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Seit 1. März sind die Preisbremsen Pflicht. Doch die Wirtschaft kann die originär „hoheitliche Aufgabe“ des Staates längst nicht überall fristgerecht umsetzen.
Eigentlich sollte die Preisbremsen schon überall funktionieren, nun aber hilft sogar ihr Konstrukteur nach: Zum 1.
März hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) eine kostenfreie Telefonhotline zur Beratung gestartet. Gedacht ist der heiße Draht nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Energieversorger. Beraten werde "auch über die allgemeinen Fragen zur Abschöpfung von Zufallsgewinnen im Rahmen der Strompreisbremse, damit betroffene Anlagenbetreiber eine möglichst vollständige und korrekte Eigenerklärung abgeben", heißt es. "Die Preisbremsen sind einfach und pauschal. Mit diesem Angebot einer Telefonhotline wollen wir es noch einfacher machen, die Entlastungen und Energieeinsparanreize der Strompreis-, Gaspreis- und Wärmepreisbremse zu verstehen", sagt der parlamentarische Staatssekretär Stefan Wenzel.
Von "einfach" ist bei Energieversorgern mitnichten die Rede. Viele stoßen, wie es der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) formuliert, bei der Umsetzung der Gesetze "personell an die Grenze des Machbaren". Und so mancherorts klemmt es auch noch – der IT wegen.
Softwarehaus muss noch IT-Modul liefernIn Bremen lässt der Eingriff in die Informationstechnik an Chirurgie denken: "Das ist Arbeit am offenen Herzen", sagt eine Sprecherin der SWB AG, ehemals Stadtwerke Bremen. Für die Preisbremse müssen "in laufende Prozesse neue Anforderungen implementiert werden", erklärt sie. Dafür sei eigens ein IT-Modul erforderlich. Doch "ein solches Modul gab es bisher überhaupt nicht."
Bis Ende Februar habe SWB nur einen Teil des neuen Moduls erhalten. Das Softwarehaus, das deutschlandweit Kunden in der Energieversorgungsbranche hat, sei noch am Ausliefern. Dem Versorger sind daher gleichsam die Hände gebunden: "Beispielsweise können wir die Kundinnen und Kunden, die durch die Preisbremse entlastet werden sollen, im Moment noch nicht aus der Datenbank selektieren und informieren", so die Sprecherin des Konzerns.
So groß der Aufwand, so klein erscheint der Effekt der Preisbremsen in Bremen und Bremerhaven. "Unsere Stromkunden sind alle nicht betroffen, unsere Strompreise liegen knapp fünf Cent unter dem Preisdeckel." Von Gaskunden bekämen etwa die Hälfte die staatliche Hilfe zu spüren, allerdings liegen die Erdgaspreise nur wenig über dem Preisdeckel von 12
Cent. Die durchschnittliche Entlastung für Haushalte mit einem Jahresverbrauch von 18.000
kWh beziffert SWB auf rund 8
Euro pro Monat.
Elektroindustrie fordert erweiterte RegelungenWie viele Energieversorger das staatliche Bremsmanöver nicht zum 1. März haben vollständig umsetzen können, dazu gibt es keine Schätzungen. Der BDEW sah den Starttermin bereits im Dezember kritisch. Inzwischen ist klar: "Die Summe der Feinheiten und Verästelungen, die es in der IT abzubilden gilt, ist das Hauptproblem", wie eine BDEW-Sprecherin erklärt.
Der Verband hält die Energiepreisbremsen in der Umsetzung für viel zu kompliziert und kritisiert, dass der Staat die Unternehmen in die Pflicht nimmt. "Wir haben eine hoheitliche Aufgabe übernommen, die Entlastung der Menschen, und das muss einmalig bleiben", so BDEW-Chefin Kerstin Andreae. "Es ist originäre Aufgabe des Staates für die Entlastung der Menschen zu sorgen."
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie warnt vor einem Bremseffekt für die Energiewende und stellt sich erweiterte gesetzliche Regelungen vor: "Die Strompreisbremse muss ein deutliches Signal für den Umstieg auf den zunehmend grünen Strom hierzulande setzen, statt Elektrifizierungsmaßnahmen finanziell schlechter zu stellen", moniert jetzt ZVEI-Geschäftsführer Wolfgang Weber. Er fordert, dass alle Maßnahmen "in die Jahresverbrauchprognose aufgenommen" werden und nennt als Beispiel private Ladepunkte für Elektroautos. Zudem stößt sich der ZVEI an der Stichtagsregelung zur Erlösabschöpfung bei Power-Purchase-Agreements (PPA).
Kartellamt plant "konkrete Ermittlungsmaßnahmen"Das Bundeskartellamt hat seine Strategie zur Verhinderung des Missbrauchs der Energiepreisbremsen inzwischen offenbar weitgehend erarbeitet. "Wir kommen sehr gut voran und haben bereits mit der Umsetzung der Missbrauchsverbote begonnen. Insbesondere die Planungen von konkreten Ermittlungsmaßnahmen sind bereits weit fortgeschritten", erklärt Behördenchef Andreas Mundt auf Anfrage der Redaktion.
Der Chef der neuen Abteilung beim Bundeskartellamt, Carsten Becker, bringt die Aufgabenstellung so auf den Punkt: "Gegenstand der Preisbremsen-Missbrauchsaufsicht ist die Überprüfung einer sachgerechten Inanspruchnahme staatlicher Subventionen durch Energielieferanten." Bis die ersten Auswertungen beginnen, dürfte es noch dauern. Der Bund hat die Frist für Erstattungsanträge der Versorger bei Erdgas und Wärme für das erste Quartal bis zum 31.
März verlängert. Erst danach kann das Bundeskartellamt flächendeckend ersehen, welche Preis- und Mengen-Korrelationen vorliegen – und Verdachtsfälle erkennen.
Die kostenfreie Hotline für Fragen zu Preisbremsen und Erlösabschöpfung stellt das Bundeswirtschaftsministerium mit Hilfe der Deutschen Energieagentur Dena bereit. Telefonnummer: 0800-78 88 900.
Mittwoch, 1.03.2023, 16:34 Uhr
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