E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Studien - PIK: Deutschland muss deutlich mehr Gas sparen
Quelle: Fotolia / JiSign
Studien

PIK: Deutschland muss deutlich mehr Gas sparen

Forschern des PIK zufolge reichen die geplanten Gaseinsparungen von 20 % nicht aus. Für Energiewirtschaft, Gebäude und Industrie haben sie konkrete Vorschläge.
Die grobe Obergrenze für den Erdgasverbrauch, wenn Deutschland unabhängig von russischen Gaslieferungen sein soll, liegt bei etwa 600 Mrd. kWh im Jahr. Die Zahl stammt aus dem Kurzdossier: "Deutschland auf dem Weg aus der Gaskrise – Wie sich Klimaschutz und Energiesouveränität vereinen lassen" des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), in dem mehr als 30 Fachleute des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kopernikus-Projekts "Ariadne" Wege aus der Gaskrise und hin zu Klimaschutz und Energiesouveränität aufzeigen.

Deutschland muss seinen Gasverbrauch demnach deutlich reduzieren: Um etwa 30 % im Vergleich zum Vorkrisenniveau. Den Verbrauch auf dieses Niveau zu senken, so die Forscher, erhöhe die geopolitische Resilienz Deutschlands und sei somit in der aktuellen Gaskrise der Kernbaustein zur kurzfristigen Wiedererlangung der Energiesouveränität.

Einberechnet in die Obergrenze von 600 Mrd. kWh/Jahr sind bereits die geplanten zusätzlichen Importe aus nicht-russischen Gasförderländern sowie die inländische Erdgasförderung von etwa 50 Mrd. kWh/Jahr. Ihr gegenüber stehen mittlere Netto-Importe nach Deutschland von 820 Mrd. kWh/Jahr Erdgas in 2017 bis 2021. Zwar sei es durchaus denkbar, dass Deutschland durch den Bezug von zusätzlichem Gas über die Nachbarländer auch ein höheres Angebot realisierte, so die Forscher. Ein weiteres Ausweiten des Gasangebots berge aber eine Reihe von Risiken. Insbesondere würde es zu einer weiteren Verknappung auf dem europäischen Gasmarkt, zu höheren Großhandelspreisen und stärkeren geopolitischen Abhängigkeiten von unsicheren Lieferländern führen. Es könnte auch weitere Investitionen in die Erdgasförderung weltweit befördern, was in Bezug auf die mittel- bis langfristigen Klimaziele kontraproduktiv sei.

​Mögliche Einsparpotenziale

Anhand von sechs Modellen und zwei grundlegenden Szenarien haben die Forscher mögliche Einsparpotentiale und Empfehlungen für die einzelnen Sektoren erarbeitet.

Für die Energiewirtschaft ermögliche in erster Linie die Verwirklichung der Ausbauziele erneuerbarer Energien und ein kurzfristig stärkerer Einsatz von Kohlekraftwerken, die teils aus der Reserve reaktiviert oder später als geplant stillgelegt werden, einen Rückgang der Gasverstromung bis 2023 um bis zu 50 % beziehungsweise bis 2025 um bis zu 80 %. Dabei hingen die Einsparmöglichkeiten auch von der Entwicklung der Stromnachfrage in Deutschland und dem Export in Nachbarländer sowie der Möglichkeit der tatsächlichen dauerhaften Reaktivierung der heutigen Reserveanlagen ab. So führe auch die gerade beschlossene Laufzeitverlängerung für zwei der drei verbliebenen Kernkraftwerke bis April 2023 vor allem zu zusätzlichen Stromexporten und senke die Klimagasemissionen, trage aber nur unwesentlich zu Gaseinsparungen in Deutschland bei.

Das größte Potenzial, um im Gebäudesektor den Gasverbrauch kurzfristig zu reduzieren, liege in einer Anpassung des Heizverhaltens der Menschen – beispielsweise durch Absenken der Raumtemperatur, bedarfsgerechtes Heizen und intelligente Steuerung. Zusammen mit einem beschleunigten Hochlauf von Wärmepumpen, dem Anschluss an Fern- und Nahwärmenetze und einer stärkeren energetischen Sanierung des Gebäudebestands ließen sich im Gebäudesektor bis 2023 gut 30 % des Gasbedarfs einsparen, so die Forscher.

Die Industrie könne kurz- bis mittelfristig in Teilen mit dem Wechsel auf andere Energieträger und Rohstoffe (Mineralölprodukte [Heizöl, LPG, Naphtha], Biomasse) reagieren. Eine beschleunigte Elektrifizierung der Dampfbereitstellung ermögliche es, den Gaseinsatz zu reduzieren. Auch mit Produktionsdrosselung und dem Import energieintensiver Vorprodukte (zum Beispiel Ammoniak) sei zu rechnen, insbesondere wenn das Vertrauen in den Energieträger Erdgas, als Brücke hin zu CO2-freien Produktionsprozessen, nachhaltig beschädigt werde. Bis 2025 könne sich der Gaseinsatz so um gut 50 % reduzieren.

Wie weit die Appelle zum Gassparen – die Bundesnetzagentur hat als Zielvorgabe 20 % Einsparungen ausgegeben – bereits Wirkung zeigen, ist indes noch nicht eindeutig absehbar. So veröffentlichte die Bundesnetzagentur am 20. Oktober Daten, denen zufolge der Gasverbrauch in der vergangenen Woche im Vergleich zu den gleichen Kalenderwochen der Jahre 2018 bis 2021 um 27 % gesunken ist − auf 1,75 Mrd. kWh/Tag. Dieser Wert beziehe sich auf den kompletten Gasverbrauch, also inklusive der Industriekonzerne. Betrachte man nur den Verbrauch der Haushalte und kleineren Firmen, so liege das Minus sogar bei 31 % auf 608 Mio. kWh/Tag.

Donnerstag, 20.10.2022, 17:19 Uhr
Katia Meyer-Tien
Energie & Management > Studien - PIK: Deutschland muss deutlich mehr Gas sparen
Quelle: Fotolia / JiSign
Studien
PIK: Deutschland muss deutlich mehr Gas sparen
Forschern des PIK zufolge reichen die geplanten Gaseinsparungen von 20 % nicht aus. Für Energiewirtschaft, Gebäude und Industrie haben sie konkrete Vorschläge.
Die grobe Obergrenze für den Erdgasverbrauch, wenn Deutschland unabhängig von russischen Gaslieferungen sein soll, liegt bei etwa 600 Mrd. kWh im Jahr. Die Zahl stammt aus dem Kurzdossier: "Deutschland auf dem Weg aus der Gaskrise – Wie sich Klimaschutz und Energiesouveränität vereinen lassen" des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), in dem mehr als 30 Fachleute des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kopernikus-Projekts "Ariadne" Wege aus der Gaskrise und hin zu Klimaschutz und Energiesouveränität aufzeigen.

Deutschland muss seinen Gasverbrauch demnach deutlich reduzieren: Um etwa 30 % im Vergleich zum Vorkrisenniveau. Den Verbrauch auf dieses Niveau zu senken, so die Forscher, erhöhe die geopolitische Resilienz Deutschlands und sei somit in der aktuellen Gaskrise der Kernbaustein zur kurzfristigen Wiedererlangung der Energiesouveränität.

Einberechnet in die Obergrenze von 600 Mrd. kWh/Jahr sind bereits die geplanten zusätzlichen Importe aus nicht-russischen Gasförderländern sowie die inländische Erdgasförderung von etwa 50 Mrd. kWh/Jahr. Ihr gegenüber stehen mittlere Netto-Importe nach Deutschland von 820 Mrd. kWh/Jahr Erdgas in 2017 bis 2021. Zwar sei es durchaus denkbar, dass Deutschland durch den Bezug von zusätzlichem Gas über die Nachbarländer auch ein höheres Angebot realisierte, so die Forscher. Ein weiteres Ausweiten des Gasangebots berge aber eine Reihe von Risiken. Insbesondere würde es zu einer weiteren Verknappung auf dem europäischen Gasmarkt, zu höheren Großhandelspreisen und stärkeren geopolitischen Abhängigkeiten von unsicheren Lieferländern führen. Es könnte auch weitere Investitionen in die Erdgasförderung weltweit befördern, was in Bezug auf die mittel- bis langfristigen Klimaziele kontraproduktiv sei.

​Mögliche Einsparpotenziale

Anhand von sechs Modellen und zwei grundlegenden Szenarien haben die Forscher mögliche Einsparpotentiale und Empfehlungen für die einzelnen Sektoren erarbeitet.

Für die Energiewirtschaft ermögliche in erster Linie die Verwirklichung der Ausbauziele erneuerbarer Energien und ein kurzfristig stärkerer Einsatz von Kohlekraftwerken, die teils aus der Reserve reaktiviert oder später als geplant stillgelegt werden, einen Rückgang der Gasverstromung bis 2023 um bis zu 50 % beziehungsweise bis 2025 um bis zu 80 %. Dabei hingen die Einsparmöglichkeiten auch von der Entwicklung der Stromnachfrage in Deutschland und dem Export in Nachbarländer sowie der Möglichkeit der tatsächlichen dauerhaften Reaktivierung der heutigen Reserveanlagen ab. So führe auch die gerade beschlossene Laufzeitverlängerung für zwei der drei verbliebenen Kernkraftwerke bis April 2023 vor allem zu zusätzlichen Stromexporten und senke die Klimagasemissionen, trage aber nur unwesentlich zu Gaseinsparungen in Deutschland bei.

Das größte Potenzial, um im Gebäudesektor den Gasverbrauch kurzfristig zu reduzieren, liege in einer Anpassung des Heizverhaltens der Menschen – beispielsweise durch Absenken der Raumtemperatur, bedarfsgerechtes Heizen und intelligente Steuerung. Zusammen mit einem beschleunigten Hochlauf von Wärmepumpen, dem Anschluss an Fern- und Nahwärmenetze und einer stärkeren energetischen Sanierung des Gebäudebestands ließen sich im Gebäudesektor bis 2023 gut 30 % des Gasbedarfs einsparen, so die Forscher.

Die Industrie könne kurz- bis mittelfristig in Teilen mit dem Wechsel auf andere Energieträger und Rohstoffe (Mineralölprodukte [Heizöl, LPG, Naphtha], Biomasse) reagieren. Eine beschleunigte Elektrifizierung der Dampfbereitstellung ermögliche es, den Gaseinsatz zu reduzieren. Auch mit Produktionsdrosselung und dem Import energieintensiver Vorprodukte (zum Beispiel Ammoniak) sei zu rechnen, insbesondere wenn das Vertrauen in den Energieträger Erdgas, als Brücke hin zu CO2-freien Produktionsprozessen, nachhaltig beschädigt werde. Bis 2025 könne sich der Gaseinsatz so um gut 50 % reduzieren.

Wie weit die Appelle zum Gassparen – die Bundesnetzagentur hat als Zielvorgabe 20 % Einsparungen ausgegeben – bereits Wirkung zeigen, ist indes noch nicht eindeutig absehbar. So veröffentlichte die Bundesnetzagentur am 20. Oktober Daten, denen zufolge der Gasverbrauch in der vergangenen Woche im Vergleich zu den gleichen Kalenderwochen der Jahre 2018 bis 2021 um 27 % gesunken ist − auf 1,75 Mrd. kWh/Tag. Dieser Wert beziehe sich auf den kompletten Gasverbrauch, also inklusive der Industriekonzerne. Betrachte man nur den Verbrauch der Haushalte und kleineren Firmen, so liege das Minus sogar bei 31 % auf 608 Mio. kWh/Tag.

Donnerstag, 20.10.2022, 17:19 Uhr
Katia Meyer-Tien

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.