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Energie & Management > Gasnetz - Opal-Urteil mit möglichen Folgen für Nord Stream 2
Bild: Shutterstock
Gasnetz

Opal-Urteil mit möglichen Folgen für Nord Stream 2

Die Gasleitung Opal darf nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von Gazprom wahrscheinlich nur teilweise genutzt werden. Das könnte Folgen für Nord Stream 2 haben.
Über die Pipeline "Opal" (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) wird russisches Gas aus der Pipeline Nord Stream 1 in das europäische Verbundnetz weitergeleitet. Der Betrieb der Opal wird vom russischen Energiekonzern Gazprom kontrolliert. Weil Gazprom eine marktbeherrschende Stellung in der EU hat, durfte er die Opal nach der Fertigstellung 2011 zunächst nur zur Hälfte nutzen. Die andere Hälfte der Leitungskapazität sollte anderen Anbietern zur Verfügung stehen, die sich allerdings nicht manifestierten.

2016 genehmigte die Bundesnetzagentur in Absprache mit der EU-Kommission, dass Gazprom - unter bestimmten Bedingungen - nahezu die gesamte Kapazität der Opal nutzen darf. Die EU-Kommission akzeptierte die Entscheidung der deutschen Regulierungsbehörde im Oktober 2016.

Gegen diese Entscheidung der Kommission klagte Polen vor dem Europäischen Gericht. Die Regierung in Warschau machte geltend, dass die Ausweitung des Betriebs von Opal die polnische Versorgungssicherheit gefährde, denn dadurch gelange ein Teil der Erdgasmenge, die zuvor über Polen und andere osteuropäische Staaten transportiert wurde, künftig über die Opal an ihren Bestimmungsort. Das verstoße gegen den Grundsatz der in den europäischen Verträgen verankerten „Energiesolidarität“.

Das Gericht gab den Polen recht: Die Kommission habe es versäumt zu prüfen, ob die Entscheidung der Bundesnetzagentur Auswirkungen auf die polnische Energiepolitik und Versorgungssicherheit habe. Diese Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jetzt in letzter Instanz bestätigt.

Das Urteil entfaltet zunächst keine direkte Wirkung im Hinblick auf den Beschluss der Bundesnetzagentur. Für nichtig wird nur die Genehmigung der EU-Kommission erklärt. Sie muss den Beschluss der deutschen Regulierungsbehörde erneut prüfen. Dafür stellt der EuGH jetzt zusätzliche Anforderungen: Die Mitgliedstaaten müssten ihre Energiepolitik „im Geiste der Solidarität“ verfolgen. Das sei nicht nur eine Floskel, sondern „ein tragender Grundsatz des Unionsrechts“ und eng verbunden mit dem Grundsatz der „loyalen Zusammenarbeit“.

Die Energiesolidarität entfalte deswegen eine „verbindliche Rechtswirkung“ in allen Bereichen der Energiepolitik: dem Funktionieren des Energiebinnenmarkts, der Gewährleistung der Versorgungssicherheit, der Förderung der Energieeffizienz, der Interkonnektion oder der Entwicklung der erneuerbaren Energien.

Energiesolidarität nicht nur im Notfall

Die Bundesregierung hatte geltend gemacht, dass die Energiesolidarität vor allem im Fall von Naturkatastrophen, Anschlägen oder anderen Notfällen zum Tragen komme. Diese Position haben die höchsten Richter der EU ausdrücklich zurückgewiesen. Der Geist der Solidarität des Artikels 194 EU-Vertrag erstrecke sich „auf alle Maßnahmen der Energiepolitik der Union“.

Die Unionsorgane und Mitgliedstaaten müssten insbesondere dafür sorgen, dass die Energieversorgung gesichert werde, sei es durch vorbeugende Maßnahmen oder in Notfallsituationen. Eigeninteressen müssten dabei gegenüber den Interessen der „möglicherweise betroffenen Akteure“ abgewogen werden.

Die EU-Kommission hätte bei einer erneuten Prüfung also immer noch einen erheblichen Ermessensspielraum. Politisch hat sich die Situation jedoch seit 2016 erheblich verändert. Die Kommission steht sowohl Gazprom wegen des Baus von Nord Stream 2 als auch der Verwendung von Erdgas als fossilem Energieträger wesentlich kritischer gegenüber als vor fünf Jahren. Sollte sie Einspruch gegen die Entscheidung der Bundesnetzagentur einlegen, stünde Gazprom vor neuen Problemen bei der Weiterleitung von russischem Gas aus Nord Stream.

 


Donnerstag, 15.07.2021, 12:19 Uhr
Tom Weingärtner
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Opal-Urteil mit möglichen Folgen für Nord Stream 2
Die Gasleitung Opal darf nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von Gazprom wahrscheinlich nur teilweise genutzt werden. Das könnte Folgen für Nord Stream 2 haben.
Über die Pipeline "Opal" (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) wird russisches Gas aus der Pipeline Nord Stream 1 in das europäische Verbundnetz weitergeleitet. Der Betrieb der Opal wird vom russischen Energiekonzern Gazprom kontrolliert. Weil Gazprom eine marktbeherrschende Stellung in der EU hat, durfte er die Opal nach der Fertigstellung 2011 zunächst nur zur Hälfte nutzen. Die andere Hälfte der Leitungskapazität sollte anderen Anbietern zur Verfügung stehen, die sich allerdings nicht manifestierten.

2016 genehmigte die Bundesnetzagentur in Absprache mit der EU-Kommission, dass Gazprom - unter bestimmten Bedingungen - nahezu die gesamte Kapazität der Opal nutzen darf. Die EU-Kommission akzeptierte die Entscheidung der deutschen Regulierungsbehörde im Oktober 2016.

Gegen diese Entscheidung der Kommission klagte Polen vor dem Europäischen Gericht. Die Regierung in Warschau machte geltend, dass die Ausweitung des Betriebs von Opal die polnische Versorgungssicherheit gefährde, denn dadurch gelange ein Teil der Erdgasmenge, die zuvor über Polen und andere osteuropäische Staaten transportiert wurde, künftig über die Opal an ihren Bestimmungsort. Das verstoße gegen den Grundsatz der in den europäischen Verträgen verankerten „Energiesolidarität“.

Das Gericht gab den Polen recht: Die Kommission habe es versäumt zu prüfen, ob die Entscheidung der Bundesnetzagentur Auswirkungen auf die polnische Energiepolitik und Versorgungssicherheit habe. Diese Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jetzt in letzter Instanz bestätigt.

Das Urteil entfaltet zunächst keine direkte Wirkung im Hinblick auf den Beschluss der Bundesnetzagentur. Für nichtig wird nur die Genehmigung der EU-Kommission erklärt. Sie muss den Beschluss der deutschen Regulierungsbehörde erneut prüfen. Dafür stellt der EuGH jetzt zusätzliche Anforderungen: Die Mitgliedstaaten müssten ihre Energiepolitik „im Geiste der Solidarität“ verfolgen. Das sei nicht nur eine Floskel, sondern „ein tragender Grundsatz des Unionsrechts“ und eng verbunden mit dem Grundsatz der „loyalen Zusammenarbeit“.

Die Energiesolidarität entfalte deswegen eine „verbindliche Rechtswirkung“ in allen Bereichen der Energiepolitik: dem Funktionieren des Energiebinnenmarkts, der Gewährleistung der Versorgungssicherheit, der Förderung der Energieeffizienz, der Interkonnektion oder der Entwicklung der erneuerbaren Energien.

Energiesolidarität nicht nur im Notfall

Die Bundesregierung hatte geltend gemacht, dass die Energiesolidarität vor allem im Fall von Naturkatastrophen, Anschlägen oder anderen Notfällen zum Tragen komme. Diese Position haben die höchsten Richter der EU ausdrücklich zurückgewiesen. Der Geist der Solidarität des Artikels 194 EU-Vertrag erstrecke sich „auf alle Maßnahmen der Energiepolitik der Union“.

Die Unionsorgane und Mitgliedstaaten müssten insbesondere dafür sorgen, dass die Energieversorgung gesichert werde, sei es durch vorbeugende Maßnahmen oder in Notfallsituationen. Eigeninteressen müssten dabei gegenüber den Interessen der „möglicherweise betroffenen Akteure“ abgewogen werden.

Die EU-Kommission hätte bei einer erneuten Prüfung also immer noch einen erheblichen Ermessensspielraum. Politisch hat sich die Situation jedoch seit 2016 erheblich verändert. Die Kommission steht sowohl Gazprom wegen des Baus von Nord Stream 2 als auch der Verwendung von Erdgas als fossilem Energieträger wesentlich kritischer gegenüber als vor fünf Jahren. Sollte sie Einspruch gegen die Entscheidung der Bundesnetzagentur einlegen, stünde Gazprom vor neuen Problemen bei der Weiterleitung von russischem Gas aus Nord Stream.

 


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Tom Weingärtner

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