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Energie & Management > Gastbeitrag - Praktische Transformation der Wärmenetze
Quelle: E&M
Gastbeitrag

Praktische Transformation der Wärmenetze

Wie ein Forschungsprojekt helfen soll, dass die Transformation der Wärmenetze an Fahrt aufnehmen kann, erklären Patrick Dirr und Professor Markus Brautsch* in einem Gastbeitrag.
Zum 1. Januar 2021 ist das Bayerische Klimaschutzgesetz (BayKlimaG) in Kraft getreten. Ziel ist es, bis spätestens 2050 klimaneutral zu sein. Bis 2030 sollen die THG-Emissionen in Bayern um mindestens 55 % und damit auf unter fünf Tonnen pro Kopf gesenkt werden. Zudem soll bis 2030 die bayerische Staatsverwaltung klimaneutral sein. Die bayerische Landesregierung wiederum hat es sich zum Ziel gesetzt, bereits im Jahr 2040 treibhausgasneutral zu sein. Einzelne Kommunen in Bayern hingegen streben sogar bereits das Jahr 2035 an. Nun stehen Politik und Praxis jedoch vor der Frage, wie die ambitionierten Ziele erreicht werden können.

Die Politik will hierbei die Motivation durch finanzielle Anreize schaffen, in dem einerseits durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz die Bepreisung fossiler Energieträger auch im Gebäudesektor verteuert werden. Andererseits werden durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) hohe zusätzliche Fördersummen ermöglicht, wenn der erneuerbare Wärmeanteil (EE-Wärme) mindestens 55 % beträgt. Das Problem ist jedoch, dass diese Förderung der Investor erhält und die technischen Anforderungen auf der Seite des Wärmenetzbetreibers liegen, welcher den EE-Wärmeanteil zur Verfügung stellen muss.

Aus der Sicht der Wärmenetzbetreiber bedeutet dies häufig einen Paradigmenwechsel, da vorher noch der Primärenergiefaktor das entscheidende ökologische Kriterium war. Hier war besonders die Kraft-Wärme-Kopplung durch Blockheizkraftwerke vorteilhaft, da hier auch die Brennstoffausnutzung besonders effizient ist. Wärmenetze sind in der Regel historisch gewachsene Strukturen, die häufig innerhalb dichter Bebauung verlegt sind und deren Heizzentralen nicht so einfach umgerüstet werden können. Zudem stellt sich auch die Frage des zukünftigen Wärmeerzeugers und der Wärmequelle, da die Umstellung vorhandener BHKW von Erdgas auf Biomethan zu erheblichen Preissteigerungen führen kann.

Auch hierfür wurden bereits erste politische Signale mit dem Entwurf zur Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) vom 18. August 2021 gesetzt. Nach aktuellem Stand soll der Betreiber neben der Investitionskostenförderung auch eine Betriebskostenförderung für Solarthermieanlagen und Wärmepumpen für zehn Jahre erhalten. Die Betriebskostenförderung der Wärmepumpe kann je nach Anwendungsfall bis zu 90 % der Stromkosten betragen. Dadurch soll die Wirtschaftlichkeitslücke gegenüber konventionellen Technologien geschlossen werden.

Der Wärmenetzbetreiber steht nun aber vor der Herausforderung der Umstellung der bisherigen Erdgas-dominierten Wärmeversorgung mittels BHKW auf erneuerbare Wärme etwa mittels Solarthermie und Wärmepumpe. Eine Frage hierbei ist unter anderem, welche Wärmequelle für die Wärmepumpe die optimale ist. Vor allem in dicht besiedelten Gebieten ist die Nutzung einer Geothermie-Wärmepumpe aufgrund des Platzbedarfs oder einer Luft-Wasser-WP aufgrund der Schallemissionen nur schwer realisierbar. Die Nutzung von Wärme aus Fluss- oder Abwasser wäre eine weitere denkbare Option, welche in der Regel neben dem notwendigen Know-how auch hohe Investitionskosten bedeuten. Auch Biomasse bleibt weiterhin eine Option zur Versorgung von Wärmenetzen. Hier wird jedoch bereits für große Wärmenetze ein maximaler relativer Anteil vorgegeben, um die natürlich begrenzte Ressource Biomasse zu schonen.

Diese und viele weitere Fragen beschäftigen zahlreiche kleine und große Wärmenetzbetreiber. Hierfür hat das Institut für Energietechnik IfE GmbH an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden zum 1. Januar 2021 das Forschungsprojekt "Zukunftsfähige Wärmenetze 2050" mit elf Wärmenetzbetreibern als assoziierte Partner gestartet, welches durch das bayerische Wirtschaftsministerium gefördert wird.

Im Rahmen des Forschungsprojektes sollen verschiedene Fragen für die praktische Transformation der leitungsgebundenen Wärmeversorgung vor allem für kleine und mittlere Wärmenetze untersucht werden. Hierzu zählen neben der Übertragung von Best-Practice-Technologien, welche in Wärmenetzen der neuesten Generation eingesetzt werden, zudem auch die Analyse der Infrastrukturen für die Einbindung der erforderlichen erneuerbaren Wärmemengen über mehrere Jahrzehnte bis zur vollständigen Klimaneutralität. Hierzu sollen entsprechende digitale Tools aufgebaut und genutzt werden wie geoinformationsbasierte Anwendung für die Analyse des großflächigen Gebietsumgriffs, hydraulische Modelle der Netze für die Netzoptimierung und energetische Modelle zur Simulation und Optimierung des Betriebs der Aggregate.

Nun wird sich zeigen, wann die politischen Rahmenbedingungen in Kraft treten werden und ausreichend Sicherheit für die Entscheidung in neue grüne, aber auch zunächst teurere Technologien bieten. Die Wärmenetzbetreiber stehen jedenfalls bereit und werden die relevanten Entscheidungen treffen.

*Professor Markus Brautsch, Geschäftsführer am Institut für Energietechnik IfE GmbH an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden, und Patrick Dirr, Projektleiter Energietechnik im Bereich Energiemanagement & Innovation am IfE

Freitag, 12.11.2021, 09:18 Uhr
Redaktion
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Quelle: E&M
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Praktische Transformation der Wärmenetze
Wie ein Forschungsprojekt helfen soll, dass die Transformation der Wärmenetze an Fahrt aufnehmen kann, erklären Patrick Dirr und Professor Markus Brautsch* in einem Gastbeitrag.
Zum 1. Januar 2021 ist das Bayerische Klimaschutzgesetz (BayKlimaG) in Kraft getreten. Ziel ist es, bis spätestens 2050 klimaneutral zu sein. Bis 2030 sollen die THG-Emissionen in Bayern um mindestens 55 % und damit auf unter fünf Tonnen pro Kopf gesenkt werden. Zudem soll bis 2030 die bayerische Staatsverwaltung klimaneutral sein. Die bayerische Landesregierung wiederum hat es sich zum Ziel gesetzt, bereits im Jahr 2040 treibhausgasneutral zu sein. Einzelne Kommunen in Bayern hingegen streben sogar bereits das Jahr 2035 an. Nun stehen Politik und Praxis jedoch vor der Frage, wie die ambitionierten Ziele erreicht werden können.

Die Politik will hierbei die Motivation durch finanzielle Anreize schaffen, in dem einerseits durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz die Bepreisung fossiler Energieträger auch im Gebäudesektor verteuert werden. Andererseits werden durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) hohe zusätzliche Fördersummen ermöglicht, wenn der erneuerbare Wärmeanteil (EE-Wärme) mindestens 55 % beträgt. Das Problem ist jedoch, dass diese Förderung der Investor erhält und die technischen Anforderungen auf der Seite des Wärmenetzbetreibers liegen, welcher den EE-Wärmeanteil zur Verfügung stellen muss.

Aus der Sicht der Wärmenetzbetreiber bedeutet dies häufig einen Paradigmenwechsel, da vorher noch der Primärenergiefaktor das entscheidende ökologische Kriterium war. Hier war besonders die Kraft-Wärme-Kopplung durch Blockheizkraftwerke vorteilhaft, da hier auch die Brennstoffausnutzung besonders effizient ist. Wärmenetze sind in der Regel historisch gewachsene Strukturen, die häufig innerhalb dichter Bebauung verlegt sind und deren Heizzentralen nicht so einfach umgerüstet werden können. Zudem stellt sich auch die Frage des zukünftigen Wärmeerzeugers und der Wärmequelle, da die Umstellung vorhandener BHKW von Erdgas auf Biomethan zu erheblichen Preissteigerungen führen kann.

Auch hierfür wurden bereits erste politische Signale mit dem Entwurf zur Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) vom 18. August 2021 gesetzt. Nach aktuellem Stand soll der Betreiber neben der Investitionskostenförderung auch eine Betriebskostenförderung für Solarthermieanlagen und Wärmepumpen für zehn Jahre erhalten. Die Betriebskostenförderung der Wärmepumpe kann je nach Anwendungsfall bis zu 90 % der Stromkosten betragen. Dadurch soll die Wirtschaftlichkeitslücke gegenüber konventionellen Technologien geschlossen werden.

Der Wärmenetzbetreiber steht nun aber vor der Herausforderung der Umstellung der bisherigen Erdgas-dominierten Wärmeversorgung mittels BHKW auf erneuerbare Wärme etwa mittels Solarthermie und Wärmepumpe. Eine Frage hierbei ist unter anderem, welche Wärmequelle für die Wärmepumpe die optimale ist. Vor allem in dicht besiedelten Gebieten ist die Nutzung einer Geothermie-Wärmepumpe aufgrund des Platzbedarfs oder einer Luft-Wasser-WP aufgrund der Schallemissionen nur schwer realisierbar. Die Nutzung von Wärme aus Fluss- oder Abwasser wäre eine weitere denkbare Option, welche in der Regel neben dem notwendigen Know-how auch hohe Investitionskosten bedeuten. Auch Biomasse bleibt weiterhin eine Option zur Versorgung von Wärmenetzen. Hier wird jedoch bereits für große Wärmenetze ein maximaler relativer Anteil vorgegeben, um die natürlich begrenzte Ressource Biomasse zu schonen.

Diese und viele weitere Fragen beschäftigen zahlreiche kleine und große Wärmenetzbetreiber. Hierfür hat das Institut für Energietechnik IfE GmbH an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden zum 1. Januar 2021 das Forschungsprojekt "Zukunftsfähige Wärmenetze 2050" mit elf Wärmenetzbetreibern als assoziierte Partner gestartet, welches durch das bayerische Wirtschaftsministerium gefördert wird.

Im Rahmen des Forschungsprojektes sollen verschiedene Fragen für die praktische Transformation der leitungsgebundenen Wärmeversorgung vor allem für kleine und mittlere Wärmenetze untersucht werden. Hierzu zählen neben der Übertragung von Best-Practice-Technologien, welche in Wärmenetzen der neuesten Generation eingesetzt werden, zudem auch die Analyse der Infrastrukturen für die Einbindung der erforderlichen erneuerbaren Wärmemengen über mehrere Jahrzehnte bis zur vollständigen Klimaneutralität. Hierzu sollen entsprechende digitale Tools aufgebaut und genutzt werden wie geoinformationsbasierte Anwendung für die Analyse des großflächigen Gebietsumgriffs, hydraulische Modelle der Netze für die Netzoptimierung und energetische Modelle zur Simulation und Optimierung des Betriebs der Aggregate.

Nun wird sich zeigen, wann die politischen Rahmenbedingungen in Kraft treten werden und ausreichend Sicherheit für die Entscheidung in neue grüne, aber auch zunächst teurere Technologien bieten. Die Wärmenetzbetreiber stehen jedenfalls bereit und werden die relevanten Entscheidungen treffen.

*Professor Markus Brautsch, Geschäftsführer am Institut für Energietechnik IfE GmbH an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden, und Patrick Dirr, Projektleiter Energietechnik im Bereich Energiemanagement & Innovation am IfE

Freitag, 12.11.2021, 09:18 Uhr
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