Quelle: E&M
Der Startschuss zum Marathon der Wärmewende ist gefallen. Den langen Weg zu einer möglichen Ziellinie beschreiben Juliane Kaspers und Roland Monjau*.
Es stehen nun alle Zeichen auf Erhöhung der Energieeffizienz und der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Das Rennen hat aber nicht nur für die klassische Wärmeinfrastruktur in der Fernwärmeversorgung, sondern gleichermaßen für die dezentrale Wärmeversorgung begonnen. Gelingen soll die Wärmewende durch das Drehen an verschiedensten Stellschrauben wie ambitionierteren ordnungsrechtlichen Vorgaben, der Bepreisung von CO2 beim Einsatz von fossilen Brennstoffen auch außerhalb des europäischen Emissionshandels sowie umfangreichen Förderprogrammen wie beispielsweise der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) und der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG).
Mit der Einführung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG), das fossile Brennstoffe mit einem CO2-Preis belegt, haben sich die in der Wärmeversorgung vornehmlich verwendeten fossilen Brennstoffe, vor allem Erdgas, bereits verteuert. Ein Trend, der durch die aktuellen politischen Entwicklungen zusätzlich befeuert wird.
Gleichzeitig wird der Markteintritt von erneuerbaren Energien in der Wärmeerzeugung durch die Bereitstellung umfangreicher Fördermittel vorangetrieben. So werden sowohl erneuerbare Wärmeerzeuger als auch die Transformation von Bestandsnetzen und der Neubau von Netzen mit hohem Anteil an erneuerbaren Energien zukünftig über die BEW gefördert und damit wirtschaftlich deutlich attraktiver. Im Gebäudebereich und bei Gebäudenetzen stehen bereits aus der BEG Fördermittel in großem Umfang zum Abruf bereit. Dies geschieht in einem Ausmaß, dass politische Stimmen bereits davon ausgehen, dass die Fördertöpfe eine geringere Haltbarkeit als ein Pfund Butter haben werden. Keine gute Aussicht für ein Langstreckenrennen.
Bleibt noch das Ordnungsrecht: Nachdem die letzten Novellierungen des Gebäudeenergiegesetzes eher homöopathische Eingriffe in die Anforderungen vor allem an den Gebäudebestand vorsahen, sollen und müssen nun die Vorgaben für alle Gebäude deutlich ambitionierter werden.
Um weitere Effizienzpotenziale zu realisieren, bestehen seit einigen Monaten in der Wärmeversorgung umfangreiche Informationspflichten − im Hinblick auf die Wärmeverbräuche, aber auch bezüglich der „Qualität“ der Wärmeversorgung. Die eingesetzten Energieträger, Treibhausgasemissionen und die Anteile erneuerbarer Energien sind nämlich nunmehr detailliert auszuweisen. So rücken die Erzeugungsstruktur und damit einhergehende Brennstoffemissionen in den Vordergrund und sind vertrieblich nicht zu unterschätzende Kriterien bei der Auswahl der Wärmeversorgung.
Zumindest für die Fernwärme könnte es jedoch nun einen neuen vertrieblichen Anreiz durch die geplante begrenzte Umlagefähigkeit von CO2-Kosten im Mietverhältnis geben. Im aktuellen Referentenentwurf für ein Gesetz für die Aufteilung der Kohlendioxidkosten ist nämlich vorgesehen, dass die anspruchsvolle Aufteilung von CO2-Kosten zwischen Vermieter und Mieter nur für eine Versorgung aus Wärmenetzen gelten soll, die ausschließlich Brennstoffe, die dem BEHG unterfallen, einsetzen. Für Fernwärmenetze, die häufig auch aus Anlagen gespeist werden, die dem europäischen Emissionshandel unterfallen, ein echter Wettbewerbsvorteil.
Trotz positiver Entwicklungen bestehen noch einige Hindernisse im geltenden Rechtsrahmen. Denn obwohl viele Wärmeversorger bereits in den Startlöchern stehen, die Transformation der Wärmeversorgung anzugehen, ist die Bundesregierung mit der BEW viel zu spät dran. Aufgrund der langwierigen Verhandlungen mit der EU-Kommission ist hier kostbare Zeit verloren gegangen.
Ein weiteres Hemmnis auf dem Weg zur Dekarbonisierung sind die eingeschränkten Möglichkeiten der Wärmeversorger, ihre Wärmepreise nachzuziehen, wenn sie ihre Erzeugungsstruktur umgestalten. Hatte der Verordnungsgeber zunächst der einseitigen Änderung von Preisänderungsklauseln einen Riegel vorgeschoben, ist nun durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Möglichkeit zur einseitigen Änderung von unwirksamen Preisänderungsklauseln bejaht hat, zwar etwas Entspannung eingetreten. Bei explodierenden Gaspreisen und erheblichen Investitionskosten bei der Umstellung auf erneuerbare Energien ist dies gewiss aber nur ein schwacher Trost.
Auch die Anforderung der Kostenneutralität bei der erstmaligen Umstellung auf eine gewerbliche Wärmelieferung im Gebäudebestand, die noch bisherige Brennstoffkosten (bei günstigeren Gaspreisen und ohne CO2-Kosten) mit den zukünftigen Wärmelieferentgelten (mit hohen Brennstoff- oder Investitions- und CO2-Kosten) vergleicht, bleibt nach wie vor ein unüberwindbares Hindernis.
Um im Bild zu bleiben: Wir sind erst bei Kilometer fünf von 42 angelangt und haben noch nicht einmal über die kommende verpflichtende kommunale Wärmeleitplanung gesprochen, die den Wärmewendemarathon noch um einige Kurven und Steigungen auf der Strecke erweitert. Ganz zu schweigen von den nicht vorhandenen ordnungspolitischen Werkzeugen, mit denen die Wärmeleitplanungen umgesetzt werden sollen.
Positiv bleibt anzumerken, dass in Sachen Wärmewende spätestens seit dem Koalitionsvertrag der Startschuss gefallen ist und das große Teilnehmerfeld sich langsam in Bewegung setzt. Die Ziellinie des Marathons ist aber (jedenfalls noch) lange nicht in Sicht.
* Juliane Kaspers und Roland Monjau, Kanzlei Becker Büttner Held, Berlin
Dienstag, 12.07.2022, 09:15 Uhr
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