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Interview

"Ohne KWK gehen die Lichter aus"

Die KWK ist als Back-up der Erneuerbaren unverzichtbar, sagt Claus-Heinrich Stahl, Präsident des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung B.KWK, im Gespräch mit E&M. 
E&M: Die Kraft-Wärme-Kopplung gilt vielen lediglich als fossile Brückentechnologie …

Stahl: … dabei verkennen viele, dass die KWK eine Technik ist − unabhängig vom Treibstoff. Wie setzen heute schon biogene Gase ein, wir haben Anlagen, die wasserstofffähig sind. Der große Anteil der Anlagen ist heute auf Erdgas angewiesen, das stimmt. Aber, das ist eine Frage der Verfügbarkeit und nicht der Technik.

E&M: Sie meinen, die KWK hat ein Imageproblem?

Stahl: Kein Imageproblem, aber im Keller ist sie − im Gegensatz zu PV- und Windkraftanlagen − nicht sichtbar. Gesehen werden lediglich die großen KWK-Anlagen mit den hohen Schornsteinen, von denen viele noch mit Kohle betrieben werden. Aber das ist nicht der Großteil der KWK-Anlagen, die bundesweit installiert sind. Daher haben wir als Branchenverband auch die ‚Blaue Energie‘ geschaffen.

E&M: Was ist die ‚Blaue Energie‘?

Stahl: Mit der Bildmarke, die seit Anfang Februar 2020 genutzt werden kann, wollen wir die hocheffiziente KWK-Energieerzeugung als Beitrag zur Energiewende sichtbar machen − und damit auch ihre Wichtigkeit. Sie ist verlässlich und systemdienlich. Aber das wird in der Politik und in der Öffentlichkeit nicht richtig wahrgenommen.

E&M: Inwieweit ist die KWK für ein künftiges Energiesystem wichtig?

Stahl: Als brennstoffunabhängige Technologie kann KWK in Zukunft eine entscheidende Rolle im Energiesystem einnehmen als hochflexibles und dezentrales Absicherungssystem für das Stromnetz, wenn die Energie aus Sonne und Wind nicht ausreicht. Durch die E-Mobilität und den Wärmepumpenzubau wird sich der Strombedarf außerdem weiter erhöhen. Damit wird sich auch der Bedarf an Residuallast weiter erhöhen. Wir haben in Deutschland rund 2.000 Dunkelflautenstunden im Jahr. Hier werden künftig KWK-Anlagen als Stromerzeuger benötigt, um die Netze stabil zu halten. Das Bundeswirtschaftsministerium geht derzeit davon aus, dass bis zum Jahr 2030 rund 30 Gigawatt an KWK-Anlagen zugebaut werden müssen als Ersatz für die ausgehenden Kohle- und Atomkraftwerke. Das wird nur gern übersehen.

E&M: Sie meinen, dass die Systemsicherheit nur mit den Erneuerbaren nicht funktionieren wird?

Stahl: Ohne KWK gehen die Lichter aus! Auch zur Frequenz- und Spannungshaltung im Stromnetz werden KWK-Anlagen als rotierende Massen benötigt. Bei Netzausfall erzeugen notstromfähige KWK-Anlagen die Stromspannung für einen Schwarzstart der Netze. Gerade dezentrale BHKW auf der Verteilnetzebene stabilisieren das Verteilnetz für Wärmepumpen und E-Ladesäulen. Damit können wir mit der KWK auch den Netzausbau begrenzen. Und sie ist ebenso ein hocheffizienter Lieferant von Nutzwärme. Damit ist sie auch viel effizienter als Reservegaskraftwerke irgendwo auf der grünen Wiese, die ihre Wärme ungenutzt in die Umwelt abgeben. Und diese KWK-Anlagen wären auch ein Garant für den Betrieb der Gasnetze, die auf
erneuerbare Gase und Wasserstoff umgestellt werden können.

E&M: Damit ändern sich aber die Betriebsweisen der Anlagen erheblich, wenn sie künftig vor allem systemdienlich laufen sollen.

Stahl: Mit der Systemdienlichkeit gehen künftig deutlich geringere Betriebsstunden für die jeweilige KWK-Anlage im Jahr einher, bei gleichzeitig hoher installierter KWK-Gesamtleistung in Deutschland, die im Bedarfsfall kurzfristig für die Residuallastdeckung einspringt.
 
Claus-Heinrich Stahl: „Die Wärmenetze sind das Hauptpotenzial für die KWK“
Quelle: B.KWK

E&M: Lässt sich das für die einzelnen Betreiber noch wirtschaftlich abbilden?

Stahl: Die Wirtschaftlichkeit hängt von mehreren Faktoren ab. Der hauptsächliche Punkt ist, wie nehme ich am Strommarkt teil? Die Anlagen sollten stromgeführt gefahren werden und wärmegedeckelt. Das heißt: Sie dürfen mit der KWK-Anlage keine Wärme vernichten. In dem Augenblick, wo der Wärmespeicher voll ist, muss der Betreiber die Anlage wärmeseitig abstellen. Damit sind das Speicherkraftwerke, die Wärme in einem großen Wärmespeicher fahren und wieder entnehmen.
Und auf der Stromseite sollte die Anlage nur zu Zeiten betrieben werden, in denen der Bedarf auf dem Strommarkt vorhanden ist oder die Notwendigkeit des Eigenbedarfs. Damit die KWK ihre Zukunftsrolle jedoch auch erfüllen kann, braucht es hier eine Weiterentwicklung des KWK-Systems im Energiemarkt und dazu die Unterstützung der Politik, um diesen Transformationsprozess anzustoßen. Das heutige Strommarktdesign bildet das tatsächlich nicht richtig ab, da muss der Gesetzgeber ran.

E&M: Was heißt, der Strommarkt bildet das nicht richtig ab?

Stahl: Der Gesetzgeber muss mehr Anreize schaffen, dass sich der Börsenpreis auf den Erzeuger durchschlägt. Damit dieser kein Interesse mehr hat, bei niedrigen Preisen die Anlage zu betreiben. Die KWK der Zukunft ist für mich optimiert in Richtung einer strommarktgeführten Fahrweise, so wie sie von Direktvermarktern ab 100 Kilowatt bereits jetzt vorgegeben wird.

„Ein Großteil der KWK-Anlagen wird in die Direktvermarktung gehen“

E&M: Sie rechnen also damit, dass immer mehr KWK-Anlagen in die Direktvermarktung gehen?

Stahl: Ja, ich denke, dass der Großteil der KWK-Anlagen in die Direktvermarktung gehen wird. KWK-Anlagen sind dann hochflexible Speicherkraftwerke, wirtschaftlich betrieben mit klimaneutralen Brennstoffen und ausgerüstet mit großen Wärmespeichern. Sie dienen der Sicherheit des Energiesystems, denn sie erzeugen genau dann Strom, wenn er benötigt wird, und decken damit die Residuallast, während die Speicherwärme bedarfsgerecht abgegeben und genutzt werden kann.

E&M: Finden sich solche Betriebsweisen bereits am Markt?

Stahl: Für Stadtwerke mit KWK-Anlagen ist das zum Beispiel heute schon gängig. Da laufen die Anlagen marktgeführt.

E&M: Haben Sie Beispiele?

Stahl: Aktuelle Beispiele sind etwa das Küstenkraftwerk in Kiel oder auch die Anlagen der Stadtwerke in Halle an der Saale oder in Bremen. Diese Versorger zeigen, wie dieses Konzept bereits heute wirtschaftlich auf die Zukunft ausgerichtet werden kann. Das sind Anlagen, die innerhalb von fünf Minuten auf Volllast sind und teilweise schwarzstartfähig. Zudem benötigen wir solche KWK-Anlagen dringend für den Wärmemarkt. Das ist ein großer Bereich, wo die KWK eine immer größere Rolle spielen wird, etwa für die Versorgung von Krankenhäusern, für kommunale Einrichtungen, Industrie und Nichtwohngebäude. Der Wärmemarkt ist in den vergangenen Jahren aber zu wenig verfolgt worden.

Bruchfreier Übergang hin zu grünen Gasen für die KWK 

E&M: Was muss eine neue Regierung tun?

Stahl: Neben dieser Marktdienlichkeit auf dem Stromsektor braucht es zusätzlich eine massive Förderung im Bereich der Wärmenetze. Denn die Wärmenetze sind das Hauptpotenzial für die KWK, aber auch für die innovative KWK in Form von Wärmepumpen und erneuerbaren Energien. Für eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung ist ein Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien schlichtweg notwendig. Und dann müssen wir allmählich den Brennstoff wechseln …

E&M: … hin zu erneuerbaren Gasen und Wasserstoff.

Stahl: Alle Anlagen, die heute auf dem Markt sind, sind H2-fähig oder können umgerüstet werden. Und deshalb erwarten wir für KWK-Anlagen auch Wasserstoff − und zwar auch über Zertifikate.

E&M: Woher soll der Wasserstoff kommen?

Stahl: Die Politik muss unter anderem dafür sorgen, dass Kommunalunternehmen in der Nähe von Wärmenetzen Elektrolyseure aufbauen, wie es etwa die Stadtwerke Haßfurt gemacht haben. Dann kann die Abwärme auch für mehr Wirtschaftlichkeit sorgen. Immerhin fallen 30 bis 40 Prozent Abwärme bei der Elektrolyse an. Damit reduziert sich der energetische Verlust auf rund 13 Prozent. Elektolyseure haben nur einen Wirkungsgrad von 60 Prozent, daher gehören sie auch nicht auf die grüne Wiese. Das muss die Politik anders regeln.

E&M: Was muss noch dringend geändert werden?

Stahl: Die Ausschreibungsgrenzen müssen wesentlich erweitert werden. Pro Jahr müssten wir drei bis vier Gigawatt zubauen an KWK, wenn wir die geforderten 30 Gigawatt bis 2030 schaffen wollen. Die Gesetze und Verordnungen müssen insgesamt an die angesprochenen Aufgaben der KWK angepasst und vor allem vereinfacht werden. Der Hauptnenner ist allerdings, die KWK zügig auf die E-Treibstoffe umzustellen. Und hier ist die Politik in der Pflicht, Regelungen zu schaffen, damit der Übergang zur grünen KWK ohne Brüche stattfinden kann.

E&M: Was wäre sinnvoll?

Stahl: Eine Möglichkeit wären grüne Bonds, damit die KWK-Anlagen grün betrieben werden können, obwohl sie noch fossil laufen − bis auch sie auf grüne Gase zugreifen können. Und es muss ein Umdenken stattfinden.

E&M: Inwiefern?

Stahl: Ein Umdenken darin, was Kraft-Wärme-Kopplung eigentlich ist: Hocheffizienztechnologie auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft. Die KWK ist sich bewusst, dass sie 2045 klimaneutral sein muss! Wir warten als KWK-Branche darauf, dass man uns die passenden Treibstoffe zur Verfügung stellt.

Donnerstag, 28.10.2021, 11:24 Uhr
Heidi Roider
Energie & Management > Interview -
Quelle: Fotolia / wellphoto
Interview
"Ohne KWK gehen die Lichter aus"
Die KWK ist als Back-up der Erneuerbaren unverzichtbar, sagt Claus-Heinrich Stahl, Präsident des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung B.KWK, im Gespräch mit E&M. 
E&M: Die Kraft-Wärme-Kopplung gilt vielen lediglich als fossile Brückentechnologie …

Stahl: … dabei verkennen viele, dass die KWK eine Technik ist − unabhängig vom Treibstoff. Wie setzen heute schon biogene Gase ein, wir haben Anlagen, die wasserstofffähig sind. Der große Anteil der Anlagen ist heute auf Erdgas angewiesen, das stimmt. Aber, das ist eine Frage der Verfügbarkeit und nicht der Technik.

E&M: Sie meinen, die KWK hat ein Imageproblem?

Stahl: Kein Imageproblem, aber im Keller ist sie − im Gegensatz zu PV- und Windkraftanlagen − nicht sichtbar. Gesehen werden lediglich die großen KWK-Anlagen mit den hohen Schornsteinen, von denen viele noch mit Kohle betrieben werden. Aber das ist nicht der Großteil der KWK-Anlagen, die bundesweit installiert sind. Daher haben wir als Branchenverband auch die ‚Blaue Energie‘ geschaffen.

E&M: Was ist die ‚Blaue Energie‘?

Stahl: Mit der Bildmarke, die seit Anfang Februar 2020 genutzt werden kann, wollen wir die hocheffiziente KWK-Energieerzeugung als Beitrag zur Energiewende sichtbar machen − und damit auch ihre Wichtigkeit. Sie ist verlässlich und systemdienlich. Aber das wird in der Politik und in der Öffentlichkeit nicht richtig wahrgenommen.

E&M: Inwieweit ist die KWK für ein künftiges Energiesystem wichtig?

Stahl: Als brennstoffunabhängige Technologie kann KWK in Zukunft eine entscheidende Rolle im Energiesystem einnehmen als hochflexibles und dezentrales Absicherungssystem für das Stromnetz, wenn die Energie aus Sonne und Wind nicht ausreicht. Durch die E-Mobilität und den Wärmepumpenzubau wird sich der Strombedarf außerdem weiter erhöhen. Damit wird sich auch der Bedarf an Residuallast weiter erhöhen. Wir haben in Deutschland rund 2.000 Dunkelflautenstunden im Jahr. Hier werden künftig KWK-Anlagen als Stromerzeuger benötigt, um die Netze stabil zu halten. Das Bundeswirtschaftsministerium geht derzeit davon aus, dass bis zum Jahr 2030 rund 30 Gigawatt an KWK-Anlagen zugebaut werden müssen als Ersatz für die ausgehenden Kohle- und Atomkraftwerke. Das wird nur gern übersehen.

E&M: Sie meinen, dass die Systemsicherheit nur mit den Erneuerbaren nicht funktionieren wird?

Stahl: Ohne KWK gehen die Lichter aus! Auch zur Frequenz- und Spannungshaltung im Stromnetz werden KWK-Anlagen als rotierende Massen benötigt. Bei Netzausfall erzeugen notstromfähige KWK-Anlagen die Stromspannung für einen Schwarzstart der Netze. Gerade dezentrale BHKW auf der Verteilnetzebene stabilisieren das Verteilnetz für Wärmepumpen und E-Ladesäulen. Damit können wir mit der KWK auch den Netzausbau begrenzen. Und sie ist ebenso ein hocheffizienter Lieferant von Nutzwärme. Damit ist sie auch viel effizienter als Reservegaskraftwerke irgendwo auf der grünen Wiese, die ihre Wärme ungenutzt in die Umwelt abgeben. Und diese KWK-Anlagen wären auch ein Garant für den Betrieb der Gasnetze, die auf
erneuerbare Gase und Wasserstoff umgestellt werden können.

E&M: Damit ändern sich aber die Betriebsweisen der Anlagen erheblich, wenn sie künftig vor allem systemdienlich laufen sollen.

Stahl: Mit der Systemdienlichkeit gehen künftig deutlich geringere Betriebsstunden für die jeweilige KWK-Anlage im Jahr einher, bei gleichzeitig hoher installierter KWK-Gesamtleistung in Deutschland, die im Bedarfsfall kurzfristig für die Residuallastdeckung einspringt.
 
Claus-Heinrich Stahl: „Die Wärmenetze sind das Hauptpotenzial für die KWK“
Quelle: B.KWK

E&M: Lässt sich das für die einzelnen Betreiber noch wirtschaftlich abbilden?

Stahl: Die Wirtschaftlichkeit hängt von mehreren Faktoren ab. Der hauptsächliche Punkt ist, wie nehme ich am Strommarkt teil? Die Anlagen sollten stromgeführt gefahren werden und wärmegedeckelt. Das heißt: Sie dürfen mit der KWK-Anlage keine Wärme vernichten. In dem Augenblick, wo der Wärmespeicher voll ist, muss der Betreiber die Anlage wärmeseitig abstellen. Damit sind das Speicherkraftwerke, die Wärme in einem großen Wärmespeicher fahren und wieder entnehmen.
Und auf der Stromseite sollte die Anlage nur zu Zeiten betrieben werden, in denen der Bedarf auf dem Strommarkt vorhanden ist oder die Notwendigkeit des Eigenbedarfs. Damit die KWK ihre Zukunftsrolle jedoch auch erfüllen kann, braucht es hier eine Weiterentwicklung des KWK-Systems im Energiemarkt und dazu die Unterstützung der Politik, um diesen Transformationsprozess anzustoßen. Das heutige Strommarktdesign bildet das tatsächlich nicht richtig ab, da muss der Gesetzgeber ran.

E&M: Was heißt, der Strommarkt bildet das nicht richtig ab?

Stahl: Der Gesetzgeber muss mehr Anreize schaffen, dass sich der Börsenpreis auf den Erzeuger durchschlägt. Damit dieser kein Interesse mehr hat, bei niedrigen Preisen die Anlage zu betreiben. Die KWK der Zukunft ist für mich optimiert in Richtung einer strommarktgeführten Fahrweise, so wie sie von Direktvermarktern ab 100 Kilowatt bereits jetzt vorgegeben wird.

„Ein Großteil der KWK-Anlagen wird in die Direktvermarktung gehen“

E&M: Sie rechnen also damit, dass immer mehr KWK-Anlagen in die Direktvermarktung gehen?

Stahl: Ja, ich denke, dass der Großteil der KWK-Anlagen in die Direktvermarktung gehen wird. KWK-Anlagen sind dann hochflexible Speicherkraftwerke, wirtschaftlich betrieben mit klimaneutralen Brennstoffen und ausgerüstet mit großen Wärmespeichern. Sie dienen der Sicherheit des Energiesystems, denn sie erzeugen genau dann Strom, wenn er benötigt wird, und decken damit die Residuallast, während die Speicherwärme bedarfsgerecht abgegeben und genutzt werden kann.

E&M: Finden sich solche Betriebsweisen bereits am Markt?

Stahl: Für Stadtwerke mit KWK-Anlagen ist das zum Beispiel heute schon gängig. Da laufen die Anlagen marktgeführt.

E&M: Haben Sie Beispiele?

Stahl: Aktuelle Beispiele sind etwa das Küstenkraftwerk in Kiel oder auch die Anlagen der Stadtwerke in Halle an der Saale oder in Bremen. Diese Versorger zeigen, wie dieses Konzept bereits heute wirtschaftlich auf die Zukunft ausgerichtet werden kann. Das sind Anlagen, die innerhalb von fünf Minuten auf Volllast sind und teilweise schwarzstartfähig. Zudem benötigen wir solche KWK-Anlagen dringend für den Wärmemarkt. Das ist ein großer Bereich, wo die KWK eine immer größere Rolle spielen wird, etwa für die Versorgung von Krankenhäusern, für kommunale Einrichtungen, Industrie und Nichtwohngebäude. Der Wärmemarkt ist in den vergangenen Jahren aber zu wenig verfolgt worden.

Bruchfreier Übergang hin zu grünen Gasen für die KWK 

E&M: Was muss eine neue Regierung tun?

Stahl: Neben dieser Marktdienlichkeit auf dem Stromsektor braucht es zusätzlich eine massive Förderung im Bereich der Wärmenetze. Denn die Wärmenetze sind das Hauptpotenzial für die KWK, aber auch für die innovative KWK in Form von Wärmepumpen und erneuerbaren Energien. Für eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung ist ein Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien schlichtweg notwendig. Und dann müssen wir allmählich den Brennstoff wechseln …

E&M: … hin zu erneuerbaren Gasen und Wasserstoff.

Stahl: Alle Anlagen, die heute auf dem Markt sind, sind H2-fähig oder können umgerüstet werden. Und deshalb erwarten wir für KWK-Anlagen auch Wasserstoff − und zwar auch über Zertifikate.

E&M: Woher soll der Wasserstoff kommen?

Stahl: Die Politik muss unter anderem dafür sorgen, dass Kommunalunternehmen in der Nähe von Wärmenetzen Elektrolyseure aufbauen, wie es etwa die Stadtwerke Haßfurt gemacht haben. Dann kann die Abwärme auch für mehr Wirtschaftlichkeit sorgen. Immerhin fallen 30 bis 40 Prozent Abwärme bei der Elektrolyse an. Damit reduziert sich der energetische Verlust auf rund 13 Prozent. Elektolyseure haben nur einen Wirkungsgrad von 60 Prozent, daher gehören sie auch nicht auf die grüne Wiese. Das muss die Politik anders regeln.

E&M: Was muss noch dringend geändert werden?

Stahl: Die Ausschreibungsgrenzen müssen wesentlich erweitert werden. Pro Jahr müssten wir drei bis vier Gigawatt zubauen an KWK, wenn wir die geforderten 30 Gigawatt bis 2030 schaffen wollen. Die Gesetze und Verordnungen müssen insgesamt an die angesprochenen Aufgaben der KWK angepasst und vor allem vereinfacht werden. Der Hauptnenner ist allerdings, die KWK zügig auf die E-Treibstoffe umzustellen. Und hier ist die Politik in der Pflicht, Regelungen zu schaffen, damit der Übergang zur grünen KWK ohne Brüche stattfinden kann.

E&M: Was wäre sinnvoll?

Stahl: Eine Möglichkeit wären grüne Bonds, damit die KWK-Anlagen grün betrieben werden können, obwohl sie noch fossil laufen − bis auch sie auf grüne Gase zugreifen können. Und es muss ein Umdenken stattfinden.

E&M: Inwiefern?

Stahl: Ein Umdenken darin, was Kraft-Wärme-Kopplung eigentlich ist: Hocheffizienztechnologie auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft. Die KWK ist sich bewusst, dass sie 2045 klimaneutral sein muss! Wir warten als KWK-Branche darauf, dass man uns die passenden Treibstoffe zur Verfügung stellt.

Donnerstag, 28.10.2021, 11:24 Uhr
Heidi Roider

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