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Energie & Management > Stadtwerke - Remondis ist Bad Belzigs letzter Pfeil im Köcher
Quelle: Fotolia / nmann77
Stadtwerke

Remondis ist Bad Belzigs letzter Pfeil im Köcher

Die Lokalpolitik hat dem Bad Belziger Bürgermeister Versagen beim Stadtwerke-Skandal vorgeworfen und den Rücktritt nahegelegt. Zugleich ist der Weg frei für einen Einstieg von Remondis.
Die ersten Rücktritte im Zusammenhang mit der Insolvenz der Stadtwerke Bad Belzig (SWBB) sind inzwischen erfolgt. Fünf Aufsichtsratsmitglieder haben ihre Demission bekannt gegeben, es sind die von den Fraktionen gestellten Vertreterinnen. Nach dem Geschmack des „Sonderausschusses Stadtwerke“ der Stadtverordnetenversammlung (SVV), dem Parlament der brandenburgischen Kommune, sind es allerdings nicht die relevanten.

Das Sondergremium fordert stattdessen den ebenfalls dem Aufsichtsrat zugehörigen Bürgermeister Roland Leisegang (parteilos) unmissverständlich auf, „endlich Verantwortung zu übernehmen“ für seinen Beitrag am Schuldenberg von rund 40 Mio. Euro (wir berichteten). Dabei kann es sich nur um den Rückzug als Bürgermeister handeln. Die SWBB sind 2021 zahlungsunfähig geworden, weil der ehemalige Geschäftsführer hoch riskante Leerverkäufe mit Vattenfall vereinbart hatte.

Amtsgericht befindet über Kooperation von Stadt und Remondis

Zum Zeitpunkt der vereinbarten Stromlieferung waren die Preise auf dem Markt allerdings explodiert, was die Stadtwerke in den Ruin trieb und den Geschäftsführer im November den Job kostete. Der Sonderausschuss hält laut veröffentlichtem Bericht „weitere Ausflüchte“ Leisegangs für „nicht mehr angebracht“ und wirft ihm Versagen in der Kontrolle des Geschäftsführers vor. Es sei seine Verantwortung, dass es der Stadt als Gesellschafterin an „professionellem und konsequentem sowie mit ausreichender Distanz versehenem Beteiligungsmanagement“ gefehlt habe.

Sonderausschuss-Vorsitzender Ingo Kampf (SPD) erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, der Bericht werde nun dem Landkreis als Kommunalaufsicht zugeleitet. Von dort erwarte die Politik sich Handlungsempfehlungen für das weitere Vorgehen.

Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsplanung erfolgen bei den Stadtwerken im Moment zeitgleich. Die Lokalpolitik hat jüngst mit einem Beschluss der SVV in geheimer Sitzung ihre favorisierte Lösung für ein Fortbestehen der SWBB aktenkundig gemacht. Demnach setzt die Kommune, aktuell zu 100 % Eigentümerin der Stadtwerke, auf eine Beteiligungsgesellschaft mit dem Entsorgungsmulti Remondis. Die Mehrheit der Anteile (51 %) soll demnach bei der Stadt verbleiben, der Rest geht an die Westfalen.

Das Votum für die Gründung der Bad Belzig Beteiligungsgesellschaft (BBB) sei mehrheitlich und nicht einstimmig erfolgt, so Ingo Kampf. Nun müsse das Amtsgericht Potsdam im laufenden - von den Stadtwerken in Eigenverwaltung geführten − Insolvenzverfahren entscheiden, ob das Angebot der BBB das lukrativste ist und den Zuschlag erhält. Der Sachwalter im Verfahren, Anwalt Jürgen Spliedt, will die Gespräche so voranbringen, dass eine Entscheidung Anfang September fallen kann (wir berichteten).

"Hass": Aufsichtsrat der Stadtwerke zurückgetreten

Den Remondis-Beschluss der Politik hatten die fünf Stadtverordnetenvertreter im Aufsichtsrat zum Anlass genommen, ihren sofortigen Rücktritt zu verkünden. Damit wollten sie laut Mitteilung von Tobias Paul (CDU), Chef des Kontrollgremiums, den Weg für einen Neuanfang freimachen. „Wir übernehmen damit unseren Teil der politischen Verantwortung für die von der ehemaligen Unternehmensleitung ausgelösten massiven wirtschaftlichen Schäden“, heißt es wörtlich.

Zugleich relativierte das Quintett seine Einflussmöglichkeiten in der Vergangenheit – aufgrund der im Ehrenamt ausgeübten Tätigkeit und der mangelnden Transparenz des Geschäftsführers. „Die Verschleierung der unserer Meinung nach illegalen Aktivitäten durch den ehemaligen Geschäftsführer wie das Nutzen von Fake-Mailadressen für Transaktionen in Millionen-Höhe lässt dabei eine selten gekannte Gerissenheit erkennen“, gaben die Politiker zu Protokoll.

Staatsanwaltschaft lässt Ex-Geschäftsführer ungeschoren

Sie selbst hätten seit Bekanntwerden des Skandals eine „über jedes Maß hinausgehende Atmosphäre des Hass' und Misstrauens“ zu spüren bekommen. Es bleibe der „aufrichtige Wunsch, dass das verspielte Vertrauensverhältnis zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden mit geeigneten Maßnahmen wieder nachhaltig aufgebaut werden kann“.

Der im November entlassene SWBB-Geschäftsführer kann derweil Hoffnung hegen, strafrechtlich für seine „Zockerei“ (so der Bericht des Sonderausschusses) nicht belangt zu werden. Auch der Vorwurf der Insolvenzverschleppung ist laut Staatsanwaltschaft Potsdam nicht haltbar. Die Behörde hatte bereits der Stadt Bad Belzig eine Absage auf den Antrag erteilt, Ermittlungen wegen Untreue oder Bankrotts einzuleiten (wir berichteten). Allerdings haben die Freien Wähler und eine Bürgerinitiative das Justizministerium des Landes Brandenburg gebeten, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft fachaufsichtlich zu überprüfen.

Donnerstag, 14.07.2022, 15:31 Uhr
Volker Stephan
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Remondis ist Bad Belzigs letzter Pfeil im Köcher
Die Lokalpolitik hat dem Bad Belziger Bürgermeister Versagen beim Stadtwerke-Skandal vorgeworfen und den Rücktritt nahegelegt. Zugleich ist der Weg frei für einen Einstieg von Remondis.
Die ersten Rücktritte im Zusammenhang mit der Insolvenz der Stadtwerke Bad Belzig (SWBB) sind inzwischen erfolgt. Fünf Aufsichtsratsmitglieder haben ihre Demission bekannt gegeben, es sind die von den Fraktionen gestellten Vertreterinnen. Nach dem Geschmack des „Sonderausschusses Stadtwerke“ der Stadtverordnetenversammlung (SVV), dem Parlament der brandenburgischen Kommune, sind es allerdings nicht die relevanten.

Das Sondergremium fordert stattdessen den ebenfalls dem Aufsichtsrat zugehörigen Bürgermeister Roland Leisegang (parteilos) unmissverständlich auf, „endlich Verantwortung zu übernehmen“ für seinen Beitrag am Schuldenberg von rund 40 Mio. Euro (wir berichteten). Dabei kann es sich nur um den Rückzug als Bürgermeister handeln. Die SWBB sind 2021 zahlungsunfähig geworden, weil der ehemalige Geschäftsführer hoch riskante Leerverkäufe mit Vattenfall vereinbart hatte.

Amtsgericht befindet über Kooperation von Stadt und Remondis

Zum Zeitpunkt der vereinbarten Stromlieferung waren die Preise auf dem Markt allerdings explodiert, was die Stadtwerke in den Ruin trieb und den Geschäftsführer im November den Job kostete. Der Sonderausschuss hält laut veröffentlichtem Bericht „weitere Ausflüchte“ Leisegangs für „nicht mehr angebracht“ und wirft ihm Versagen in der Kontrolle des Geschäftsführers vor. Es sei seine Verantwortung, dass es der Stadt als Gesellschafterin an „professionellem und konsequentem sowie mit ausreichender Distanz versehenem Beteiligungsmanagement“ gefehlt habe.

Sonderausschuss-Vorsitzender Ingo Kampf (SPD) erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, der Bericht werde nun dem Landkreis als Kommunalaufsicht zugeleitet. Von dort erwarte die Politik sich Handlungsempfehlungen für das weitere Vorgehen.

Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsplanung erfolgen bei den Stadtwerken im Moment zeitgleich. Die Lokalpolitik hat jüngst mit einem Beschluss der SVV in geheimer Sitzung ihre favorisierte Lösung für ein Fortbestehen der SWBB aktenkundig gemacht. Demnach setzt die Kommune, aktuell zu 100 % Eigentümerin der Stadtwerke, auf eine Beteiligungsgesellschaft mit dem Entsorgungsmulti Remondis. Die Mehrheit der Anteile (51 %) soll demnach bei der Stadt verbleiben, der Rest geht an die Westfalen.

Das Votum für die Gründung der Bad Belzig Beteiligungsgesellschaft (BBB) sei mehrheitlich und nicht einstimmig erfolgt, so Ingo Kampf. Nun müsse das Amtsgericht Potsdam im laufenden - von den Stadtwerken in Eigenverwaltung geführten − Insolvenzverfahren entscheiden, ob das Angebot der BBB das lukrativste ist und den Zuschlag erhält. Der Sachwalter im Verfahren, Anwalt Jürgen Spliedt, will die Gespräche so voranbringen, dass eine Entscheidung Anfang September fallen kann (wir berichteten).

"Hass": Aufsichtsrat der Stadtwerke zurückgetreten

Den Remondis-Beschluss der Politik hatten die fünf Stadtverordnetenvertreter im Aufsichtsrat zum Anlass genommen, ihren sofortigen Rücktritt zu verkünden. Damit wollten sie laut Mitteilung von Tobias Paul (CDU), Chef des Kontrollgremiums, den Weg für einen Neuanfang freimachen. „Wir übernehmen damit unseren Teil der politischen Verantwortung für die von der ehemaligen Unternehmensleitung ausgelösten massiven wirtschaftlichen Schäden“, heißt es wörtlich.

Zugleich relativierte das Quintett seine Einflussmöglichkeiten in der Vergangenheit – aufgrund der im Ehrenamt ausgeübten Tätigkeit und der mangelnden Transparenz des Geschäftsführers. „Die Verschleierung der unserer Meinung nach illegalen Aktivitäten durch den ehemaligen Geschäftsführer wie das Nutzen von Fake-Mailadressen für Transaktionen in Millionen-Höhe lässt dabei eine selten gekannte Gerissenheit erkennen“, gaben die Politiker zu Protokoll.

Staatsanwaltschaft lässt Ex-Geschäftsführer ungeschoren

Sie selbst hätten seit Bekanntwerden des Skandals eine „über jedes Maß hinausgehende Atmosphäre des Hass' und Misstrauens“ zu spüren bekommen. Es bleibe der „aufrichtige Wunsch, dass das verspielte Vertrauensverhältnis zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden mit geeigneten Maßnahmen wieder nachhaltig aufgebaut werden kann“.

Der im November entlassene SWBB-Geschäftsführer kann derweil Hoffnung hegen, strafrechtlich für seine „Zockerei“ (so der Bericht des Sonderausschusses) nicht belangt zu werden. Auch der Vorwurf der Insolvenzverschleppung ist laut Staatsanwaltschaft Potsdam nicht haltbar. Die Behörde hatte bereits der Stadt Bad Belzig eine Absage auf den Antrag erteilt, Ermittlungen wegen Untreue oder Bankrotts einzuleiten (wir berichteten). Allerdings haben die Freien Wähler und eine Bürgerinitiative das Justizministerium des Landes Brandenburg gebeten, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft fachaufsichtlich zu überprüfen.

Donnerstag, 14.07.2022, 15:31 Uhr
Volker Stephan

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