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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Regulierer am Horizont
Quelle: Fotolia / Tom-Hanisch
E&M Vor 20 Jahren

Regulierer am Horizont

Im Frühjahr 2003 zeichnete sich ab, dass die Bundesregierung der Energiewirtschaft einen Regulierer vor die Nase setzen würde.
Vor 20 Jahren handelte die Energiewirtschaft zwar noch die Marktregeln frei aus. Das Ende dieser Praxis rückte jedoch spürbar näher. Im März 2003 berichtete E&M-Korrespondentin Cerstin Gammelin über die Diskussionen in Berlin und kommentierte die aktuelle Entwicklung.

Der Staat droht mit einer Regulierung des Zugangs zu Strom- und Gasnetzen. Dadurch würde der dominante Einfluss der Energieversorger auf die Entwicklung des bundesdeutschen Energiemarktes deutlich abnehmen. Der kränkelnde Patient Wettbewerb könnte erstmals genügend Licht und Luft zum Leben erhalten.

Das politische Berlin hat bisher freiwillige Verbändevereinbarungen staatlichen Spielregeln vorgezogen. Doch jetzt, nachdem die Mahnungen an die Energiewirtschaft zu mehr Wettbewerb verhallt sind, arbeitet das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit an einer Netzzugangsverordnung. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach in seiner Rede am vergangenen Freitag deutlich vom Ende des deutschen Korporatismus. Das heißt auch, es wird Schluss damit sein, dass es Branchen gibt, in denen Interessengruppen ihre Gesetze selber schreiben können. Wie beispielsweise die geplante Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes.

Dass es der Regierung ernst ist mit der Zerschlagung von „Old-Boys-Machtkartellen“, scheint nun in die Vorstandsetagen der Energieversorger vorgedrungen zu sein. Aber noch sträubt sich die Branche gegen die Zeichen des Wandels. In einem Brief appellieren die Präsidenten von VKU, VDEW, BGW, VDN und VRE am Montag an Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, noch vor den Diskussionen der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes im Vermittlungsausschuss am kommenden Donnerstag zu einem Spitzengespräch zusammenzutreffen.

Denn die Energiewirtschaftsverbände seien grundsätzlich bereit, „weiterhin konstruktiv an der Fortentwicklung des Wettbewerbs im deutschen Energiemarkt mitzuwirken“. Angesichts der laufenden Diskussionen seien bei den Mitgliedsunternehmen der Verbände allerdings „erhebliche Irritationen entstanden, ob die Politik sich diesem Ziel in gleicher Weise verpflichtet fühlt“.

Diese Irritationen, so die Verbände in dem Schreiben, könne der Minister kurzfristig zerstreuen, indem er dafür sorge, dass die Regierungskoalition im Vermittlungsausschuss für die uneingeschränkte „Verrechtlichung“ der Verbändevereinbarungen eintrete. Denn nur mit diesem „Mindestmaß an Rechtssicherheit“ fühlen sich die Energieversorgungsunternehmen weiterhin in der Lage, die notwendigen Investitionen für die Erhaltung qualitativ hochwertiger Versorgungsinfrastrukturen zu erwirtschaften. Es sei nötig, vorstellbare Lösungsansätze aus Sicht der Energiewirtschaft und vorstellbare politische Weichenstellungen zu erörtern.

Die Drohung an Clement ist offensichtlich. Dennoch gab sich der Minister unbeeindruckt und willensstark. „Die deutsche Wirtschaft braucht jetzt klare Regeln und mehr Transparenz“, verkündete Clement auf einer Podiumsdiskussion von Transparency International.

Eigentlich bleibt dem Minister gar keine andere Wahl: Das Landgericht Berlin bezeichnete das System des verhandelten Netzzugangs jüngst als verbotenes Preiskartell. Professor Ulrich Büdenbender, renommierter Energierechtsexperte der TU Dresden, ging noch einen Schritt weiter: Die Energierechtsnovelle kollidiere mit deutschem Gewerberecht, sie verstoße gegen die Zivilprozessordnung in Deutschland sowie gegen die neue EU-Binnenmarktrichtlinie, und sie negiere geltendes Europarecht, heißt es in seinem Gutachten.
 

Freitag, 10.03.2023, 16:42 Uhr
Cerstin Gammelin
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Im Frühjahr 2003 zeichnete sich ab, dass die Bundesregierung der Energiewirtschaft einen Regulierer vor die Nase setzen würde.
Vor 20 Jahren handelte die Energiewirtschaft zwar noch die Marktregeln frei aus. Das Ende dieser Praxis rückte jedoch spürbar näher. Im März 2003 berichtete E&M-Korrespondentin Cerstin Gammelin über die Diskussionen in Berlin und kommentierte die aktuelle Entwicklung.

Der Staat droht mit einer Regulierung des Zugangs zu Strom- und Gasnetzen. Dadurch würde der dominante Einfluss der Energieversorger auf die Entwicklung des bundesdeutschen Energiemarktes deutlich abnehmen. Der kränkelnde Patient Wettbewerb könnte erstmals genügend Licht und Luft zum Leben erhalten.

Das politische Berlin hat bisher freiwillige Verbändevereinbarungen staatlichen Spielregeln vorgezogen. Doch jetzt, nachdem die Mahnungen an die Energiewirtschaft zu mehr Wettbewerb verhallt sind, arbeitet das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit an einer Netzzugangsverordnung. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach in seiner Rede am vergangenen Freitag deutlich vom Ende des deutschen Korporatismus. Das heißt auch, es wird Schluss damit sein, dass es Branchen gibt, in denen Interessengruppen ihre Gesetze selber schreiben können. Wie beispielsweise die geplante Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes.

Dass es der Regierung ernst ist mit der Zerschlagung von „Old-Boys-Machtkartellen“, scheint nun in die Vorstandsetagen der Energieversorger vorgedrungen zu sein. Aber noch sträubt sich die Branche gegen die Zeichen des Wandels. In einem Brief appellieren die Präsidenten von VKU, VDEW, BGW, VDN und VRE am Montag an Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, noch vor den Diskussionen der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes im Vermittlungsausschuss am kommenden Donnerstag zu einem Spitzengespräch zusammenzutreffen.

Denn die Energiewirtschaftsverbände seien grundsätzlich bereit, „weiterhin konstruktiv an der Fortentwicklung des Wettbewerbs im deutschen Energiemarkt mitzuwirken“. Angesichts der laufenden Diskussionen seien bei den Mitgliedsunternehmen der Verbände allerdings „erhebliche Irritationen entstanden, ob die Politik sich diesem Ziel in gleicher Weise verpflichtet fühlt“.

Diese Irritationen, so die Verbände in dem Schreiben, könne der Minister kurzfristig zerstreuen, indem er dafür sorge, dass die Regierungskoalition im Vermittlungsausschuss für die uneingeschränkte „Verrechtlichung“ der Verbändevereinbarungen eintrete. Denn nur mit diesem „Mindestmaß an Rechtssicherheit“ fühlen sich die Energieversorgungsunternehmen weiterhin in der Lage, die notwendigen Investitionen für die Erhaltung qualitativ hochwertiger Versorgungsinfrastrukturen zu erwirtschaften. Es sei nötig, vorstellbare Lösungsansätze aus Sicht der Energiewirtschaft und vorstellbare politische Weichenstellungen zu erörtern.

Die Drohung an Clement ist offensichtlich. Dennoch gab sich der Minister unbeeindruckt und willensstark. „Die deutsche Wirtschaft braucht jetzt klare Regeln und mehr Transparenz“, verkündete Clement auf einer Podiumsdiskussion von Transparency International.

Eigentlich bleibt dem Minister gar keine andere Wahl: Das Landgericht Berlin bezeichnete das System des verhandelten Netzzugangs jüngst als verbotenes Preiskartell. Professor Ulrich Büdenbender, renommierter Energierechtsexperte der TU Dresden, ging noch einen Schritt weiter: Die Energierechtsnovelle kollidiere mit deutschem Gewerberecht, sie verstoße gegen die Zivilprozessordnung in Deutschland sowie gegen die neue EU-Binnenmarktrichtlinie, und sie negiere geltendes Europarecht, heißt es in seinem Gutachten.
 

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