als die Attacke auf die Netzleitsysteme in der Ukraine im Jahr 2015. Künftig könnten verstärkt Hersteller von Wechselrichter und Betreiber von IT-Plattformen ins Visier von Kriminellen geraten. Auf diese Weise könnten Angriffe auf die Stromversorgung koordiniert werden, die sich von den bisher bekannten Aktionen deutlich unterscheiden. Der weltweite Markt für Daten und Informationen, etwa im Darknet, erhöhe das Risiko noch.

Darüber hinaus mache es die wachsende Komplexität des Energiesystems schwieriger, das Netzgeschehen zu analysieren. „Werden in Zukunft Anlagen und Geräte mehr und mehr digital angebunden und durch Algorithmen gesteuert, häufig unter Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI), könnten Verhaltensmuster gebildet werden, die nicht vorhersehbar sind, etwa ein synchronisiertes An- oder Abschalten von Geräten (sogenanntes ‚emergentes Verhalten‘)“, schreiben die Wissenschaftler.

Und schließlich erschwere eine Reihe von Ungewissheiten die optimale Planung und Umsetzung eines zukunftssicheren elektrischen Energieversorgungssystems. Problematisch sei vor diesem Hintergrund die Schaffung von Pfadabhängigkeiten bei der Weiterentwicklung des Energiesystems, wenn etwa einmal getroffene Entscheidungen bestimmte Hürden aufbauen, die eine spätere Anpassung an neue Gegebenheiten erschweren oder gar verhindern.

Die bisherigen Ansätze, wie die redundante Auslegung von Betriebsmitteln, deren Überdimensionierung im Normalbetrieb, die Erdverkabelung von Verteilnetzen oder die Vorhaltung von Reservekapazitäten, sind nach Ansicht der Wissenschaftler wichtige Bausteine für ein resilientes Stromsystem. Es bedürfe nun aber ergänzender Maßnahmen. Dazu haben sie vier Handlungsfelder ausgemacht. Diese sind überschrieben mit „Dezentralität nutzen“, „Sichere und sichernde Digitalisierung gestalten“, „Die Öffentlichkeit einbinden“ und „Resilienzstrategie mit Monitoring institutionalisieren“.

Information und Aufklärung der Öffentlichkeit wichtig

Dezentrale Anlagen könnten im Fall eines größeren Stromausfalls beispielsweise im Inselbetrieb die regionale Versorgung in einem Netzgebiet sichern. In diesem Rahmen sei man unabhängig vom europäischen Verbundnetz und könne Teile der kritischen Infrastruktur im Notfall als Verbraucher priorisieren. Der systemdienliche Einsatz von Anlagen solle durch automatische Software-Updates flexibilisiert werden. So könnten Lernerfahrungen eingespeist werden. Sofern die Steuerung in der Hardware oder elektrotechnischen Komponenten angelegt sei, könne dies zeitaufwändige und teure Nachrüstungen erfordern. Darüber hinaus heben die Autoren die Bedeutung der künstlichen Intelligenz für das Lastmanagement hervor.

Für die Maßnahmen zur Cyberresilience lässt sich nach Einschätzung der Wissenschaftler die Smart-Meter-Infrastruktur als technisch Basis nutzen. Außerdem, so mahnen sie, müssten die gesetzlichen Grundlagen der IT-Sicherheit auch Akteure einbeziehen, die maßgeblichen Einfluss auf die Sicherheit der Energielandschaft hätten, etwa Hersteller von Wechselrichtern oder Elektrofahrzeugen. Längst seien aber noch nicht alle Abhängigkeiten zwischen der Stromversorgung und außerhalb dieses Systems bekannt. Hier müssten noch Wissens- und Sicherheitslücken geschlossen werden. Die Gesetz- und Verordnungsgebung müsse entsprechend angepasst werden.

Angesichts der Sorgen der Bevölkerung in der aktuellen Energiekrise raten die Akademien zu einer umfassenden Information und Kommunikation, die einerseits begriffliche Unschärfen beseitigt und andererseits auch über die tatsächliche Risikolage aufklärt: dass etwa geplante rollierende Abschaltungen sich grundlegend von einem großen Blackout unterscheiden.

Das Impulspapier steht auf der Internetseite des Akademie-Projekts „Energiesysteme der Zukunft“ zum Download zur Verfügung.
 

Freitag, 13.01.2023, 15:43 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Studien - Risiken für die Stromversorgung nehmen zu
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Studien
Risiken für die Stromversorgung nehmen zu
Größere Stromausfälle seien unwahrscheinlich. Aber Deutschland müsse zukunftsgerichtete Maßnahmen ergreifen, damit es so bleibt, schreiben drei Wissenschaftsakademien.
In einem gemeinsamen Impulspapier halten die Wissenschaftsakademien Acatech und Leopoldina sowie die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften zwar das Blackout-Risiko aufgrund der derzeitigen Energiekrise für unwahrscheinlich. Es gelte jedoch die Entwicklung bestimmter Risikofaktoren genau im Auge zu behalten. „Denn die Ursachen für einige der Risiken wiegen sogar von Jahr zu Jahr schwerer und neue mögliche Ursachen kommen hinzu“, heißt es im Fazit des 25-seitigen Papiers.

Die Autoren bemängeln, der aktuelle Regulierungsrahmen des Energierechts gehe auf die zunehmenden Risiken der Dezentralisierung und Digitalisierung des Energiesystems noch nicht in ausreichendem Maße ein. Vor diesem Hintergrund rücken die Wissenschaftler eine Reihe von Ursachen in den Fokus.

Die aktive Steuerung von Erzeugungs- und Speicheranlagen, die Spannung und Frequenz im Stromnetz beeinflusst, könne zum einen zur Stabilisierung des Netzes beitragen, zum anderen aber auch bei böswilliger Absicht zur Destabilisierung führen. Fehlfunktionen von IT-Systemen könnten zu massiven Bedrohungen führen.
Künftig könnten weit komplexere Cyberangriffe vorkommen als die Attacke auf die Netzleitsysteme in der Ukraine im Jahr 2015. Künftig könnten verstärkt Hersteller von Wechselrichter und Betreiber von IT-Plattformen ins Visier von Kriminellen geraten. Auf diese Weise könnten Angriffe auf die Stromversorgung koordiniert werden, die sich von den bisher bekannten Aktionen deutlich unterscheiden. Der weltweite Markt für Daten und Informationen, etwa im Darknet, erhöhe das Risiko noch.

Darüber hinaus mache es die wachsende Komplexität des Energiesystems schwieriger, das Netzgeschehen zu analysieren. „Werden in Zukunft Anlagen und Geräte mehr und mehr digital angebunden und durch Algorithmen gesteuert, häufig unter Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI), könnten Verhaltensmuster gebildet werden, die nicht vorhersehbar sind, etwa ein synchronisiertes An- oder Abschalten von Geräten (sogenanntes ‚emergentes Verhalten‘)“, schreiben die Wissenschaftler.

Und schließlich erschwere eine Reihe von Ungewissheiten die optimale Planung und Umsetzung eines zukunftssicheren elektrischen Energieversorgungssystems. Problematisch sei vor diesem Hintergrund die Schaffung von Pfadabhängigkeiten bei der Weiterentwicklung des Energiesystems, wenn etwa einmal getroffene Entscheidungen bestimmte Hürden aufbauen, die eine spätere Anpassung an neue Gegebenheiten erschweren oder gar verhindern.

Die bisherigen Ansätze, wie die redundante Auslegung von Betriebsmitteln, deren Überdimensionierung im Normalbetrieb, die Erdverkabelung von Verteilnetzen oder die Vorhaltung von Reservekapazitäten, sind nach Ansicht der Wissenschaftler wichtige Bausteine für ein resilientes Stromsystem. Es bedürfe nun aber ergänzender Maßnahmen. Dazu haben sie vier Handlungsfelder ausgemacht. Diese sind überschrieben mit „Dezentralität nutzen“, „Sichere und sichernde Digitalisierung gestalten“, „Die Öffentlichkeit einbinden“ und „Resilienzstrategie mit Monitoring institutionalisieren“.

Information und Aufklärung der Öffentlichkeit wichtig

Dezentrale Anlagen könnten im Fall eines größeren Stromausfalls beispielsweise im Inselbetrieb die regionale Versorgung in einem Netzgebiet sichern. In diesem Rahmen sei man unabhängig vom europäischen Verbundnetz und könne Teile der kritischen Infrastruktur im Notfall als Verbraucher priorisieren. Der systemdienliche Einsatz von Anlagen solle durch automatische Software-Updates flexibilisiert werden. So könnten Lernerfahrungen eingespeist werden. Sofern die Steuerung in der Hardware oder elektrotechnischen Komponenten angelegt sei, könne dies zeitaufwändige und teure Nachrüstungen erfordern. Darüber hinaus heben die Autoren die Bedeutung der künstlichen Intelligenz für das Lastmanagement hervor.

Für die Maßnahmen zur Cyberresilience lässt sich nach Einschätzung der Wissenschaftler die Smart-Meter-Infrastruktur als technisch Basis nutzen. Außerdem, so mahnen sie, müssten die gesetzlichen Grundlagen der IT-Sicherheit auch Akteure einbeziehen, die maßgeblichen Einfluss auf die Sicherheit der Energielandschaft hätten, etwa Hersteller von Wechselrichtern oder Elektrofahrzeugen. Längst seien aber noch nicht alle Abhängigkeiten zwischen der Stromversorgung und außerhalb dieses Systems bekannt. Hier müssten noch Wissens- und Sicherheitslücken geschlossen werden. Die Gesetz- und Verordnungsgebung müsse entsprechend angepasst werden.

Angesichts der Sorgen der Bevölkerung in der aktuellen Energiekrise raten die Akademien zu einer umfassenden Information und Kommunikation, die einerseits begriffliche Unschärfen beseitigt und andererseits auch über die tatsächliche Risikolage aufklärt: dass etwa geplante rollierende Abschaltungen sich grundlegend von einem großen Blackout unterscheiden.

Das Impulspapier steht auf der Internetseite des Akademie-Projekts „Energiesysteme der Zukunft“ zum Download zur Verfügung.
 

Freitag, 13.01.2023, 15:43 Uhr
Fritz Wilhelm

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