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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Reparaturen in Sicht
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Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

Reparaturen in Sicht

Wie das Ausland, die EU und einheimische Versorger mit eigenen Werkzeugen auf die Preisexplosion reagieren. Eines der Instrumente heißt: erneuerbare Quellen erschließen, auch mit PPA.
Erinnern Sie sich noch an 2006 bis 2008? In Wellen kannten damals die Stromgroßhandelspreise nur eine Richtung: nach oben. Besonders 2008 verteuerte sich das Frontjahr, dem Ölpreis folgend, quasi exponentiell von unter 35 auf mehr als 55 Euro pro MWh. So gut wie alle Analysten sagten damals voraus, dass es so weitergehen werde, Politiker ermutigten Stadtwerke, in neue Kohle- und Gasblöcke zu investieren. Dann kam im September 2008 die Lehman-Pleite und leitete mit der Krise eine Niedrigpreisphase ein, in der der Day Ahead beispielsweise 2017 im Schnitt nur noch 28,70 Euro kostete. Mit dem Aufkommen eines von Öl unabhängigeren Gasgroßhandels wurde auch konventionelles Gas spottbillig.

Demgegenüber ist die jetzige Preisexplosion während der Post-Corona-Konjunktur, die die Fossilen nicht vollständig bedienen können, unerhört − und doch anders. Einige Schlaglichter: Lag der Strom-Day Ahead 2020 noch bei 30 Euro pro MWh, hat der Spot am 7. Oktober ein Allzeithoch von 443 Euro hingelegt und schwankte danach beispiellos zwischen 50 und über 200 Euro. Das war kein reines Ausregelungsproblem: Das Frontjahr verteuerte sich in diesem Jahr bisher von grob 50 auf 125 Euro.

Das Gas-Frontjahr explodierte heuer bisher von weit unter 20 auf ganz grob 60 Euro. CO2 verteuerte sich ebenfalls auf ähnliche Höhen. Beispiellos ist also, wie steil die Kurve ansteigt.

Anders ist aber auch, dass von April 2022 an eine gewisse Entspannung in Sicht ist: Die Gaslieferung fürs nächste kostete zuletzt 92 Euro, für April bis Juni nur noch 48 Euro. Die Rallye spiegelt also auch die mit Gas unterversorgte Heizperiode wider. Je ferner die Stromlieferjahre in der Zukunft liegen, desto günstiger werden sie. 
„Die Kopplung von Strom- und Gaspreis war noch nie so stark wie jetzt“, sagt ein Energieeinkäufer zu E&M.

Nationalstaaten schaffen vollendete Tatsachen

Das meinte auch Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, hielt es für ungerecht und deckelte Anfang Oktober die Gashaushaltskundenpreise während der laufenden Heizperiode. Die spanische Regierung wiederum hält es für ungerecht, dass für Erneuerbare keine CO2-Ausstoßrechte bezahlt werden müssen, und will − neben einer sinnvollen Senkung der Umsatzsteuer auf Energie − auf Grünstrom eine Sonderabgabe erheben.

Der EU-Energiebinnenmarkt, die Erneuerbaren-Richtlinie (RED II) − plötzlich ist kein Halten mehr. Bestimmte Nationalstaaten schufen vollendete Fakten − bis die EU Mitte Oktober ihren Werkzeugkasten („Toolbox“) vorstellte: europakonforme Maßnahmen, um sozial schwache Haushaltskunden vor einem unbezahlbaren Winter zu schützen. Deutschland verhielt sich hier eher europafreundlich. Das liegt aber vor allem daran, weil rund um die Bundestagswahl der große energiepolitische Wurf noch fehlt. Dass etwa die EEG-Umlage 2022 sinkt, ist ein Automatismus im bisherigen, von Brüssel weitgehend bestätigten Rechtsrahmen (Kommentar: Seite 2).

Unter den verschiedensten Schraubendrehern der Toolbox lohnt ein genauerer Blick auf jene, die Brüssel zur potenziell preisdämpfenden Rolle der Erneuerbaren empfiehlt. So sollen die Mitgliedstaaten langfristige Direktlieferverträge aus grünen Kraftwerken, die Power Purchase Agreements (grüne PPA), vereinfachen. Das steht aber schon in der RED II, die Ende Juni in nationales Recht umgesetzt werden musste und insofern in der Novelle RED III noch verschärft werden soll. Für PPA-Strom, der als Grünstrom kommuniziert werden darf, kommen nur ungeförderte Erzeugungsanlagen in Frage. Dem Rat der europäischen Energieregulierer (CEER) zufolge ist das nach 2030 bei 40 % der installierten Leistung, also 270.000 MW, der Fall. 123.000 MW davon entfallen auf Deutschland.

Ohne Förderung geht es auch bei Neuanlagen, hat die jüngste Offshore-Windkraftauktion gezeigt. Sogar so gut, dass zweimal das Los entscheiden musste, worüber die Branche wütend ist und wozu die Alternativen auch auf dem Tisch liegen. Auch bei deutschen Photovoltaik-Großprojekten soll es eine bedeutende Projektpipeline außerhalb des EEG geben, hörte man von der PPA-Messe Re-Source in Amsterdam.

Bei Bestandsanlagen stieg die ungeförderte „sonstige Direktvermarktung“ im Oktober erstmals über 1.000 MW. Dämpfen nun PPA die Strompreise? Nicht zwingend, geht aus Aussagen von Enervis Energy Advisors gegenüber E&M hervor. Aber allgemein der Zubau der Erneuerbaren im Rahmen des Energy-only-Marktdesigns.

Der erste Grundversorger

Aber zunächst müssen die Versorger mit ihren Kunden durch den Winter kommen. Für alle Strom- und Gasvertriebe gleichermaßen gilt unabhängig von ihrer Ausrichtung: Für die Neukunden, die sie im Weihnachtsgeschäft 2021 über ihre eigene Absatzprognose hinaus akquirieren, müssen sie zu den jetzigen Großhandelspreisen beschaffen. In Deutschland, aber auch in England, sind die ersten spotmarktorientierten Discounter, die vorher von fallenden Märkten profitiert hatten, in die Insolvenz gerauscht oder haben die Kundenakquise eingestellt. 
Die Entwicklung erfasst aber auch Etablierte: Mit dem E-Werk Ziegler, einem privaten Elektrofachbetrieb mit Wasserkraftwerk, stellt im badischen Kappelrodeck der erste Grundversorger zum Jahreswechsel die Versorgung ein. Und Eon hat die Aufnahme neuer Gaskunden zeitweise ausgesetzt.

So macht es Eprimo

Dies gilt aber nicht für alle Konzernmarken gleich: Der Chef der bundesweiten Zweitmarke Eprimo, Jens Michael Peters, antwortete auf eine entsprechende Anfrage von E&M, man unterbreite „allen Neukunden aktuell gerne Angebote“. Und behält sich sogleich vor, man müsse diese „gegebenenfalls kurzfristig an die Preisentwicklung anpassen oder temporär aussetzen“, da die Großhandelspreise „weiter auf beispiellosem Niveau volatil sind“. 

Eprimo positioniert sich mit 1,7 Mio. Kunden als Deutschlands größter Ökodiscounter, beschafft aber wie die Masse der Stadtwerke langfristig − im Gegensatz zu Discountern, die sich am ehedem günstigen Spot bedient hatten, und der ist jetzt am teuersten. Bei der Preisgestaltung für 2022, so Peters weiter, „können wir uns − wie viele andere auch − den aktuellen Marktbedingungen aber nicht entziehen“. Der Eprimo-CEO appelliert an die Politik, Ökostrom stark von Steuern und Umlagen zu entlasten. Die sinkende EEG-Umlage könne nur der Anfang sein.

Menden: Kundschaft hat Verständnis

Andere Einblicke in die Auswirkungen gewähren die Stadtwerke Menden (NRW): Der etablierte Lokalversorger beschafft seine Strom- und Gasabsatzmengen tranchenweise über einen längeren Zeitraum im Voraus, berichtet der Teamleiter Energiebeschaffung, Thorsten Wiesenhöfer, auf E&M-Anfrage. So verteilen sich die Risiken und so profitieren die Sauerländer − in einem Tranchenbeschaffungsmodell mit einem Vorlieferanten − von den früheren Bezugspreisen und auch von aktuellen Einkaufspreisen unter dem allgemeinen Niveau.

Für 2022 sei man noch nicht zu 100 % eingedeckt, da noch nicht alle Großkunden fürs kommende Jahr unter Vertrag seien. „Wir werden mit 100 Prozent Eindeckung ins nächste Jahr gehen“, kündigt Wiesenhöfer an. Bei der Differenz werden die aktuellen Notierungen empfindlich spürbar. Der Chefeinkäufer ist „zuversichtlich, dass wir die Residualmengen auch bekommen“. Das sei kein Selbstläufer mehr: Die Mendener bekämen auf Anfragen auf der außerbörslichen Handelsplattform Enmacc bei einem Dutzend Händler bestenfalls noch von der Hälfte ein Preisangebot, bei Gas seien es teilweise sogar noch weniger. Enmacc habe die Handelsteilnehmer darüber informiert, dass manche Vorlieferanten keine Preise mehr stellen, weil ihre Kreditlinien gerissen seien.

Die Entwicklung der Beschaffungspreise haue ins Kontor, sodass die Stadtwerke ihre Gasgrundversorgungs- und einige wenige Sondertarife bereits zu diesem 1. November um grob 12 % angehoben haben. „Die Kunden und Kundinnen haben großes Verständnis für unsere Situation“, berichtet Wiesenhöfer. „Das kommt ja nicht aus heiterem Himmel, die Medien haben sie gut aufgeklärt.“ Mit rund 80 % Marktanteil bei den Haushaltskunden stehe man überdurchschnittlich gut da.

Der Fall, dass die Stadtwerke Menden Ex-Kunden insolventer Energiediscounter in ihre Ersatzversorgung nehmen mussten, ist in der aktuellen Rallye noch nicht eingetroffen, sagt der Teamleiter. „Wenn 1.000 zu uns kämen, müssten wir teuer nachkaufen“, mahnt er.

Bitter sieht es nach Beobachtung Wiesenhöfers für jene Industriekunden aus, die für 2022 noch ohne Bezugsverträge dastehen. Davon gebe es durchaus den einen oder anderen. „Es besteht die latente Gefahr, dass sich ihre Energiekosten mindestens verdoppeln. "Wenn wir für Industriekunden back-to-back für 150 Euro pro Megawattstunde die völlig überhitzte Lieferung zum ersten Quartal 2022 beschaffen müssten, würde das die Betriebe vor große Herausforderungen stellen.“

Montag, 22.11.2021, 11:12 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Reparaturen in Sicht
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Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
Reparaturen in Sicht
Wie das Ausland, die EU und einheimische Versorger mit eigenen Werkzeugen auf die Preisexplosion reagieren. Eines der Instrumente heißt: erneuerbare Quellen erschließen, auch mit PPA.
Erinnern Sie sich noch an 2006 bis 2008? In Wellen kannten damals die Stromgroßhandelspreise nur eine Richtung: nach oben. Besonders 2008 verteuerte sich das Frontjahr, dem Ölpreis folgend, quasi exponentiell von unter 35 auf mehr als 55 Euro pro MWh. So gut wie alle Analysten sagten damals voraus, dass es so weitergehen werde, Politiker ermutigten Stadtwerke, in neue Kohle- und Gasblöcke zu investieren. Dann kam im September 2008 die Lehman-Pleite und leitete mit der Krise eine Niedrigpreisphase ein, in der der Day Ahead beispielsweise 2017 im Schnitt nur noch 28,70 Euro kostete. Mit dem Aufkommen eines von Öl unabhängigeren Gasgroßhandels wurde auch konventionelles Gas spottbillig.

Demgegenüber ist die jetzige Preisexplosion während der Post-Corona-Konjunktur, die die Fossilen nicht vollständig bedienen können, unerhört − und doch anders. Einige Schlaglichter: Lag der Strom-Day Ahead 2020 noch bei 30 Euro pro MWh, hat der Spot am 7. Oktober ein Allzeithoch von 443 Euro hingelegt und schwankte danach beispiellos zwischen 50 und über 200 Euro. Das war kein reines Ausregelungsproblem: Das Frontjahr verteuerte sich in diesem Jahr bisher von grob 50 auf 125 Euro.

Das Gas-Frontjahr explodierte heuer bisher von weit unter 20 auf ganz grob 60 Euro. CO2 verteuerte sich ebenfalls auf ähnliche Höhen. Beispiellos ist also, wie steil die Kurve ansteigt.

Anders ist aber auch, dass von April 2022 an eine gewisse Entspannung in Sicht ist: Die Gaslieferung fürs nächste kostete zuletzt 92 Euro, für April bis Juni nur noch 48 Euro. Die Rallye spiegelt also auch die mit Gas unterversorgte Heizperiode wider. Je ferner die Stromlieferjahre in der Zukunft liegen, desto günstiger werden sie. 
„Die Kopplung von Strom- und Gaspreis war noch nie so stark wie jetzt“, sagt ein Energieeinkäufer zu E&M.

Nationalstaaten schaffen vollendete Tatsachen

Das meinte auch Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, hielt es für ungerecht und deckelte Anfang Oktober die Gashaushaltskundenpreise während der laufenden Heizperiode. Die spanische Regierung wiederum hält es für ungerecht, dass für Erneuerbare keine CO2-Ausstoßrechte bezahlt werden müssen, und will − neben einer sinnvollen Senkung der Umsatzsteuer auf Energie − auf Grünstrom eine Sonderabgabe erheben.

Der EU-Energiebinnenmarkt, die Erneuerbaren-Richtlinie (RED II) − plötzlich ist kein Halten mehr. Bestimmte Nationalstaaten schufen vollendete Fakten − bis die EU Mitte Oktober ihren Werkzeugkasten („Toolbox“) vorstellte: europakonforme Maßnahmen, um sozial schwache Haushaltskunden vor einem unbezahlbaren Winter zu schützen. Deutschland verhielt sich hier eher europafreundlich. Das liegt aber vor allem daran, weil rund um die Bundestagswahl der große energiepolitische Wurf noch fehlt. Dass etwa die EEG-Umlage 2022 sinkt, ist ein Automatismus im bisherigen, von Brüssel weitgehend bestätigten Rechtsrahmen (Kommentar: Seite 2).

Unter den verschiedensten Schraubendrehern der Toolbox lohnt ein genauerer Blick auf jene, die Brüssel zur potenziell preisdämpfenden Rolle der Erneuerbaren empfiehlt. So sollen die Mitgliedstaaten langfristige Direktlieferverträge aus grünen Kraftwerken, die Power Purchase Agreements (grüne PPA), vereinfachen. Das steht aber schon in der RED II, die Ende Juni in nationales Recht umgesetzt werden musste und insofern in der Novelle RED III noch verschärft werden soll. Für PPA-Strom, der als Grünstrom kommuniziert werden darf, kommen nur ungeförderte Erzeugungsanlagen in Frage. Dem Rat der europäischen Energieregulierer (CEER) zufolge ist das nach 2030 bei 40 % der installierten Leistung, also 270.000 MW, der Fall. 123.000 MW davon entfallen auf Deutschland.

Ohne Förderung geht es auch bei Neuanlagen, hat die jüngste Offshore-Windkraftauktion gezeigt. Sogar so gut, dass zweimal das Los entscheiden musste, worüber die Branche wütend ist und wozu die Alternativen auch auf dem Tisch liegen. Auch bei deutschen Photovoltaik-Großprojekten soll es eine bedeutende Projektpipeline außerhalb des EEG geben, hörte man von der PPA-Messe Re-Source in Amsterdam.

Bei Bestandsanlagen stieg die ungeförderte „sonstige Direktvermarktung“ im Oktober erstmals über 1.000 MW. Dämpfen nun PPA die Strompreise? Nicht zwingend, geht aus Aussagen von Enervis Energy Advisors gegenüber E&M hervor. Aber allgemein der Zubau der Erneuerbaren im Rahmen des Energy-only-Marktdesigns.

Der erste Grundversorger

Aber zunächst müssen die Versorger mit ihren Kunden durch den Winter kommen. Für alle Strom- und Gasvertriebe gleichermaßen gilt unabhängig von ihrer Ausrichtung: Für die Neukunden, die sie im Weihnachtsgeschäft 2021 über ihre eigene Absatzprognose hinaus akquirieren, müssen sie zu den jetzigen Großhandelspreisen beschaffen. In Deutschland, aber auch in England, sind die ersten spotmarktorientierten Discounter, die vorher von fallenden Märkten profitiert hatten, in die Insolvenz gerauscht oder haben die Kundenakquise eingestellt. 
Die Entwicklung erfasst aber auch Etablierte: Mit dem E-Werk Ziegler, einem privaten Elektrofachbetrieb mit Wasserkraftwerk, stellt im badischen Kappelrodeck der erste Grundversorger zum Jahreswechsel die Versorgung ein. Und Eon hat die Aufnahme neuer Gaskunden zeitweise ausgesetzt.

So macht es Eprimo

Dies gilt aber nicht für alle Konzernmarken gleich: Der Chef der bundesweiten Zweitmarke Eprimo, Jens Michael Peters, antwortete auf eine entsprechende Anfrage von E&M, man unterbreite „allen Neukunden aktuell gerne Angebote“. Und behält sich sogleich vor, man müsse diese „gegebenenfalls kurzfristig an die Preisentwicklung anpassen oder temporär aussetzen“, da die Großhandelspreise „weiter auf beispiellosem Niveau volatil sind“. 

Eprimo positioniert sich mit 1,7 Mio. Kunden als Deutschlands größter Ökodiscounter, beschafft aber wie die Masse der Stadtwerke langfristig − im Gegensatz zu Discountern, die sich am ehedem günstigen Spot bedient hatten, und der ist jetzt am teuersten. Bei der Preisgestaltung für 2022, so Peters weiter, „können wir uns − wie viele andere auch − den aktuellen Marktbedingungen aber nicht entziehen“. Der Eprimo-CEO appelliert an die Politik, Ökostrom stark von Steuern und Umlagen zu entlasten. Die sinkende EEG-Umlage könne nur der Anfang sein.

Menden: Kundschaft hat Verständnis

Andere Einblicke in die Auswirkungen gewähren die Stadtwerke Menden (NRW): Der etablierte Lokalversorger beschafft seine Strom- und Gasabsatzmengen tranchenweise über einen längeren Zeitraum im Voraus, berichtet der Teamleiter Energiebeschaffung, Thorsten Wiesenhöfer, auf E&M-Anfrage. So verteilen sich die Risiken und so profitieren die Sauerländer − in einem Tranchenbeschaffungsmodell mit einem Vorlieferanten − von den früheren Bezugspreisen und auch von aktuellen Einkaufspreisen unter dem allgemeinen Niveau.

Für 2022 sei man noch nicht zu 100 % eingedeckt, da noch nicht alle Großkunden fürs kommende Jahr unter Vertrag seien. „Wir werden mit 100 Prozent Eindeckung ins nächste Jahr gehen“, kündigt Wiesenhöfer an. Bei der Differenz werden die aktuellen Notierungen empfindlich spürbar. Der Chefeinkäufer ist „zuversichtlich, dass wir die Residualmengen auch bekommen“. Das sei kein Selbstläufer mehr: Die Mendener bekämen auf Anfragen auf der außerbörslichen Handelsplattform Enmacc bei einem Dutzend Händler bestenfalls noch von der Hälfte ein Preisangebot, bei Gas seien es teilweise sogar noch weniger. Enmacc habe die Handelsteilnehmer darüber informiert, dass manche Vorlieferanten keine Preise mehr stellen, weil ihre Kreditlinien gerissen seien.

Die Entwicklung der Beschaffungspreise haue ins Kontor, sodass die Stadtwerke ihre Gasgrundversorgungs- und einige wenige Sondertarife bereits zu diesem 1. November um grob 12 % angehoben haben. „Die Kunden und Kundinnen haben großes Verständnis für unsere Situation“, berichtet Wiesenhöfer. „Das kommt ja nicht aus heiterem Himmel, die Medien haben sie gut aufgeklärt.“ Mit rund 80 % Marktanteil bei den Haushaltskunden stehe man überdurchschnittlich gut da.

Der Fall, dass die Stadtwerke Menden Ex-Kunden insolventer Energiediscounter in ihre Ersatzversorgung nehmen mussten, ist in der aktuellen Rallye noch nicht eingetroffen, sagt der Teamleiter. „Wenn 1.000 zu uns kämen, müssten wir teuer nachkaufen“, mahnt er.

Bitter sieht es nach Beobachtung Wiesenhöfers für jene Industriekunden aus, die für 2022 noch ohne Bezugsverträge dastehen. Davon gebe es durchaus den einen oder anderen. „Es besteht die latente Gefahr, dass sich ihre Energiekosten mindestens verdoppeln. "Wenn wir für Industriekunden back-to-back für 150 Euro pro Megawattstunde die völlig überhitzte Lieferung zum ersten Quartal 2022 beschaffen müssten, würde das die Betriebe vor große Herausforderungen stellen.“

Montag, 22.11.2021, 11:12 Uhr
Georg Eble

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