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Für den weiteren Ausbau auf See drängt die Offshore-Windbranche die Politik, sich abzeichnende Nutzungskonflikte mit der Schifffahrt oder dem Militär frühzeitig zu lösen.
Die Bundesregierung hatte sich im vergangenen Jahr neue Ziele für den Ausbau der Windenergie gesetzt: Bis 2040 soll es vor den deutschen Nord- und Ostseeküsten eine Kapazität von 40.000 MW geben – ganz zur Freunde der zuletzt arg gebeutelten heimischen Offshore-Windbranche. Danach ist aber nicht Schluss.
Andreas Feicht, Energie-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, sprach auf der jüngsten Jahrestagung des Bundesverbands der Windparkbetreiber Offshore e.V. (BWO) erstmals von „40 GW plus X“ als künftigem Ziel. Wie groß dieses „X“ nach seinen Vorstellungen ausfalle, darüber schwieg sich Feicht allerdings aus. Stimmen aus der Offshore-Windbranche halten längst eine Kapazität von 70.000 MW bis Mitte dieses Jahrhunderts für notwendig, damit die Bundesregierung ihre eigenen Klimaschutzziele erreicht.
Zufrieden dürften die Teilnehmer des BWO-Digitalsymposiums Feichts weitere Worte registriert haben: Für das Ausbauziel nach 2040 müssten sich alle andere Bereiche „ein Stück weit unterordnen, insbesondere der Natur- und Artenschutz“. Zu diesem anderen Bereich zählen neben dem Natur- und Artenschutz die Schifffahrt, das Militär oder der Tourismus. Diese Nutzungskonflikte seien nicht trivial, betonte BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm gegenüber dieser Redaktion: „Es wäre wirklich schön, wenn wir einen Masterplan für den weiteren Ausbau auf See bekämen, was Investoren und der Windindustrie Planungssicherheit verschaffen würde.“
Bundesregierung muss über 2040 hinausdenken
Thimm zeigte sich erst einmal zufrieden, dass in dem vor wenigen Tagen vorgelegten zweiten Entwurf des Raumordnungsplans auf See genügend Flächen vorgesehen sind, die ausreichend sein könnten, um das angestrebte 40.000-MW-Ziel bis 2040 zu erreichen. „Wir begrüßen es, dass im Vergleich zum ersten Entwurf in Nord- und Ostsee weitere geeignete Flächen gefunden wurden. Die Bundesregierung zeigt damit, dass sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz ernst nimmt.“ Aber angesichts der langen Vorlaufzeiten für Windparks müsse die Bundesregierung über das Jahr 2040 hinausdenken, so Thimm.
Kurz vor Ende dieser Legislaturperiode wird das schwarz-rote Regierungsbündnis noch einige längst überfällige Hausaufgaben erfüllen. So wird der Bundestag Ende Juni bei der anstehenden Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes auch grünes Licht für die sogenannte Küstenmeerregelung geben. Danach sollen Ãœbertragungsnetzbetreiber demnächst verpflichtet sein, genehmigte Windparks im Zuständigkeitsbereich der Küstenländer an das Netz anzubinden, sofern deren Planer und Investoren keine EEG-Vergütung in Anspruch nehmen. Diese Neuregelung dürfte das Management des Bremer Projektentwicklers WPD AG hoch erfreuen. Dessen längst genehmigtes Projekt „Gennacker“ vor der Ostseehalbinsel Fischland-Darß-Zingst mit einer Leistung von etwa 900 MW wartet seit Jahren auf einen Netzanschluss und damit auf den Bau.
Neben der Küstenmeerregelung wird die Bundesregierung auch noch zwei kleinere Flächen in sogenannten Energiegewinnungsgebieten festlegen, wo künftig grüner Wasserstoff mittels Offshore-Windenergie hergestellt werden soll. Ob es wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, künftig verstärkt Wasserstoff via Offshore-Windstrom zu produzieren, bezweifelte übrigens Lorenz Gösta Beutin auf der BWO-Veranstaltung: „Bei dem wachsenden Strombedarf und all den Anwendungen bei der Sektorenkopplung brauchen wir jede Kilowattstunde Ökostrom über diese elektrischen Anwendungen“, so der Energieexperte von der Linken-Bundestagsfraktion.
Offshore-Windenergie kein Selbstläufer
Der weitere Ausbau der Offshore-Windenergie hierzulande wird alles andere als ein Selbstläufer, resümierte Manfred Dittmer gegenüber der Redaktion. Der Energiemanager hat mehrere Jahre lang für den dänischen Oersted-Konzern gearbeitet, den bislang größten Betreiber von Offshore-Windparks, und ist aktuell bei dem belgischen Projektentwickler Parkwind unter Vertrag. So sehr sich Dittmer über den sich abzeichnenden Offshore-Windboom in den USA freut – US-Präsident Joe Biden hat eine Leistung von 30.000 MW bis 2030 angekündigt –, so sehr sieht er auch die damit verbundene Konkurrenz für den deutschen Markt: „Investoren, Betreiber und die Industrie werden sich für die Märkte entscheiden, die für sie wirtschaftlich am attraktivsten sind.“ Sprich, so manche Milliarden könnten eher vor den amerikanischen denn vor den deutschen Küsten landen.
„Die Konkurrenz bei der Offshore-Windenergie unter den Regionen weltweit wächst“, sagte auch Jörg Buddenberg, langjähriger Offshore-Windexperte beim Energiekonzern EWE AG, auf dem BWO-Forum. Es brauche Zeit, bis Windturbinenhersteller neue Produktionswerke gebaut haben oder neue Errichterschiffe vom Kiel gelassen werden können. Wer also an eine goldene Zukunft der deutschen Windenergie auf See glaubt, der könnte sich schwer irren.
Freitag, 18.06.2021, 16:03 Uhr
Ralf Köpke
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