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Die Netzregulierung in Deutschland muss neu gestaltet werden. Der Referentenentwurf wurde in Berlin diskutiert.
Um den fairen Zugang zur Energie-Infrastruktur für alle Akteure zu gewährleisten, muss das Regulierungsrecht grundlegend geändert werden. "Das ist eine einschneidende Zäsur für die deutsche Energieregulierung", erklärte Christian Schütte, Leiter der Beschlusskammer 9 in der Bundesnetzagentur, auf der diesjährigen Regulierungskonferenz der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) in Berlin.
Hintergrund ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2021, die den Marktzugang zu den deutschen Netzen als nicht fair beurteilte. Danach sei das deutsche Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Da die Märkte für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen lange in der Hand von wenigen, ehemals staatlichen Anbietern waren, die auch die jeweiligen Netze kontrollierten, bestehe bis heute das Risiko, dass mit "der politischen Macht verbundene Unternehmen" bevorzugt behandelt würden, so das EuGH. Die Richtlinien schreiben aber vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden unabhängig von öffentlichen oder privaten Interessen sein müssen.
"Ausreichende Transparenz" nötig
Der Referentenentwurf zur Änderung des EnWG sieht nun vor, der Politik den Einfluss zu entziehen. Die bislang normative Regulierung soll durch sogenannte "Festlegungskompetenzen" der Bundesnetzagentur ersetzt werden. Damit wird der Anspruch an die Bundesnetzagentur massiv erhöht. "Diese Kompetenzausweitung haben wir uns nicht gewünscht", kommentierte Schütte. "Wir werden sie aber sorgfältig und gewissenhaft umsetzen. Das wird eine große Herausforderung." Denn es sei "ausreichende Transparenz" herzustellen. Den Gerichten müsse eine umfassende Prüfung der jeweiligen Entscheidung ermöglicht und die Begründungen müssen im Internet veröffentlicht werden. "Die Bedeutung der Rechtsprechung wird zunehmen", so Schütte.
Der Referentenentwurf enthalte gute Ansätze, kommentierte Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen VKU. Es falle viel politische Arbeit weg, da die Entscheidungen jetzt nicht mehr der Politik lägen, sondern ausschließlich bei der Bundesnetzagentur. Auf der anderen Seite enthalte die Neufassung der Regulierung keinen "vorausschauenden Netzausbau". Diesen ohne politische Unterstützung zu verhandeln, werde "mühselig und schwierig", so Liebing.
Er hoffe darauf, dass die politischen Programmsätze und Zielvorstellungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien in das EnWG hineingeschrieben werden, wie es der Referentenentwurf vorsehe. "Dann haben wir einen Ansatz gegenüber der Bundesnetzagentur und können auf die gesetzliche Grundlage zu verweisen, um den vorausschauenden Netzausbau einzufordern."
Alte Verordnungen bleiben übergangsweise bestehen
Übergangsweise bleiben die alten Verordnungen erhalten − mindestens bis 2025, spätestens bis 2028. Danach werden sie vollständig aufgehoben. In der Übergangszeit erhält die Bundesnetzagentur noch die Möglichkeit, aus ihrer Sicht änderungsbedürftige Regelungen der Rechtsverordnungen zu diskutieren. Es werde also ein reger Austausch stattfinden, kündigte Schütte von der Bundesnetzagentur an.
Es werde um Fragen der Transparenz gehen, der Flexibilität, der Zuverlässigkeit, um Kosten, Anreize und die Beschleunigung der behördlichen Prozesse. Und um Komplexitätsreduzierung, um den Zugang zu den Strom und Gasnetzen niedrigschwelliger zu gestalten: "Es wird eine spannende Frage, wo wir noch Vereinfachungspotenziale heben können", so Schütte. Man kann ihm nur zustimmen.
Dienstag, 9.05.2023, 14:08 Uhr
Mirko Heinemann
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