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Vier Lokalpolitiker stimmen dafür, drei dagegen: Denkbar knapp nimmt das Milliardenprojekt die Hürde Gemeindevertretung.
Als „wichtigstes Projekt der Verkehrs- und Energiewende“, als „Habecks Lieblingsprojekt“ oder schlicht als „Batterietraum“ wurde sie schon betitelt, Fördergelder in Millionenhöhe sind bereits genehmigt, und doch war das Schicksal der in Schleswig-Holstein geplanten Northvolt-Batteriefabrik bislang noch ungwiss: An den Stimmen von neun Gemeindevertretern, alle Mitglieder der freien Wählergemeinschaft Norderwöhrden (FWN), hätte das Projekt noch scheitern könnten.
Konjunktiv, denn am Abend des 22. Januar fiel die Entscheidung: Vier der neun Gemeindevertreter im schleswig-holsteinischen Norderwöhrden (nahe der Kreisstadt Heide, etwa 100 Kilometer nördlich von Hamburg), in deren Gemeindegebiet ein Teil der geplanten Baufläche liegt, stimmten dem Projekt zu. Zwei Gemeindevertreter galten als befangen und stimmten nicht mit ab. Und weil die zwölf Vertreter der Nachbargemeinde Lohe-Rickelshof bereits am 18. Januar dem Bau der Giga-Fabrik ebenfalls zugestimmt hatte – einstimmig – steht dem Baubeginn nun fast nichts mehr im Wege.
Dass sich gleich drei der Norderwöhrdener Gemeidevertreter gegen die Ansiedlung ausgesprochen haben, zeigt, dass das Projekt in der Gemeinde nicht gänzlich unumstritten ist. Kein Wunder, die Dimensionen sind gewaltig: Northvolt will in der Fabrik auf 110 Hektar jährlich eine Million Batteriezellen für E-Autos herstellen. Auch eine Anlage zum Recycling von Altbatterien ausrangierter E-Autos ist angedacht. 4,5 Milliarden Euro wollen die Schweden investieren, 3.000 Arbeitsplätze sollen entstehen – teilweise auf dem Gebiet einer Gemeinde, die derzeit etwa 290 Einwohner zählt, verteilt auf acht Ortsteile. Den Internetauftritt der Gemeinde ziert ein großes Bild von weidenden Schafen vor Windkraftanlagen.
Letztere sind auch der Grund für das Interesse Northvolts an der Region: Bei der Pressekonferenz im März 2022, bei der erste Pläne für die Fabrik vorgestellt wurden, sprach Firmengründer und CEO von Northvolt, Peter Carlsson von der „grünsten“ Auto-Batterie der Welt, die man hier dank des vielen Windstroms – an Land und in der Nordsee – bauen wolle. Dennoch war auch auf Seiten Northvolts die Investitionsentscheidung damals noch nicht endgültig getroffen: Mit der Einführung des Inflation Reduction Act in den USA im August 2022 und den steigenden Energiekosten in Deutschland stand zumindest eine Verschiebung des Baubeginns im Raum.
Steigende Bodenpreise und fehlende Infrastruktur befürchtet
2023 sagten Bund und Land insgesamt Fördermittel in Höhe von rund 700 Millionen Euro und Garantien in Höhe 202 Millionen Euro zu. Am 8. Januar 2024 genehmigte die EU-Kommission die Förderung (wir berichteten), woraufhin Northvolt sich am 17. Januar mit der Unterzeichnung des Durchführungvertrags verpflichtete, die Fabrik zu bauen. Nun hing alles an der Entscheidung der ehrenamtlichen Lokalpolitiker, die die Bebauungspläne noch genehmigen mussten.
Kritiker des Projektes fürchten negative Folgen für den Tourismus in der Region. Auch sorgen sich die Landwirte um steigende Bodenpreise, und nicht zuletzt befürchten einige, dass die Infrastrukturen der betroffenen Kommunen im Kreis Dithmarschen mit dem zu erwartenden Zuzug nicht Schritt halten können.
Auf die Region kämen nun große Herausforderungen beim Ausbau der Infrastruktur zu, sagte Norderwöhrdens Bürgermeister Kay Uwe Evers (FWN) dem NDR: „Dafür brauchen wir zwingend Unterstützung von Bund und Land.“ Gleichzeitig sehe man in dem Projekt aber auch große Chancen. Grundsätzlichen Widerstand gegen die Pläne gibt es in der Region wohl wenig, auch anlässlich der entscheidenden Gemeinderatssitzungen gab es keine Proteste.
Mit der nun erteilten Zustimmung steht dem Projekt fast nichts mehr im Wege. Noch steht die Baugenehmigung des Landesamtes für Umwelt in Zusammenarbeit mit dem Kreis Dithmarschen aus, die Erteilung sei aber nur noch eine Formalie, sagte Landrat Stefan Mohrdieck der Deutschen Presse-Agentur. In Betrieb gehen soll die Anlage im Jahr 2026.
Und so zeigte sich auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erleichtert über die Entscheidung der Lokalpolitiker. Die Stromerzeugung aus Windkraft in der Region habe den Unterschied gemacht gegenüber allen anderen Standorten in Europa, sagte er dem Sender NDR-Info: „Das zeigt ja, dass die Industriestrategie und die Klimaschutzstrategie eng miteinander verzahnt sind und dieser Plan aufgeht.“
Dienstag, 23.01.2024, 14:18 Uhr
Katia Meyer-Tien
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