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Energie & Management > Politik - Reduzierter Steuersatz auf Gas und Fernwärme beschlossen
Quelle: Shutterstock / canadastock
Politik

Reduzierter Steuersatz auf Gas und Fernwärme beschlossen

Breite Unterstützung und vehemente Kritik hat die Ampelkoalition dafür geerntet, den Mehrwertsteuersatz für Gas und Fernwärme auf 7 % abzusenken. Im Bundestag gab es keine Gegenstimmen.
In seltener Einmütigkeit haben die verschiedenen politischen Lager sich hinter Maßnahmen der Bundesregierung gestellt, den steigenden Energiepreise Herr zu werden. Ohne Gegenstimmen beschloss der Bundestag am 30. September ein Gesetz, das den Mehrwertsteuersatz für Gaslieferungen einschließlich Fernwärme ab dem 1. Oktober von 19 % auf 7 % absenkt. Lediglich die Fraktion der Linken enthielt sich.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) sieht im reduzierten Steuersatz ein Mittel, um den steigenden Gaspreis zu begegnen. Mit der geminderten Steuerlast, die bis Ende März 2024 gelten soll, leiste der Staat einen Beitrag, um Unternehmen und Privathaushalte vor zu hohen Belastungen zu schützen. Dennoch würden die Menschen die bereits eingetretene Teuerung zu spüren bekommen.

Die Bundesregierung rechnet durch die reduzierte Steuer mit Mindereinnahmen von 13 Mrd. Euro, davon entfallen 2,1 Mrd. Euro auf die kurzfristig einbezogene Steuerentlastung für Fernwärme. Diese Beträge sind Teil der neuen Entlastungspläne, die die Spitzen der Koalition am Vortag bekannt gegeben hatten. Das „Abwehrschirm“ getaufte Maßnahmenpaket hat einen Umfang von 200 Mrd. Euro. Über diesen Wirtschaftsstabilitätsfonds überweist der Staat auch jene 34 Mrd. Euro an die Gasimporteure, die eigentlich von den Verbrauchern über die nun gekappte Gasumlage gezahlt werden sollten.

Union warnt wegen hoher Preise vor effektiv höherer Steuerlast

Die Opposition ging trotz der abschließenden Zustimmung hart mit der Regierung ins Gericht. Als „Chaos“ brandmarkten etwa Alois Rainer (CSU), Vorsitzender des Finanzausschusses, und Christian Leye, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linken, das Vorgehen der Ampelkoalition in dieser Woche. Zielscheibe der Kritik war dabei, dass die Gasumlage nur einen Tag vor ihrem Inkrafttreten beerdigt wurde.

Für die Union sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg, die Umsatzsteuersenkung hätte viel früher kommen können, CDU/CSU hätten sie schließlich bereits im Februar beantragt. Jetzt müsse sie als Notlösung herhalten, um statt zusätzlicher Belastungen durch die Gasumlage eine Entlastung zu erreichen. Alle Entscheidungen der letzten Tage basierten auf der Gasumlage. „Sie ist Mist, untauglich und eine Fehlkonstruktion“, so Middelberg wörtlich.

Ob der niedrigere Steuersatz überhaupt einen Effekt hat, versah Middelberg mit großen Fragezeichen. Wer auf 1.000 Euro für billiges Gas früher 190 Euro bei vollem Steuersatz bezahlt habe, stelle sich aufgrund der gestiegenen Gaspreise vermutlich schlechter. Denn die Teuerung um mindestens das Dreifache (auf 3.000 Euro) lasse die Steuerlast beim Satz von 7 % auf effektiv 210 Euro ansteigen.

"Doppelwumms ist ein Schuldenwumms"

Das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als „Doppelwumms“ gerühmte Milliardenpaket sei „nichts anderes als ein Schuldenwumms“, so Middelberg. Wie die Details für die angekündigte Deckelung von Strom- und Gaspreisen aussehen, sei völlig unklar.

Tatsächlich erwartet die Bundesregierung etwa Mitte Oktober Vorschläge einer Expertenkommission zur konkreten Ausgestaltung. Für Gas ist vorgesehen, für den Verbrauch ein Budget zu subventionierten Preisen festzulegen. Für das darüber hinaus Gehende sollen Marktpreise zu zahlen sein. Zu den Möglichkeiten eines Gaspreisdeckels gebe es bereits in etlichen Nachbarstaaten Modelle, die Berlin sich abschauen könne, monierte Alois Rainer (CSU).

Beim Strom soll der Deckel durch abgeschöpfte Übergewinne von Versorgern finanziert werden, die besonders durch den vom verteuerten Gas getriebenen Strompreis profitierten. Diesen Merit-Order-Effekt will Rainer an der Wurzel packen. „Wir müssen in der EU das Strommarktdesign ändern“, forderte er mit Blick auf die laufenden Abstimmungen in Brüssel.

Um den Strompreis zu dämpfen, müsse Deutschland alle verfügbaren Kraftwerke ans Netz bringen. Das bedeute auch das Weiterlaufen aller drei Atomkraftwerke, von denen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nur die beiden in Süddeutschland im „Streckbetrieb“ belassen will. Rainer brachte Habecks Haltung zum KKW Emsland im niedersächsischen Lingen in Beziehung zu der am 9. Oktober anstehenden Landtagswahl in Niedersachsen: „Wer weiß, was nach der Wahl hier noch kommt.“

Gleichzeitig verabschiedete das Parlament die Steuerbefreiung einer Einmalzahlung von Arbeitgebern an ihre Beschäftigten. Bei Überweisungen von bis zu 3.000 Euro hält der Staat sich heraus. Für die Opposition kritisierte Alois Rainer, dass die Regierung sich „mit fremden Federn schmückt“. Die Inflationsausgleichsprämie hätten Betriebe zu zahlen, die ohnehin schon hohe Energiekosten zu bewältigen hätten. Viele Unternehmen könnten das Geld also gar nicht aufbringen.

Für die SPD konterte Finanzpolitiker Tim Klüssendorf, die Dax-Unternehmen hätten ihren Vorständen im vergangenen Jahr Gehaltsaufschläge von im Schnitt 25 % genehmigt. Es müsse nun auch Geld für die breite Belegschaft da sein. „Wir lösen das Versprechen ein, in der Krise niemanden allein zu lassen“, so Klüssendorf.

Freitag, 30.09.2022, 14:45 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Politik - Reduzierter Steuersatz auf Gas und Fernwärme beschlossen
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Politik
Reduzierter Steuersatz auf Gas und Fernwärme beschlossen
Breite Unterstützung und vehemente Kritik hat die Ampelkoalition dafür geerntet, den Mehrwertsteuersatz für Gas und Fernwärme auf 7 % abzusenken. Im Bundestag gab es keine Gegenstimmen.
In seltener Einmütigkeit haben die verschiedenen politischen Lager sich hinter Maßnahmen der Bundesregierung gestellt, den steigenden Energiepreise Herr zu werden. Ohne Gegenstimmen beschloss der Bundestag am 30. September ein Gesetz, das den Mehrwertsteuersatz für Gaslieferungen einschließlich Fernwärme ab dem 1. Oktober von 19 % auf 7 % absenkt. Lediglich die Fraktion der Linken enthielt sich.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) sieht im reduzierten Steuersatz ein Mittel, um den steigenden Gaspreis zu begegnen. Mit der geminderten Steuerlast, die bis Ende März 2024 gelten soll, leiste der Staat einen Beitrag, um Unternehmen und Privathaushalte vor zu hohen Belastungen zu schützen. Dennoch würden die Menschen die bereits eingetretene Teuerung zu spüren bekommen.

Die Bundesregierung rechnet durch die reduzierte Steuer mit Mindereinnahmen von 13 Mrd. Euro, davon entfallen 2,1 Mrd. Euro auf die kurzfristig einbezogene Steuerentlastung für Fernwärme. Diese Beträge sind Teil der neuen Entlastungspläne, die die Spitzen der Koalition am Vortag bekannt gegeben hatten. Das „Abwehrschirm“ getaufte Maßnahmenpaket hat einen Umfang von 200 Mrd. Euro. Über diesen Wirtschaftsstabilitätsfonds überweist der Staat auch jene 34 Mrd. Euro an die Gasimporteure, die eigentlich von den Verbrauchern über die nun gekappte Gasumlage gezahlt werden sollten.

Union warnt wegen hoher Preise vor effektiv höherer Steuerlast

Die Opposition ging trotz der abschließenden Zustimmung hart mit der Regierung ins Gericht. Als „Chaos“ brandmarkten etwa Alois Rainer (CSU), Vorsitzender des Finanzausschusses, und Christian Leye, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linken, das Vorgehen der Ampelkoalition in dieser Woche. Zielscheibe der Kritik war dabei, dass die Gasumlage nur einen Tag vor ihrem Inkrafttreten beerdigt wurde.

Für die Union sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg, die Umsatzsteuersenkung hätte viel früher kommen können, CDU/CSU hätten sie schließlich bereits im Februar beantragt. Jetzt müsse sie als Notlösung herhalten, um statt zusätzlicher Belastungen durch die Gasumlage eine Entlastung zu erreichen. Alle Entscheidungen der letzten Tage basierten auf der Gasumlage. „Sie ist Mist, untauglich und eine Fehlkonstruktion“, so Middelberg wörtlich.

Ob der niedrigere Steuersatz überhaupt einen Effekt hat, versah Middelberg mit großen Fragezeichen. Wer auf 1.000 Euro für billiges Gas früher 190 Euro bei vollem Steuersatz bezahlt habe, stelle sich aufgrund der gestiegenen Gaspreise vermutlich schlechter. Denn die Teuerung um mindestens das Dreifache (auf 3.000 Euro) lasse die Steuerlast beim Satz von 7 % auf effektiv 210 Euro ansteigen.

"Doppelwumms ist ein Schuldenwumms"

Das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als „Doppelwumms“ gerühmte Milliardenpaket sei „nichts anderes als ein Schuldenwumms“, so Middelberg. Wie die Details für die angekündigte Deckelung von Strom- und Gaspreisen aussehen, sei völlig unklar.

Tatsächlich erwartet die Bundesregierung etwa Mitte Oktober Vorschläge einer Expertenkommission zur konkreten Ausgestaltung. Für Gas ist vorgesehen, für den Verbrauch ein Budget zu subventionierten Preisen festzulegen. Für das darüber hinaus Gehende sollen Marktpreise zu zahlen sein. Zu den Möglichkeiten eines Gaspreisdeckels gebe es bereits in etlichen Nachbarstaaten Modelle, die Berlin sich abschauen könne, monierte Alois Rainer (CSU).

Beim Strom soll der Deckel durch abgeschöpfte Übergewinne von Versorgern finanziert werden, die besonders durch den vom verteuerten Gas getriebenen Strompreis profitierten. Diesen Merit-Order-Effekt will Rainer an der Wurzel packen. „Wir müssen in der EU das Strommarktdesign ändern“, forderte er mit Blick auf die laufenden Abstimmungen in Brüssel.

Um den Strompreis zu dämpfen, müsse Deutschland alle verfügbaren Kraftwerke ans Netz bringen. Das bedeute auch das Weiterlaufen aller drei Atomkraftwerke, von denen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nur die beiden in Süddeutschland im „Streckbetrieb“ belassen will. Rainer brachte Habecks Haltung zum KKW Emsland im niedersächsischen Lingen in Beziehung zu der am 9. Oktober anstehenden Landtagswahl in Niedersachsen: „Wer weiß, was nach der Wahl hier noch kommt.“

Gleichzeitig verabschiedete das Parlament die Steuerbefreiung einer Einmalzahlung von Arbeitgebern an ihre Beschäftigten. Bei Überweisungen von bis zu 3.000 Euro hält der Staat sich heraus. Für die Opposition kritisierte Alois Rainer, dass die Regierung sich „mit fremden Federn schmückt“. Die Inflationsausgleichsprämie hätten Betriebe zu zahlen, die ohnehin schon hohe Energiekosten zu bewältigen hätten. Viele Unternehmen könnten das Geld also gar nicht aufbringen.

Für die SPD konterte Finanzpolitiker Tim Klüssendorf, die Dax-Unternehmen hätten ihren Vorständen im vergangenen Jahr Gehaltsaufschläge von im Schnitt 25 % genehmigt. Es müsse nun auch Geld für die breite Belegschaft da sein. „Wir lösen das Versprechen ein, in der Krise niemanden allein zu lassen“, so Klüssendorf.

Freitag, 30.09.2022, 14:45 Uhr
Volker Stephan

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